Der Schreibstil und ich

Eine Schreibmaschine in der ein Blatt eingespannt ist. Auf dem Blatt steht "Ge(h)schrieben". Darunter "Mein Autorenleben"Hallo Schreiberlinge,

und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge von Ge(h)schrieben. Diesmal geht es um das Thema Schreibstil. Eine spannende Geschichte muss mich nämlich nicht nur aufgrund der Handlung überzeugen, sondern der Schreibstil der Geschichte muss mich ebenfalls packen. Doch was macht einen guten Schreibstil aus? Aus welchen Elementen setzt sich der Schreibstil zusammen? Welche Kombinationen lassen sich in Romanen finden? Und was denke ich von der ganzen Theorie?

Diesen Fragen werde ich in diesem Artikel auf den Grund gehen und wünsche euch viel Spaß beim lesen.

Da ich aktuell nur an meiner Bachelorarbeit schreibe, gibt es diesmal keine Statistik und auch kein Update zu meinen aktuellen Projekten.

Elemente des Schreibstils

Aus meiner Sicht setzt sich der Schreibstil einer Geschichte hauptsächlich aus einer Kombination von:

  • der richtigen Perspektive

und

  • der richtigen Zeitform

zusammen. Natürlich gibt es noch andere Aspekte, wie beispielsweise eine bildhafte Sprache. Allerdings ist die Sache mit der bildhaften Sprache eher subjektiv. Deswegen kann ich aktuell (noch) keine Kriterien festlegen, was man für eine bildhafte Sprache braucht bzw. wo sie gut umgesetzt ist und wo nicht.

Deswegen werde ich mich nun den Fragen widmen: Welche Erzählperspektiven gibt es? Und mit welcher Zeitform lassen sie sich kombinieren?
Wir beginnen zuerst mit…

Die Erzählperspektive

Das Bücher-Wiki definiert die Erzählperspektive als “[…] einen Standpunkt, von dem aus […]” eine Geschichte erzählt wird. Im Roman begegnen uns vor allem:

Die Ich-Perspektive

Die Figur erzählt die Geschichte aus der Ich-Perspektive.
Die Ich-Perspektive kommt hauptsächlich in Jugendbüchern zum Einsatz, wird aber auch in der Erwachsenenliteratur, beispielsweise im Liebesroman verwendet.

Beispiel:

»Die großen Kopfhörer liegen weich auf meinen Ohren und verschlucken die Außenwelt.«
Mein bester letzter Sommer von Anne Freytag, S. 7

Der auktoriale (allwissende) Erzähler

Der allwissende Erzähler kennt die Handlung der Geschichte und weiß, wie sich alle darin vorkommenden Charaktere fühlen. Annika Bühnemann (der Link führt zu ihrem Artikel) erklärt, dass diese Erzählperspektive im Roman inzwischen eher selten verwendet wird, weil es schnell dazu führen kann, dass der Erzähler dem/r Leser*in Inhalt vorkaut und wir die Handlung so nicht mehr selbst erleben.

Mir ist der auktoriale Erzähler bisher in historischen Romanen oder auch schon mal im Jugendbuch begegnet.

Beispiel:

»An dem Tag, als George V. in der Westminster Abbey den Thron bestieg, fuhr Billy Williams zum ersten Mal in die Grube Aberowen ein.«
Sturz der Titanen von Ken Follett, S. 15

Der personale Erzähler

Der Erzähler nimmt hier eine oder mehrere Perspektiven ein und erzählt die Geschichte aus der dritten Person und nicht aus der Ich-Perspektive. Im Bücher-Wiki heißt es, dass das Spannende an dieser Perspektive ist, dass der Erzähler nur so viel sieht, wie die Figur und nicht, wie beispielsweise beim allwissenden Erzähler, über mehr Wissen verfügt.

Beispiel: 

»Der Professor stand von der langgestreckten Eichenholztafel auf und sah in die verstörten Gesichter seiner Studenten.«
Der Seelenbrecher von Sebastian Fitzek, S. 16.

Der neutrale Erzähler

Der neutrale Erzähler nimmt die Rolle des unsichtbaren Beobachters ein und schildert die Geschichte Wertungs- und Urteilsfrei. Der neutrale Erzähler hat keine Ahnung, was die Figuren der Geschichte denken oder fühlen. Wir bekommen die Gedanken und Gefühle unserer Charaktere also nur über die Dialoge mit. Im Gegensatz zum allwissenden Erzähler verzichtet der neutrale Erzähler auch auf die Interaktion mit den Leser*innen.

Im Bücher-Wiki gibt es eine Checkliste anhand derer man einen neutralen Erzähler erkennen kann.

Die Zeitform

Einige von euch erinnern sich vielleicht noch an die mehr oder weniger lange Grammatik-Einheit aus dem Deutschunterricht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich damals mit dem Auge rollte und mich fragte, warum wir das Thema so lange durchkauten. Als ich mich dann an die Recherche zu diesem Artikel gesetzt habe, habe ich mir gewünscht, damals besser aufgepasst zu haben.

Für euch habe ich eine Übersicht mit allen Zeitformen inklusive Beispielsätzen gefunden. An dieser Stelle möchte ich nur auf die Zeitformen eingehen, die mir bisher in Geschichten begegnet sind. Und das sind:

Präsens (Gegenwart)

In den folgenden Abschnitten findet ihr einige Beispiele:

Ich Perspektive:

»Meine Mutter betrachtet das große Gebäude vor uns und versucht dabei, die richtigen Worte zu finden.«
Mein Sommer auf dem Mond von Adriana Popescu, S. 5

Personaler Erzähler:

»Er steht vor einem Tresen in einem Geschäft, in dem Leute, die japanische Autos fahren, weiße Kabel kaufen.«
Ein Mann namens Ove von Fredrik Backman, S. 7.

Präteritum (einfache Vergangenheit)

In den folgenden Abschnitten findet ihr einige Beispiele:

Ich Perspektive:

»Im Winter meines sechzehnten Lebensjahrs kam meine Mutter zu dem Schluss, dass ich Depressionen hatte, wahrscheinlich, weil ich kaum das Haus verließ, viel Zeit im Bett verbrachte, immer wieder dasselbe Buch las, wenig aß und einen großen Teil meiner reichlichen Zeit damit verbrachte, über den Tod nachzudenken.«
Das Schicksal ist ein mieser Verräter von John Green, S. 9.

Personaler Erzähler:

»Er spürte ein brennendes Ziehen in seinem Meniskus, als er unvernünftigerweise einen Schritt zur Seite trat.«
Der Seelenbrecher von Sebastian Fitzek, S. 17

Welche Kombinationen lese ich gerne?

Am liebsten lese ich tatsächlich den personalen Erzähler – egal, ob in Präsens oder in Präteritum. Allerdings mache ich in letzter Zeit immer häufiger die Erfahrung, dass auch Romane, die in der Ich-Perspektive und dem Präsens geschrieben sind, gerne von mir gelesen werden. Obwohl ich diesen Schreibstil eher ungewöhnlich finde, lese ich nach einer Weile gefühlt darüber hinweg und finde mich in der Geschichte wieder.

Besonders interessant finde ich den allwissenden Erzähler, wie er beispielsweise in Die Bücherdiebin von Markus Zusak beschrieben wird (Quelle gibt es hier).

In welchen Kombinationen schreibe ich?

Inzwischen weiß ich, dass ich sehr gerne in der Ich-Perspektive schreibe, weil mir die Geschichte, die ich erzählen will, gefühlt ziemlich leicht von der Hand geht. Besonders Schwierigkeiten bereitet mit der personale Erzähler, weil ich noch nicht ganz rausgefunden habe, wie ich diese Erzählperspektive spannend gestalten kann, ohne ständig diese, dachte-er/sie-Nebensatz Konstruktionen zu haben.

Hin und wieder gelingt es mir beim Hören von Romanen darauf zu achten, wie andere Autor*innen das Nebensatz-Problem lösen. So habe ich auch das Gefühl, ein bisschen was dazuzulernen, ohne dicke Schreibratgeber wälzen zu müssen.

Was ist die richtige Kombination?

Auf der Frankfurter Buchmesse habe ich vor ein paar Jahren ein Gespräch mit einer Literaturagentin gehört. Auf die Frage, worauf es bei guten Büchern ankäme, antwortete sie, dass diese in der richtigen Erzählperspektive geschrieben werden müssen.

Ich finde es unglaublich schwierig, die richtige Erzählperspektive zu bestimmen, wobei das vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ich einfach keine Sprachwissenschaftlerin bin und noch nicht auf Erfahrung im Schreiben von Romanen zurückblicken kann. Bisher agiere ich viel nach Gefühl. Ich habe eine Idee für eine Geschichte, setze mich hin und fange an zu schreiben, ohne mir vorab zu überlegen, welche Perspektive jetzt wohl geeignet wäre.

Bei meinem Mammut-Projekt, dem Jugendbuch, habe ich tatsächlich verschiedene Erzählperspektiven ausprobiert: In der Geschichte erwarten euch zwei Perspektiven. Zuerst erzählte ich beide Handlungsstränge aus der Ich-Perspektive. Irgendwann – fragt mich bitte nicht wie, ich habe nämlich inzwischen keine Ahnung mehr -, kam ich auf die Idee, dass man die beiden Perspektiven wahrscheinlich schlecht auseinanderhalten könnte und die Gefahr bestünde, dass die Leser*innen die beiden Charaktere miteinander verwechselten.

Also schrieb ich eine Perspektive in den personalen Erzähler um. Meine Betaleser*innen hatten einige Schwierigkeiten mit der Personale-Erzähler-Perspektive und zwar, weil ich die Gedanken und Gefühle der Protagonistin völlig ausklammerte und nur beschrieb, wie sie auf manche Situationen reagierte. Meine Betaleser*innen konnten diese Reaktionen kaum bis gar nicht nachvollziehen.

Kurzum: Wenn ich bald mit der neuen und vorläufig letzten Version des Jugendbuchs beginne, werde ich wieder zur Ich-Perspektive zurückkehren. Ich denke, dass es für Autor*innen vor allem wichtig ist, die Perspektive und die Zeitform zu wählen, mit denen sie bisher am besten zurechtgekommen sind und die ihnen liegen. Natürlich kann man sich auch ausprobieren und Herausforderungen annehmen. Aber bisher hat sich bei mir gezeigt, dass mein Gefühl mich selten im Stich gelassen hat.

Weitere Links:

An dieser Stelle empfehle ich euch noch ein paar Artikel, die mir bei meiner Recherche begegnet sind.

Annika Bühnemann über Vor- und Nachteile verschiedener Erzählperspektiven
Die Autorin erklärt in diesem Artikel nicht nur, welche Erzählperspektiven es gibt, sondern führt auch Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Perspektiven auf, was einen guten Überblick über die Perspektiven ermöglicht.

Die Schreibdilettanten: Wie lässt sich der Schreibstil verbessern?
Axel und Markus sprechen in dieser Folge ihres Podcasts über den Schreibstil eines Romanes. Sie beantworten nicht nur die Frage, was einen guten Schreibstil ausmacht, sondern geben auch einen wichtigen Tipp, damit Autor*innen den eigenen Schreibstil verbessern können.

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