Wo und wie beantrage ich Hilfsmittel fürs Studium?

Zwei Personen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich dabei gegenseitig.
Bild von: Emma Zecka

Aktualisiert: Februar 2024

Hallo zusammen,

nun widme ich mich der wahrscheinlich schwierigsten Frage, ob oder wie Hilfsmittel beantragt werden müssen.

In der Facebook Gruppe Blindheit & Sehbehinderung – Infos und Austausch gab es gefühlt tausend Antworten auf diese Frage.

Ich versuche jetzt etwas Licht ins Dunkle zu bringen, möchte mögliche Wege zu benötigten Hilfsmitteln vorstellen sowie auf den Beantragungsprozess eingehen.

Wichtig zu beachten ist, dass ich ausschließlich auf Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte eingehe, da ich mich in diesem Bereich am besten auskenne. Wenn es aber um die Frage geht, bei welchem Kostenträger die benötigten Hilfsmittel beantragt werden sollen, trifft dieser Weg auch für Menschen zu, die andere Behinderungen haben. Also, los geht’s.

Hilfsmittelberatung: Wie finde ich das passende Hilfsmittel für mich?

Wichtig ist, dass ihr euch überlegt, welche Hilfsmittel ihr braucht. Hier ist folgende Frage hilfreich: Was fällt euch im Alltag z.B. in der Schule, der Ausbildung / dem Studium oder eurem Beruf schwer?

Blinde und sehbehinderte Menschen haben die Möglichkeit Hilfsmittelberatung in Anspruch zu nehmen. Entweder bei einem Blinden- und Sehbehindertenverein in eurer Nähe oder bei einer zuständigen Hilfsmittelfirma (eine Liste findet sich am Ende des Beitrages).

Der Vorteil: Dort könnt ihr euch verschiedene Hilfsmittel bzw. verschiedene Modelle eines Hilfsmittels anschauen und das Ganze ausprobieren.
Zudem bieten auch manche Augenkliniken Hilfsmittelberatungen an. Allerdings gibt es hier oft lange Wartezeiten.

Welcher Kostenträger ist für mich zuständig?

Es kommt darauf an in welchem Lebensbereich ihr ein Hilfsmittel benötigt und wie ihr euren Bedarf begründet.

Hilfsmittel für die Ausbildung oder den Beruf

Wenn ihr eine Ausbildung macht, ist die Agentur für Arbeit für euch zuständig. Die Agentur für Arbeit hat eine eigene Rehabilitationsabteilung. Dort gibt es eine Person, die für euch zuständig ist.

Wichtig:

  • Wenn ihr beispielsweise nach einem Studium ins Berufsleben startet, beantragt ihr eure Hilfsmittel ebenfalls bei der Agentur für Arbeit.
  • Wenn ihr länger als 15 Jahre berufstätig seid ändert sich der Kostenträger. Dann beantragt ihr eure Hilfsmittel bei der Deutschen Rentenversicherung.

Hilfsmittel für das Studium

Hier gibt es einen inoffiziellen und einen offiziellen Weg:

Wenn ihr Hilfsmittel im Rahmen eines Studiums benötigt, ist die Eingliederungshilfe für euch zuständig. Das ist eine Abteilung, die dafür sorgen soll, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Das tun sie indem sie verschiedene Hilfen finanzieren, wie beispielsweise Alltags-, Freizeit-, und Studienassistenzen oder den Besuch einer Förderschule.

Der inoffizielle Weg ist, sich das Hilfsmittel von euren Augenärzt*innen verordnen zu lassen und es bei der Krankenkasse zu beantragen. Meist läuft es so, dass ihr zuerst den Kontakt zur Hilfsmittelfirma herstellt und die mitarbeitende Person den Antrag für euch übernimmt. Falls ihr den Antrag aber selbst machen wollt, dürft ihr aber nicht erwähnen, dass ihr das Hilfsmittel für das Studium benötigt, da euer Antrag sonst sehr wahrscheinlich weitergeleitet werden wird.

Hilfsmittel für den Alltag

Auch hier gibt es wieder zwei Wege:

Der klassische Weg ist der Weg über die Krankenkasse. Hier geht ihr vor, wie im obigen Abschnitt beschrieben. Die rechtliche Begründung findet sich im § 33 SGB 5. Dort steht, dass das Hilfsmittel:

  • den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern
  • eine drohende Behinderung zu verhindern oder
  • eine Behinderung auszugleichen.

(vgl. § 33 SGB 5, Abs. 1, S. 1).

Wenn ihr das Hilfsmittel aber benötigt, um am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen, ist euer Antrag bei der Eingliederungshilfe richtig.

Was soll ich tun, wenn sich die Kostenträger meinen Antrag gegenseitig zuspielen?

Innerhalb von zwei Wochen muss ein Kostenträger entschieden haben, ob er für eine beantragte Leistung zuständig ist. Leider kommt es immer wieder vor, dass Kostenträger Anträge weiterleiten, obwohl sie genau wissen (sollten), dass sie den Antrag bearbeiten müssten. Im § 14 SGB 9 steht, was passiert, wenn euer Antrag nicht innerhalb dieser Frist weitergeleitet wird.

Die Krankenkasse hat offiziell maximal drei Wochen Zeit über euren Antrag zu entscheiden. Wenn ihr Hilfsmittel beantragt, die bereits bekannt und auch im Hilfsmittelverzeichnis zu finden ist, stehen aus meiner Sicht die Chancen gut, dass euer Antrag genehmigt wird. Kompliziert wird es vor allem dann, wenn ihr ein Hilfsmittel benötigt, das bei den Kostenträgern allgemein noch nicht bekannt ist. In diesem Artikel findet ihr weitere Infos zum Thema Fristen bei der Antragsstellung.

Wenn ihr euch unsicher seid, nehmt am besten Kontakt zu der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungsstelle (EUTB) in eurer Nähe auf. Dort werdet ihr vor eurem Antrag beraten und während des Antragsprozesses begleitet. Nur bei Widersprüchen dürfen die Teams leider nicht weiterhelfen, können euch dann aber mit viel Glück an Netzwerkpartner*innen weiterverweisen.

Wie gehe ich bei der Beantragung vor?

Zu allererst müsst ihr folgende Fragen geklärt haben:

  • Welches Hilfsmittel benötige ich?
  • Für welchen Lebensbereich benötige ich das Hilfsmittel?
  • Für welche Tätigkeiten benötige ich das Hilfsmittel?
  • Zum Vergleich: Gibt es eine Möglichkeit, die Tätigkeiten auch ohne Hilfsmittel hinzubekommen?

In den folgenden Abschnitten gehe ich auf zwei Kostenträger ein. Diese Liste erhebt keinen Anspruch zur Vollständigkeit. Ich empfehle umdendigt eine umfassende Beratung bei einer Hilfsmittelfirma oder den oben verlinkten EUTB-Angeboten.

Möglichkeit 1: Eingliederungshilfe

Falls ihr euch für die Eingliederungshilfe entscheidet, informiert euch vor der Antragsstellung für welche Lebensbereiche die Eingliederungshilfe außerdem zuständig ist. Vielleicht gibt es mehrere Leistungen, die euren Alltag erleichtern.

Ihr stellt einen formlosen, also einen selbst formulierten Antrag, in dem ihr euch an folgenden Fragestellungen orientiert:

  • Welche Behinderung / Erkrankung habt ihr?
  • Warum benötigt ihr die Hilfsmittel?
  • Warum müssen es ausgerechnet diese Hilfsmittel sein und nicht z.B. ein günstigeres Hilfsmittel?
  • Wie sähe eure Teilhabe aus, wenn ihr die Hilfsmittel nicht bekommt?

Seit 2020 hat sich auch hier das Verfahren etwas verändert. Nachdem ihr euren Antrag eingereicht habt, werdet ihr wahrscheinlich weitere Formulare bekommen, in dem ihr u.a. nachweisen müsst, dass ihr eine Behinderung habt oder Auskünfte über euer Einkommen und Vermögen müsst. Auf dieser Seite findet ihr aktuelle Angaben zu den Freigrenzen für euer Einkommen und Vermögen. Diese Angaben ändern sich nämlich jährlich.

Wenn ihr die Leistung bewilligt bekommt, müsst ihr nur noch Kontakt zu den Hilfsmittelfirmen aufnehmen und einen Liefertermin vereinbaren. Dort bekommt ihr dann eine Einweisung in die Hilfsmittel. Auch hier werden diese direkt nach Hause, oder an den Ort, wo ihr sie benötigt, geliefert.

Leider kann es bis zu einem halben Jahr dauern, bis der Antragsprozess bei der Eingliederungshilfe abgeschlossen ist und ihr mit einem Bescheid, also einer Kostenzu-, oder absage rechnen könnt.

Möglichkeit 2: Die Krankenkasse

Kontakt zu den Hilfsmittelfirmen

Ihr nehmt Kontakt zu einer Hilfsmittelfirma auf. Wenn ihr blind oder sehbehindert seid, gibt es unten eine Auswahl an Hilfsmittelfirmen. Die Krankenkassen arbeiten auch mit bestimmten Hilfsmittelfirmen zusammen. Es lohnt sich also auch, Kontakt zur Krankenkasse aufzunehmen und sie um eine Liste der Firmen zu bitten, mit denen sie zusammenarbeiten.

Die Hilfsmittelfirmen arbeiten bundesweit d.h. sie haben Mitarbeitende, die für verschiedene Regionen zuständig sind und euch im Rahmen eines Hausbesuches verschiedene Hilfsmittel vorstellen und sie euch auch testen lassen.

Wenn ihr beispielsweise auf der Suche nach einer neuen Lupe oder einer anderen Möglichkeit seid, um Texte lesen zu können, empfehle ich euch vor der Hilfsmittelberatung bestimmte Texte z.B. Zeitschriften oder Bücher herauszusuchen, mit denen ihr die potenziellen Hilfsmittel testen wollt.

Verordnung der Augenärzt*innen:

Damit die Hilfsmittelfirmen den Antrag bei der Krankenkasse für euch einreichen können, brauchen sie eine Verordnung von euren Augenärzt*innen, auf der dann der Name des jeweiligen Hilfsmittels und die Hilfsmittelnummer steht. Dank der Hilfsmittelnummer können die Mitarbeitenden der Krankenkasse nachvollziehen, welches Hilfsmittel ihr benötigt. Denkt an § 33 SGB 5. Die Krankenkasse finanziert euch beispielsweise keinen neuen Laptop oder kein neues Smartphone, da es sich hier um Dinge des täglichen Lebens handelt.

Eine Verordnung ist quasi so ähnlich wie ein Rezept für ein bestimmtes Medikament. Welche Angaben ebenfalls enthalten sein müssen sagt euch die Person der Hilfsmittelfirma, die euch berät.

Nach der Kostenzusage

Sobald die Verordnung da ist, nimmt die Hilfsmittelfirma Kontakt zur Krankenkasse auf und ihr bekommt dann Post von der Krankenkasse, ob oder in welcher Höhe die Hilfsmittel übernommen werden.

Fakt ist: Ihr arbeitet den Hilfsmittelfirmen zu, habt mit der Beantragung aber nicht direkt etwas zu tun. (Aber manchmal ist die Zuarbeitung schon ziemlich aufwendig, wie ihr an dem folgenden Gliederungspunkt erkennen könnt).

Probleme bei der Beantragung

Haus-, oder Fachärzt*innen

Meine ehemalige Augenärztin war der Ansicht, dass eine Verordnung nicht ausgestellt werden kann, weil hier erst eine Kostenübernahme des zuständigen Kostenträgers vorliegen muss. Dieser Ablauf stimmt einfach nicht und zwar aus folgendem Grund: Die Krankenkasse muss wissen, welche Geräte beantragt werden. Wenn sie nicht wissen, welche Geräte ihr benötigt und welche Kosten entstehen, können sie auch keine Kostenzusage machen, da sie weder den Namen noch die Kosten kennen, die auf sie zukommen.

Fakt ist: Erst braucht ihr die Verordnung vom Augenarzt, bevor über eine Kostenübernahme nachgedacht werden kann.

Kürzlich habe ich gelesen, dass manche Ärzt*innen glauben, dass eine Hilfsmittelverordnung ebenfalls an ihr Budget geknüpft ist. Dieser Irrtum stimmt ebenfalls nicht.

Kostenträger

Wie oben schon beschrieben gibt es immer wieder Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Kostenträgern. Das muss nicht immer an der Böswilligkeit von Sachbearbeitenden liegen, sondern kann auch damit zusammenhängen, dass es nicht immer leicht ist, auseinanderzuhalten, wann es sich um ein Hilfsmittel handelt, dass aufgrund fehlender Teilhabe benötigt wird und wann um ein Hilfsmittel das zur Vermeidung oder zum Ausgleich einer Behinderung benötigt wird.

Hilfsmittelfirmen für blinde und sehbehinderte Menschen

Hier verlinke ich auf die Hilfsmittelfirmen, die ich teils durch persönliche Kontakte oder Freunde kennengelernt habe. Ich selbst hatte schon Kontakt zu den FirmenProTak und Reinecker Vision und bin hier sehr zufrieden.

Gaudio Braille (KLICK)
HelpTech (KLICK)
Papenmeier (KLICK)
Protak (KLICK)
Reinecker Vision (KLICK)

In diesem Sinne…

hoffe ich, dass ich dem ein oder anderen mit diesem Artikel weiterhelfe konnte. Ich freue mich über eure Rückmeldung.

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Zu meiner Person:

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte
  • Kann keinen Blickkontakt aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht

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