5 Dinge, die ich gerne vor meinem Studium gewusst hätte – Hilfsmittel

Zwei Personen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich dabei gegenseitig.
Bild von: Emma Zecka

Hallo zusammen,

es wird wieder einmal Zeit für eine neue Reihe aus der Ge(h)fordert-Rubrik: Allerdings schummle ich diesmal auch ein bisschen. Denn hier richte ich mich nicht ausschließlich an Studierende mit Behinderung, sondern auch an Studierende ohne Behinderung, oder solche, die kurz vor ihrem Studienbeginn stehen.

Ich schreibe hier über Erwartungen, Wünsche und Träume, die ich mit meinem Studium verbunden habe. Ein oder zwei Punkte waren mir im Voraus zwar schon bekannt, dennoch habe ich sie nicht wirklich glauben wollen.

Bevor ich inhaltlich einsteige, gibt es hier ein paar Infos:

  • Wenn ihr Fragen oder Ideen habt, über welche Themen in Bezug auf Sehbehinderung oder Blindheit ich unbedingt schreiben sollte: Lasst mir eure Ideen sehr gerne in den Kommentaren da oder schreibt mir eine Mail an EmmaZecka(at)gmx.de.
  • Am Ende des Beitrages findet ihr wie gewohnt eine Übersicht der letzten fünf Beiträge, die in dieser Rubrik bereits erschienen sind. Außerdem gibt es die altbekannte Info, wie sich meine Sehbehinderung auf meinen Alltag auswirkt.

Diese Reihe wird euch die nächsten Monate begleiten. Pro Monat gibt es eines der fünf Dinge und ich bin sehr gespannt, ob es euch im Studium oder in der Ausbildung ähnlich ergeht bzw. erging.

Genug geschrieben – beginnen wir mit dem ersten Ding.

Part 1: Dass ich nicht an Hilfsmitteln sparen sollte

Diesen Punkt möchte ich anhand zweier Hilfsmittel konkreter ausführen, die ich vor oder im Laufe meines Studiums bekommen habe.

Hörgeräte – Eine Odyssee

Vorgeschichte – Nein, ich brauche keine Hörgeräte!

Schon während meiner Schulzeit stellte sich heraus, dass ich schlecht hörte. Bisher waren wir – also meine Eltern und ich – davon ausgegangen, dass das nur das linke Ohr betrifft.

Ich nahm es irgendwie als gegeben hin und setzte mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Frage auseinander, ob ich vielleicht Geld in ein Hörgerät investieren sollte. Ja, ihr lest richtig: Ein Hörgerät. Schließlich war es ja nur die linke Seite, die altersschwach wurde. Und Hörgeräte werden ja nur von Leuten getragen, die so richtig schlecht hören. Oder?

Nach dem Abi fand ich also den Weg zu einer Hörakustik Kette. Ein Mitarbeiter füllte zum Einstieg der Beratung einen Bogen mit mir aus. Hier wurde mein Bedarf erfragt und versucht, herauszufinden, in welchen Situationen ich akustische Unterstützung bräuchte. Natürlich stellte sich heraus, dass ich am besten in der Premium Liga, also mit den teuersten Hörgeräten, anfangen sollte. Da dachte ich mir: Über den Tisch ziehen lasse ich mich nicht.

Also entschied ich mich für die Starter Variante, die von der Krankenkasse in vollem Umfang übernommen wird. Hier musste ich eine Zuzahlung von 10 Euro pro Hörgerät leisten.

Im Übrigen hatte ein Hörtest ergeben, dass auch mein rechtes Ohr schnell altert und seine Funktionen nicht mehr im vollen Umfang nutzen kann. Nachdem ich mich beim Ausprobieren der Hörgeräte zuerst noch gegen das rechte Hörgerät gesträubt habe – ich dachte, wenn ich es einer zu lauten Lautstärke aussetze, verabschiedet es sich erst recht – , konnte ich den Mehrwert schließlich doch erkennen.

Soweit so gut: Ich hörte zwar besser, aber noch lange nicht so gut, wie früher. Ich begründete das damit, dass ein Hörgerät das normale Hören eben nicht zu hundert Prozent ersetzen kann. So startete ich – chaotisch – in mein Studium.

Das Studium – akustisch mehr schlecht als recht

Ich stellte schnell fest, dass die Technik in meinen Ohren an ihre Grenzen stieß. Wenn wir in einer Vorlesung saßen und Mitstudierende Fragen stellten, konnte ich diese in den seltensten Fällen verstehen. Nur ganz wenige Dozierende fassten die Fragen nochmal für alle über das Mikrofon zusammen.

Meine Taktik: Anhand der Antwort versuchen, zu erahnen, was denn nun die Frage gewesen war. Teilweise funktionierte das recht gut, bzw. hatte ich nicht das Gefühl, dass mir bezogen auf Klausuren durch die nicht verstandenen Fragen wichtige Infos entgingen.

Auch in Seminaren gab es ähnliche Probleme. Die Seminarräume waren nicht mit Mikrofonen ausgestattet. Warum auch? Schließlich waren hier höchstens 20 – 30 Leute anwesend. (Je nach Anwesenheitspflicht und Beliebtheit auch gerne mal weniger Studierende).

So kam hinzu, dass ich in der Regel auch Mühe hatte, die Dozierenden zu verstehen. Oft konnte ich das noch ausgleichen, indem ich mir einen vorderen Platz sicherte. Aber ihr kennt es: Es gibt eben auch Menschen, die undeutlich sprechen und es selbst nicht merken bzw. es schon so lange tun, dass sie nichts daran ändern können.

Vielleicht fragt ihr euch, warum ich dann nicht darum gebeten habe, dass die Dozierenden nochmal einige Sätze wiederholten. Zum einen, weil es schlicht und ergreifend auffällt und ich somit Aufmerksamkeit auf mich ziehe, die mir unangenehm war. (Wobei auch dahingestellt sei, ob meine nicht vorhandene Strategie weniger auffällig gewesen ist. Zur Strategie: siehe unten).
Zum anderen hatte ich nicht den Eindruck, dass es etwas änderte, weil die Menschen, die ich nicht verstand undeutlich redeten, also schnell wieder in ihre gewohnte Sprache verfielen.

Kommen wir nun also zu meiner schwammigen Strategie: Der Vorteil von Seminaren ist schlicht und ergreifend, dass man dort eine kleinere Gruppe hat und somit auch über Inhalte diskutieren kann. Da war es bei uns nicht anders. Da ich hier den Großteil der Beiträge nicht verstand und auch nicht wahrnehmen konnte, wann gerade jemand zu einer Antwort ansetzen wollte, hielt ich mich lieber zurück: Schließlich wollte ich ja nicht etwas sagen, was jemand vor mir bereits bemerkt hatte. Zudem wollte ich niemandem ins Wort fallen.

Ich beschränkte mich also auf das Nötigste an mündlicher Beteiligung und meldete mich höchstens hin und wieder in Seminaren, in denen generell wenig gesprochen wurde.

Warum ich nichts an meiner Situation änderte? Ich rechnete nicht damit, dass ein anderes Hörgerät helfen könnte. Ich dachte, dass es sich hier um Probleme handelte, die von der Technik eben nicht ausgeglichen werden könnten. Punkt. Aus.

Falsch gedacht: In den letzten Wochen – ja, in manchen Dingen, bin ich unverschämt spät dran – habe ich mir einen neuen Hörakustiker bei mir im Ort gesucht. Dort bestätigte man mir meine Vermutung: Man könne andere Modelle zwar testen, jedoch sei ungewiss, ob mir diese wirklich weiterhelfen. Dennoch dachte ich mir, dass ich nicht viel zu verlieren habe. (Zumal ich mein altes Hörgerät verloren hatte). Und so testete ich munter drauf los und fand auch eine Firma, die mir zusagte. (Über Tipps und Tricks zur Hilfsmittelfinanzierung schreibe ich am Ende von diesem Punkt noch ein paar Zeilen).

Elektronische Lupe – Immer noch besser als nichts

Wer mein Video zum Thema Lesen bereits gesehen hat, kann mit diesem Begriff etwas anfangen. An dieser Stelle in aller Kürze: Die elektronische Lupe, ist ein kleines Gerät, mit dem man Texte vergrößern kann. Die Besonderheit ist, dass man auch den Kontrast verstellen kann und nicht wie bei den herkömmlichen Lupen auf eine Standardvergrößerung beschränkt ist, sondern hier einen kleinen Spielraum hat.

Zur Situation

Immer wieder kam es bei uns im Studium vor, dass wir während eines Seminars oder während einer Vorlesung Texte lesen mussten. Hier stellte ich irgendwann fest, dass mir meine normale Lupe dabei nicht mehr wirklich weiterhalf. Außerdem ist es unglaublich anstrengend, bei einem beinahe abgedunkelten Raum, zu später Stunde, nach einem langen Hochschultag einen Fachtext lesen zu müssen, der auf Schriftgröße 10 formatiert ist. Da bei mir bald ein Praktikum vor der Tür stand und klar war, dass ich hier wahrscheinlich auch viel vor Ort lesen musste, suchte ich also nach einer Lösung.

Eine langfristige Erleichterung?

Die elektronische Lupe erleichterte mir das Lesen ungemein, weil ich hier den Kontrast verändern konnte und so nicht mehr von dem weißen Blatt Papier geblendet worden bin. Allerdings schaffte ich es immer noch nicht, Texte in vorgegebener Zeit zu lesen, oder mich zu motivieren, die Bibliothek unsicher zu machen und mir auch mal ein Fachbuch vorzunehmen. Das Gerät ist zwar eine gute Zwischenlösung, aber nicht für längere Texte bzw. Bücher geeignet.

Dennoch hat die elektronische Lupe meine normale Handlupe – abgesehen von dem Umgang mit dem Smartphone – vollkommen abgelöst.

Wie soll ich mir das alles finanzieren???

Einige von euch werden wahrscheinlich schon mit den Augen gerollt haben, als sie die provokative Überschrift gelesen haben: Nicht an Hilfsmitteln sparen. Na, toll! Schließlich schwimmen Studierende nicht gerade in Geld. Studierende mit Behinderung kommen auch nicht so leicht an einen Nebenjob.

Dennoch gibt es Mittel und Wege an Hilfsmittel zu kommen, ohne dafür Kredite aufnehmen zu müssen.
Die elektronische Lupe ist mir beispielsweise über die Krankenkasse finanziert worden. Hier musste ich wenn überhaupt eine Zuzahlung von 10 Euro leisten, bin mir hier aber nicht mehr ganz sicher.

Bei den Hörgeräten war es zumindest bei mir etwas kniffliger. Das erste Modell habe ich mir nach der Schule und weit vor dem Studium zugelegt. Ein Studium war damals noch nicht in Sicht. Das zweite Modell habe ich mir gegen Ende des Studiums zugelegt zu einer Zeit, in der ich alle Lehrveranstaltungen bereits absolviert hatte. Das heißt eine wichtige Argumentationsgrundlage, nämlich, dass ich die Hörgeräte für das Studium brauche, ist weggefallen.

Da ich damals noch nicht informiert war, ob auch andere Kostenträger außerhalb der Krankenkasse für die Finanzierung der Hörgeräte zuständig sind, beantragte ich die Finanzierung der zweiten Geräte wieder über die Krankenkasse. Wichtig ist, dass die Krankenkassen nur eine bestimmte Pauschale übernehmen und euer Eigenanteil von Gerät zu Gerät variieren kann. Meine Hörgeräte waren im Vergleich zu den ersten Geräten deutlich teurer. Allerdings hat sich die Anschaffung für mich sehr gelohnt, da ich nun auch deutlich besser höre.

Was für euch wichtig ist: Wenn ihr ein Hilfsmittel für das Studium benötigt, dann ist die Eingliederungshilfe für euch zuständig. Das ist eine Abteilung, die dafür sorgen soll, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben sollen. Deswegen werden verschiedene Hilfen finanziert um Teilhabe zu ermöglichen.

Nun stellt sich die Frage, wer bei dem Antrag unterstützt. Das können zum einen die bundesweit tätigen Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB) sein. In den Beratungsstellen werden Menschen mit Behinderungen oder ihre Angehörigen zu Hilfen im Alltag beraten und bei der Antragsstellung unterstützt. Hier findet ihr eine Beratungsstelle in eurer Nähe.

Zum anderen gibt es die Deutsche Gesellschaft für Hörgeschädigte, ein Selbsthilfeverband der sich an Menschen mit einer Hörbehinderung richtet. Dort gibt es bestimmt viele hilfreiche Informationen über Hilfsmöglichkeiten.

Ansonsten habe ich HIER beschrieben, wie man Hilfsmittel beantragt und an welche Kostenträger man sich wenden kann.

 

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Zu meiner Person

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte
  • Kann keinen Blickkontakt aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht

 

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