Das Gegenteil von Hasen

Das Cover von "Das Gegenteil von Hasen"
Bild von Heyne Verlag

Der Inhalt

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie groß meine Freude darüber ist, dass es alle Jugendbücher von Anne Freytag auch als Hörbücher gibt. Ich war schon ziemlich gespannt auf ihr bis dato aktuelles Jugendbuch. Leider konnte es mich nicht vollständig überzeugen.

Der Klappentext könnte in die Irre führen. Ein Großteil der Handlung wird nämlich aus der Perspektive von Personen erzählt, die im Klappentext nicht genannt werden, aber aus meiner Sicht eine zentrale Rolle haben. Aber beginnen wir erstmal von vorne:
Julia gehört zu den beliebten Leuten in ihrem Jahrgang. Sie ist mit dem Mädchenschwarm der Schule zusammen und ihre beste Freundin hat ziemlich viel Einfluss innerhalb des Jahrgangs. Doch was Julia wirklich denkt, weiß nur ihr Tagebuch, das sie in Form von Blogeinträgen führt. Eines Tages verschwindet ihr Laptop und nach und nach werden einige Einträge veröffentlicht.

Schnell machen die Einträge in Julias Schule die Runde. Ihre Mitschüler:innen sind gar nicht begeistert darüber, was die junge Frau über sie schreibt. Es stellt sich die Frage: Wer hat die Einträge veröffentlicht? Linda, die jahrelang von Julia und ihrer Clique gemobbt wurde? Oder vielleicht etwa Edgar, dessen Freundschaft zu Julia nur während der Busfahrt zur Schule stattfinden darf?

Wie bereits erwähnt, wird die Handlung aus mehreren Perspektiven erzählt. Die zentralen Perspektiven sind die von Edgar, Julia und Linda. Vereinzelt werden manche Kapitel auch aus anderen Perspektiven erzählt, wie beispielsweise Julias Partner Leonard oder Lindas Partnerin Momo. Aus meiner Sicht sind deren Gedanken aber eher Nebenschauplätze, die sich nur bedingt auf die zentrale Handlung auswirken.

Den Grundkonflikt fand ich sehr spannend und auch sehr aktuell. Durch das ganze digitale Leben sind Jugendliche den Konsequenzen ihres virtuellen Lebens viel stärker ausgesetzt, als es zu meiner Schulzeit noch der Fall war. Heutzutage sind alle auch online miteinander vernetzt und jede:r bekommt mit, was Leute aus dem eigenen Jahrgang treiben.

Dennoch konnte ich nur ansatzweise nachvollziehen, was das Problem an Julias Tagebucheinträgen sein soll. Wir Leser:innen können die Tagebucheinträge nämlich ebenfalls verfolgen. Julia war erfrischend ehrlich. Ja, manchmal auch verletzend. Aber was aus meiner Sicht vor allem im Vordergrund stand war, dass sie verstehen möchte, wie die Personen ticken, über die sie schreibt. Warum die Leute so handeln, wie sie eben handeln.

Deswegen hatte ich Mühe nachzuvollziehen, warum Julias Jahrgang so extrem auf diese Einträge reagiert.

Mein zweites Problem lag bei den Figuren: Ich konnte mit Julia und Linda als Protagonistinnen lange Zeit nicht viel anfangen. Beide haben mich sehr genervt, weil sie über lange Strecken im Hörbuch selbstbezogen sind. Allerdings hat das für mich nichts mit Egoismus zu tun, da beiden nicht auffällt, dass sie hauptsächlich um sich selbst kreisen. Somit können nie nur teilweise wahrnehmen, wie es ihren Freund:innen geht.

Deswegen hatte ich zu Beginn Mühe, Mitleid für Julia zu empfinden. Insgeheim habe ich mich gefreut, dass sie sich nicht mehr hinter einer Fassade verstecken muss. Dennoch wäre es natürlich schön gewesen, wenn sie es geschafft hätte, zu sich zu stehen, ohne, dass die Welt Dinge über sie weiß, die für niemanden bestimmt waren.
Wen ich mochte war Edgar, weil er sich als wirklich treuer Freund herausstellt, der sich aber auch fragen muss, ob seine Freundschaft nicht auch Grenzen hat. Ihn dabei zu begleiten, wie er die Antwort auf diese Frage sucht, fand ich sehr spannend.

Was mir aber sehr gut gefallen hat, war die Entwicklung der Figuren, insbesondere die Veränderung von Julia und Linda. Nach und nach begann ich die beiden besser nachvollziehen zu können und habe mich gefreut, dass sie es geschafft haben, den ein oder anderen Schritt gehen zu können, ohne sich dabei zu verlieren.

Die Themen von Das Gegenteil von Hasen haben mir ebenfalls sehr gut gefallen: Im Mittelpunkt stand vor allem die Frage, wie man sich selbst wahrnimmt und von anderen Menschen wahrgenommen werden möchte. Dicht gefolgt von den Fragen: Wo fängt Oberflächlichkeit an? Wo hört sie auf? Was verbirgt sich unter der Oberfläche?

Etwas störend für mich war die Sexualität, die in diesem Hörbuch sehr im Vordergrund steht, da sie mich nicht interessiert. Mich interessieren vor allem innere Konflikte der Figuren. Da es sich hier aber um ein Jugendbuch handelt, ist das Thema Sexualität vor allem für die Zielgruppe sehr wichtig. Sexualität bekommt so etwas Normales und bleibt kein Tabuthema.

Was den Spannungsbogen betrifft, hat es mir etwas zu lange gedauert, bis er in Gang kommt. Das lag aber auch hauptsächlich daran, dass ich Mühe hatte, das Schlimme an den Tagebucheinträgen zu erkennen. Deswegen würde ich nicht sagen, dass kein Spannungsbogen vorhanden ist, sondern es eher davon abhängt, ob ihr euch mit dem Grundkonflikt identifizieren könnt.

Die Hörbuchgestaltung

Kommen wir nun zur Hörbuchgestaltung: Das Hörbuch wurde ungekürzt von Miss Motte Audio produziert. Es nervt mich ja immer noch etwas, dass die Verlagsgruppe RandomHouse nach wie vor keinen Platz für Hörbuchproduktionen von den Romanen von Anne Freytag und Adriana Popescu findet. Miss Motte Audio beweist nämlich wunderbar, wie gut sich Hörbuchproduktionen von Jugendbüchern umsetzen lassen.

Es handelt sich hierbei um einen reinen Downloadtitel, was einerseits etwas schade ist. Andererseits ist ein Downloadtitel immer noch besser als gar kein Hörbuch. Was mir besonders gut gefällt ist, dass der Titel auf mehreren Plattformen zum Kauf oder Streaming zur Verfügung steht und es sich nicht um eine exklusive Produktion handelt, von der man nur profitiert, wenn man ein Abo Modell eines bestimmten Anbieters nutzt.

Das Hörbuch wird von Marlene Rauch gelesen. Sie hat eine angenehme Stimmfarbe und eine tolle Lesegeschwindigkeit. Ich habe ihr sehr gerne zugehört. Zudem ist es ihr gut gelungen, die Zwischentöne der Geschichte herauszuarbeiten.

Der Schreibstil

Ich mag Anne Freytags Schreibstil sehr gerne, weil sie es schafft, Geschichten tiefgründig zu erzählen und zwar so, dass jede:r etwas von der Handlung mitnehmen kann. Wer die Zwischentöne hört, hat ein doppeltes Lese- / Hörvergnügen. Wer sie nicht hört, bekommt eine Art Zusammenfassung der Zwischentöne mit, die die Figuren aussprechen, oder denken.
Was mich hier überrascht hat war, dass die Handlung aus der dritten Person erzählt wird. Ich habe nicht alle Jugendbücher der Autorin gelesen. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob es eher die Ausnahme ist, dass sie in der Ich-Perspektive schreibt.

Gesamteindruck

Es hat mich sehr gefreut, endlich eine Hörbuchproduktion von einem Jugendbuch von Anne Freytag zu hören. Ich hoffe, dass auch die weiteren Titel vertont werden. Der Grundkonflikt war nicht ganz mein Fall, was wahrscheinlich hauptsächlich daran liegt, dass ich nicht mehr zur Hauptzielgruppe von Jugendhörbüchern gehöre.

Anne Freytag schafft es in Das Gegenteil von Hasen die Entwicklung der Figuren gut und nachvollziehbar herauszuarbeiten.
Was mir besonders gut gefallen hat, war das Ende, weil es für alle eine neue Chance gibt.

Infos zum Hörbuch

Das Gegenteil von Hasen
Geschrieben von: Anne Freytag
Gelesen von: Marlene Rauch
Bewertung: 3 von 5 Herzen

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