Piccola Sicilia

Das Hörbuchcover von "Piccola Sicilia"
Bild von Argon Verlag

Der Inhalt

Im Rahmen der Buchmessen ziehen immer wieder Gesamtverzeichnisse der veröffentlichten Titel verschiedener Verlage bei mir ein. So entdeckte ich im Verzeichnis des Argon Verlags Piccola Sicilia, einen Titel, der sehr lange auf meiner Wunschliste lag. Als ich mit dem Hörbuch begann, wurde mir schnell klar, dass es schwer werden würde, das Hörbuch von den Ohren zu nehmen.

Der Inhalt wird aus drei Perspektiven erzählt. Wir lernen Nina kennen, die gerade kurz vor der Scheidung steht. Da kommt ihr ein Ausflug in die Fremde gerade recht. Hier könnte sie endlich erfahren, was es mit ihrem verschwundenen Großvater auf sich hat. Sie lernt Joelle kennen. Eine Frau, die mehr über Ninas Großvater weiß, als diese zu Beginn vermutet.

Dann wechseln wir in die zweite Perspektive: Wir lernen Joelles Mutter Yasmina kennen. Eine Frau, die keine Heimat hat und hofft, diese bei Familie Safati zu finden. Ihr Bruder Victor steht ihr anfangs feindselig gegenüber. Er hatte sich gewünscht, dass sich seine Eltern für einen anderen Jungen entscheiden. Das Argument seiner Eltern hingegen ist ganz simpel: Sie ist Jüdin, wie wir. Nach und nach finden die beiden Stiefgeschwister aber zueinander.

Dieser Handlungsstrang spielt in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Das Erschreckende sind nicht nur die Dinge, die Familie Safati und die jüdische Gemeinde während des Krieges erleben müssen. Besonders bedrückend fand ich auch, dass beschrieben wird, wie das Leben in Piccola Sicilia vor dem Einmarsch der Deutschen war und wie es sich nach dem Krieg verändert hat. Menschen, die verschiedenen Religionen oder Kulturen angehörten lebten friedlich gemeinsam in einem Ort. Sie feierten Feste, stritten natürlich auch gelegentlich miteinander. Doch niemand überschritt das ungeschriebene Gesetz, den Gott des Anderen zu beleidigen.

Durch den Zweiten Weltkrieg veränderte sich alles: Nicht nur für die Juden. Die Einwonher Piccola Sicilias mussten sich der Frage stellen, wie viel sie für ihre Freund*innen riskieren können.

Die dritte Perspektive erzählt von Moritz, einem deutschen Soldaten, den es nach Piccola Sicilia verschlägt. Er hat nur ein Ziel: Möglichst nicht aufzufallen. Doch als er eine Entscheidung trifft, ahnt er noch nicht, dass diese sein bisheriges Leben komplett über den Haufen werfen wird.

Was mir in Piccola Sicilia sehr gut gefallen hat war, dass wir viel über das Judentum gelernt haben. Daniel Speck hat es geschafft, wichtige Prinzipien des Judentums in die Handlung einzuflechten und zwar so, dass diese mit der Geschichte verschmolzen und nicht der Eindruck entstand, dass wir ein Sachbuch vor uns haben.
Besonders bewegend fand ich die Freundschaft zwischen Familie Safati und einer muslimischen Familie. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich mich fragte, ob eine Freundschaft heutzutage überhaupt noch möglich ist.

Immer wieder wird zwischen der Perspektive, in der sich Nina und Joelle miteinander unterhalten und der Vergangenheit in der wir Moritz und Yasmina begleiten, hin und her gesprungen. Den Handlungsstrang, der in der Vergangenheit spielte, fand ich deutlich interessanter. Dennoch fand Speck die richtige Mischung, auch Parallelen zu Ninas Leben ziehe nzu können.

Das Einzige, was mich am Inhalt störte, war das Ende. Daniel Speck legt eine schöne Fährte für einen Abschluss. Dann gibt es einen Nebensatz, der noch einmal alles ändert und mich mit einigen Fragen zurückgelassen hat. Einerseits sind offene Enden schön, weil wir uns das Ende selbst ausmalen können. Anderseits finde ich es auch etwas frustrierend, das Ende nicht zu kennen.

Die Hörbuchgestaltung

Kommen wir nun zur Hörbuchgestaltung: Das Hörbuch ist sowohl als gekürzter als auch als ungekürzter Titel erschienen. Die Angaben auf der Verlagswebsite haben mich hierzu etwas verwirrt. Das hängt aber vermutlich hauptsächlich damit zusammen, dass ich mich im neuen Aufbau der Website des Argon Verlages erst noch zurechtfinden muss.

Als ich mit dem Hörbuch begann, hatte ich völlig vergessen, dass ein Großteil der Handlung von Luise Helm gelesen wird. Sie zählt zu einer meiner Lieblingssprecherinnen. Deswegen habe ich mich sehr auf das Wiederhören gefreut. Luise Helm beweist in Liebesromanen regelmäßig, dass sie sich wunderbar darauf versteht, einen Roman lebendig und fröhlich zu interpretieren. In Piccola Sicilia hingegen arbeitet sie die Melancholie, die zwischen den Zeilen steckt sehr gut heraus und zeigt somit, dass sie ruhig lesen kann, ohne, das dabei Inhalt verloren geht.

An die Stimmfarbe von Michael Rotschopf musste ich mich zuerst etwas gewöhnen. Ich hoffte insgeheim, dass er nicht zu viele Passagen las. Doch nach und nach wurde mir bewusst, wie gut er Moritz Perspektive in Worte fassen kann und zwar allein durch seine Betonung. Gerade gegen Ende, als Moritz wichtige Dinge klar werden, gab es einige starke Momente, die mir in seiner Interpretation sehr gut gefallen haben.

Etwas verwirrend hingegen fand ich die Aufteilung der beiden Sprecher*innen, was aber auch mit dem Schreibstil zusammenhing. Eigentlich sollte Luise Helm Ninas und somit auch Yasminas Perspektive lesen. Michael Rotschopf erlebten wir in Moritz Perspektive. Doch immer wieder vermischten sich die beiden Perspektiven.
Allerdings trug das nicht dazu bei, dass ich in der Handlung hängen blieb, weswegen ich auch keinen Punkt in der Bewertung abziehen werde.

Der Schreibstil

In Daniel Specks Schreibstil verstecken sich unglaublich viele sprachliche Bilder, die mich mit nach Italien, Tunesien bzw. Piccola Sicilia entführt haben. Ich konnte mir das Leben in der Stadt sehr gut vorstellen.
Was ich besonders beeindruckend fand ist, dass Speck die Handlung trotz weniger Dialoge und viel indirekter Rede so lebendig verpacken konnte.

Was mich aber etwas verwirrt hat war Folgendes: Er erzählt Piccola Sicilia aus der Sicht des allwissenden Erzählers. Das merken wir daran, dass er beispielsweise einen Absatz aus Moritz Perspektive erzählt, aber Moritz offenbar weiß, was Yasmina denkt. Hier war ich mir dann oft nicht sicher, ob die jeweiligen Charaktere glauben zu wissen, was ihr Gegenüber denkt, oder ob es sich wirklich um die Perspektive des allwissenden Erzählers handelt.

Gesamteindruck

Daniel Speck erzählt hier nicht nur eine bewegende Familien- oder Liebesgeschichte. In Piccola Sicilia geht es um mehr. Der Titel erzählt auch, mit welcher Haltung wir durchs Leben gehen können.
Ich empfehle das Hörbuch allen, die mehr suchen.

Infos zum Hörbuch

Name: Piccola Sicilia
Geschrieben von: Daniel Speck
Gelesen von: Luise Helm, Michael Rotschopf
Bewertung: 4 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

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Weitere Bände:
Jaffa Road (Band 2)

Dieses Hörbuch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenlos vom Argon Verlag zur Verfügung gestellt.

2 Gedanken zu „Piccola Sicilia“

  1. Hallo Konrad,
    das klingt ja super. Ich bin gespannt, wie Dir seine Bücher gefallen. (Sein aktuelles Buch heißt "Jaffa Road". Entweder ist es schon erschienen, oder es erscheint demnächst).
    viele Grüße
    Emma

    Antworten

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