5 Dinge, die ich gerne vor meinem Studium gewusst hätte: Gekochtes Essen und Assistenz

Zwei Menschen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich gegenseitig. Darüber steht GEFORDERT.
Bild von: Emma Zecka

Hallo zusammen,

nun geht also meine kleine Reihe zu dem Thema 5 Dinge, die ich gerne vor meinem Studium gewusst hätte, zu Ende.

Im ersten Artikel zu dieser Reihe habe ich euch geraten, dass ihr niemals an euren Hilfsmitteln sparen solltet. In diesem Beitrag verstecken sich unter anderem auch ein paar Beispiele aus meinem Studierendenleben.

Im zweiten Punkt geht es nicht primär um das Thema Behinderung, sondern mehr um das Thema Gemeinsamkeiten mit dem eigenen Jahrgang. So habe ich im Laufe meines Studiums gelernt, dass ein gemeinsames Studium noch lange nicht  Interesse aneinander bedeuten muss.

Im dritten Artikel, der in dieser Rubrik erschien, ging es wieder um ein Thema, von dem ich lange dachte, dass es nur Menschen mit Behinderung betrifft. Bis dann mein Bruder sein Studium begonnen hat und uns erzählte, dass er auch gerne in der ersten Reihe sitzt. Meine Erkenntnis war nämlich: Dass es Spaß macht, alleine in der ersten Reihe zu sitzen.

Auch im vierten Artikel in dieser Reihe, spreche ich nicht primär Studierende mit Behinderung an. Ich habe nämlich gelernt, dass ich viel Zeit alleine verbringen werde, aber es mich auch unabhängig machen wird, wobei ich in dem Unabhängigkeitsthema noch nicht ganz angekommen bin.

Bevor ich euch also von dem fünften Ding erzähle, möchte ich noch einmal auf folgende Punkte hinweisen:

  • Wenn ihr Fragen oder Ideen habt, über welche Themen ich in Bezug auf Sehbehinderung oder Blindheit unbedingt schreiben sollte: Lasst mir eure Ideen sehr gerne in den Kommentaren da oder schreibt mir eine Mail mit dem Betreff Ge(h)fordert an EmmaZecka(at)gmx.de.
  • Am Ende des Beitrages findet ihr die altbekannte Info, wie sich meine Sehbehinderung im Alltag bemerkbar macht

Part 5: Dass vieles heißer gekocht, als gegessen wird

(Angehende) Studierende unter euch kennen das wahrscheinlich: Vor dem Start in den Uni- oder Hochschulalltag bekommt ihr eine Flut von Informationen, was es mit dem Leben an einer Universität oder Hochschule so auf sich hat. Ihr bekommt einen ersten Eindruck und fragt euch womöglich, ob die Anforderungen vielleicht nicht doch eine Nummer zu groß für euch sind.

Und an dieser Stelle kann ich euch beruhigen: Es wird vieles heißer gekocht, als gegessen. Ich räume an dieser Stelle mal mit ein paar Gerüchten auf:

Vergiss bloß nie, nie, NIEMALS Deine Matrikelnummer

Wenn ihr euch an einer Uni oder Hochschule immatrikuliert, also anmeldet, bekommt ihr eine Matrikelnummer. Diese Nummer steht beispielsweise auf eurem Studierendenausweis oder eurer Immatrikulationsbescheinigung, der Bescheinigung, die ihr beispielsweise zum Erhalt des Kindergeldes benötigt.

Uns hat man damals in der Schule geraten, unsere Matrikelnummer bloß nicht zu vergessen. Unsere Lehrenden erzählten uns von ihrem Studierendenleben, das schon ein paar Jährchen her war. Dort wurden beispielsweise die Ergebnisse von Klausuren an einem schwarzen Brett ausgehängt und zwar in Form einer Tabelle. Wenn man seine Matrikelnummer vergessen hatte, würde man also auch nicht erfahren, welche Note man in der Klausur bekommen hatte.

Meine Hochschule war da glücklicherweise etwas moderner. Wir nutzten ein Intranet (StudIP – das Portal unterscheidet sich von Hochschule zur Hoch-schule). Hier gab es nicht nur die Unterlagen zu den verschiedenen Lehrveranstaltungen, sondern auch ein eigenes Profil mit einer Leistungsübersicht.

Nur man selbst hatte einen Zugang auf die eigene Leistungsübersicht. Dort waren die verschiedenen Module und die dazugehörigen Fächer aufgelistet. Nach einer bestandenen Klausur wurden dort die Noten eingetragen. Außerdem konnte man sehen wie viel Prozent der anfallenden Leistungen eines Semesters man schon erbracht hatte.
Wenn es also um Klausuren ging, war die Matrikelnummer für mich sehr unwichtig.

Allerdings kam es vor, dass es für mich doch sehr sinnvoll war, die Matrikelnummer auswendig zu können. Unsere Hochschule gehört nämlich zu der chaotischen Sorte. Aber davon können wahrscheinlich viele Studierende ein nicht enden wollendes Lied singen.

Immer dann, wenn es darum ging, Formulare auszufüllen, musste man die Matrikelnummer parat haben. Formulare konnten beispielsweise Bescheinigungen sein, die man sich bei einer Lehrveranstaltung unterschreiben ließ und die belegte, dass man auch an dieser Veranstaltung teilgenommen hatte.

Und nicht immer stand fest, welche Bescheinigung in welchem Fach vorgezeigt werden musste. Normalerweise füllte ich die Zettel zu Hause aus, da ich hier auch die nötigen Hilfsmittel hatte. Aber es kam eben auch vor, dass sich vor Ort herausstellte, dass der gesamte Kurs den falschen Schein eingereicht hatte. Dann mussten wir das Ganze direkt in der Stunde ausfüllen. Da ich meinen Studierendenausweis nur selten dabei hatte, weil ich ihn im Alltag nicht brauche, musste ich meine Matrikelnummer dann doch auswendig können, damit ich nette Menschen bitten konnte, die Zettel für mich auszufüllen.

Aber auch der obige Abschnitt klingt dramatischer, als er eigentlich ist. Ich habe das Du-hast-den-falschen-Schein bzw. Du-brauchst-einen-Schein-und-hast-keinen-Prozedere insgesamt dreimal erlebt. Und das ist doch ein ziemlich guter Schnitt für eine Studienzeit von 3,5 Jahren, oder?

Wer die Studiengebühren nicht überweist, der fliegt!

Hochschulen müssen sich auch irgendwie finanzieren. Und einer meiner Alb träume bestand darin, dass ich befürchtete, eines Tages den Zeitraum zu verpassen, an dem die Studiengebühr fällig werden würde. Meine größte Sorge: Ein Rausschmiss ohne Vorwarnung.

Aber: Zufälligerweise fand ich heraus, dass unsere Hochschule ihre Schützlinge nicht einfach so ohne Abschluss vor die Tür setzt, sondern erst einmal Mahnungen verschickt.
(Ich glaube, ich habe nur einmal vergessen die Gebühren zu überweisen. Und das lag daran, dass ich in diesem Zeitraum keine Präsenzveranstaltungen mehr hatte und es somit einfach vergessen habe).

Prüfung nicht bestanden – Adieu Studium

Hier gibt es einen Unterschied zwischen Hochschulen und Universitäten: Ich hatte während meines Studiums an einer Hochschule die berühmt-berüchtigte Prüfungswoche. In dieser Woche sieht man murmelnde Studenten in der Hochschule herumlaufen, oder sich über mitgebrachte Notizen beugen. Und die häufigste Frage, die in dieser Zeit gestellt wird, ist: Und? Wie ist es gelaufen?

Wir mussten uns im Gegensatz zu den Studierenden an der Uni nicht extra für die Prüfungen anmelden, sondern einfach nur zum richtigen Zeitpunkt in der Prüfungswoche auftauchen und die Klausur mitschreiben.

An der Uni gibt es – soweit ich das mitbekomme – meistens einen längeren Prüfungszeitraum in dem die Klausuren geschrieben werden. Meist gibt es zwei Termine für die Klausuren. Wenn man sich nicht sicher ist, kann man sich also für den ersten Termin entscheiden und die Klausur beim zweiten Termin dann ggf. nachschreiben. Oder man entscheidet sich für den zweiten Termin, um noch etwas mehr Zeit zum Lernen zu haben.

Allerdings haben Uni und Hochschule eines gemeinsam: Man hat drei Versuche, um eine Prüfung zu bestehen. Je nach Fach und dozierender Person wird man aber sehr genau auf die Klausuren vorbereitet.

Erwartungen und die Realität

Dozierende und Mitarbeitende einer Hochschule predigen immer wieder, dass sie Studierende zu selbstständigen Menschen erziehen wollen, also zu Studierenden, die sich um ihre Sachen kümmern.

Das klingt für viele Studierende vielleicht wie ein Ding der Unmöglichkeit, ist aber durchaus erreichbar. Denn auch eine Hochschule ist nicht perfekt. Auch hier können Unterlagen unauffindbar, Mitarbeitende verschollen und nicht erreichbar, oder wichtige Dinge zu spät kommuniziert worden sein.

Fazit: Immer, wenn ich eine Rückfrage hatte, bin ich auf freundliche Menschen getroffen, die motiviert waren, meine Frage zu beantworten.

Zugabe: Dass ich auch ohne Assistenz durchs Studium komme

Als ich diese Reihe plante, fiel mir noch der oben stehende Grund ein. Und ich dachte, dass dieser Punkt auch ganz gut zu diesem Thema passt.

Wie schon häufig erwähnt, habe ich mein Fachabi an einer Schule für Blinde und Sehbehinderte gemacht. Und dort wurden wir auch mit wichtigen Infos rund um das Thema Behinderung auf unser Studierendenleben vorbereitet. So erfuhren wir, dass wir einen Anspruch auf eine Studienassistenz hätten. Also eine Hilfskraft, die uns beispielsweise bei folgenden Dingen unterstützt:

  • Orientierung in der Hochschule,
  • Einscannen von Büchern oder Vorlesungsunterlagen oder
  • der Beschreibung von Grafiken.

In der Schule bekam ich den Eindruck, dass mich das Studierendenleben vermutlich vor eine Menge großer Herausforderungen stellen wird. Auch von Seiten unserer Lehrer wurde uns vermittelt, dass es ohne Assistenz im Studium eventuell schwierig werden könnte. (Zumindest kam es mir damals so vor).

Doch mir war nie klar, wie ich eine Assistenz einsetzen konnte, was vor allem damit zusammenhing, dass ich noch besser gesehen habe, vieles selbstständig erledigen konnte und bei weitem nicht so viel Fachliteratur lesen musste, wie es in anderen Studienfächern der Fall ist.

Außerdem waren zum Zeitpunkt meines Studiums die Voraussetzungen zum Erhalt von Eingliederungshilfe noch anders, sodass klar war, dass ich die Assistenz vermutlich selbst finanzieren musste. Deswegen wollte ich mir das Geld sehr gerne sparen.
Ich schob das Thema Assistenz also auf die längere Bank und dachte mir, dass ich mich ja immer noch darum kümmern kann, wenn ich gar nicht mehr zurechtkomme. Und so verging Semester um Semester.

Allerdings muss ich dazu sagen, dass mein Studienfach auch relativ simpel war. Das bedeutet, dass ich für meine Prüfungen nur das lernen musste, was in den Vorlesungen besprochen wurde und beispielsweise keine Fachbücher in einem gewissen Zeitraum gelesen haben musste. Außerdem hatte ich in meinem Studium mit wenigen bis gar keinen Grafiken zu tun.
Freunde von mir studieren beispielsweise Psychologie oder andere Fächer an einer Uni und hatten einen höheren Arbeitsaufwand als ich. Sie waren beispielsweise froh, eine oder manchmal auch mehrere Assistenzen zu haben.

Deswegen will ich euch an dieser Stelle nicht raten, auf eine Assistenz zu verzichten, sondern euch nicht von anderen Menschen verunsichern zu lassen.

Mein Fazit?

Das Witzige an dieser Reihe ist, dass mein Studierendenleben überhaupt nicht so abgelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe.
An manchen Stellen passierte das zu meinem Vorteil, an anderen Stellen hatte ich sehr darunter zu knabbern. Und jetzt – nach fast fünf Jahren – stehe ich also kurz vor meinem Abschluss und bin mit dem Verlauf meines Studiums sehr zufrieden und würde mich jederzeit wieder für dieselbe Stadt und vielleicht auch für dasselbe Studienfach entscheiden.

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Artikel aus dieser Rubrik, die mehr Aufmerksamkeit verdient haben

Wo und wie beantrage ich Hilfsmittel für mein Studium?
Tipps für ein erfolgreiches Studium: Organisation
Tipps für ein erfolgreiches  Studium: Umgang mit der Behinderung
Wie lese ich eigentlich?

Zu meiner Person:

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren.
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen.
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte.
  • Kann keinen Blickkontakt mit meinem Gegenüber aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen.
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht.

Achtung: Mit den Prozenten und dem Sehrest verhält es sich sehr subjektiv. Nicht alle Menschen, die 2% sehen müssen beispielsweise einen Langstock zur Orientierung nutzen.

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