5 Dinge, die ich gerne vor meinem Studium gewusst hätte – Soziale Kontakte

Zwei Personen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich dabei gegenseitig.
Bild von: Emma Zecka

Heute berichte ich euch wieder von einem der fünf Dinge, die ich gerne vor Beginn meines Studiums gewusst hätte.

Im Juni gab es bereits den ersten Beitrag in dieser Reihe. Dort beschäftigte ich mich mit der These, dass man auf keinen Fall an Hilfsmitteln sparen sollte.

Diese Reihe richtet sich nicht ausschließlich an Studierende mit Behinderung, sondern auch an Studierende ohne Behinderung oder solche, die demnächst mit ihrem Studium beginnen und an Erfahrungsberichten interessiert sind.

Bevor ich inhaltlich einsteige, noch die alt bekannten Hinweise:

  • Wenn ihr Fragen oder Ideen habt, über welche Themen ich in Bezug auf Sehbehinderung oder Blindheit unbedingt schreiben sollte: Lasst mir eure Ideen sehr gerne in den Kommentaren da oder schreibt mir eine Mail an EmmaZecka(at)gmx.de.
  • Am Ende des Beitrages findet ihr wie gewohnt eine Übersicht der letzten fünf Beiträge, die in dieser Rubrik bereits erschienen sind. Außerdem gibt es die altbekannte Info, wie sich meine Sehbehinderung in der Praxis äußert.

 

Part 2: Dass ein gemeinsames Studienfach noch lange nicht Interesse aneinander und Gemeinschaft bedeuten muss

An dieser Stelle möchte ich unbedingt darauf hinweisen, dass dieser Punkt – genau wie alle anderen Punkte – meiner subjektiven Wahrnehmung entspricht und es Leute aus meinem Semester gibt, die diesen Punkt mit Sicherheit völlig anders sehen werden.

Während meines Studiums hatte ich das Glück, eine Hand voll Leute kennenzulernen, auf die ich mich in den richtigen Momenten verlassen konnte und mit denen ich – wenn auch nur zwischen Tür und Angel – schöne Stunden verbracht habe, wofür ich sehr dankbar bin.

Außerdem vermute ich, dass zwei Kriterien, eine wichtige Voraussetzung für die obige These sind. Daher werde ich kurz darauf eingehen:

Unterschied zwischen der Universität und der Hochschule

Zum einen muss erstmal unterschieden werden, ob man an einer Universität oder an einer Hochschule studiert. An einer Uni hat man zwar eine Art Leitfaden, nach welchen Kriterien man Vorlesungen und Seminare belegen kann, ist aber nur bedingt an Vorgaben gebunden. Das heißt, es kann vorkommen, dass ihr in einem Seminar sitzt, in dem verschiedene Semester oder verschiedene Studiengänge zusammenkommen. Das heißt, ihr habt mit ziemlich vielen Menschen zu tun und für den ein oder anderen mag es vielleicht schwieriger sein, hier Kontakte zu knüpfen.

Ich habe an einer Hochschule studiert. Hier hatten wir einen vorgegebenen Stundenplan und konnten maximal zwischen verschiedenen Seminaren wählen. Es kam selten vor, dass sich Studierende aus höheren Semestern in unseren Jahrgang verirrt haben. Das Setting erinnerte also an Schulzeiten. Nach und nach kannte man die meisten Leute aus seinem Jahrgang.

Menschen sind unterschiedlich

Das Interesse aneinander kann sich von Jahrgang zu Jahrgang oder von Studienfach zu Studienfach unterscheiden. Wir Menschen sind bekanntlich verschieden. Die einen suchen nach Gemeinschaft und die anderen eben nicht. Diejenigen, die keine Gemeinschaft suchen, haben vielfältige Gründe. Der Naheliegendste ist, dass sie bereits ein soziales Umfeld haben.

Aber kommen wir nun zum eigentlichen Thema:

Meine Erwartungen – knapp daneben ist auch vorbei

Mein Abi habe ich in einem anderen Bundesland absolviert. Schon als ich aus meiner Heimatstadt weggegangen bin, stand für mich fest, dass ich so schnell wie möglich wieder nach Hause kommen und dort studieren wollte. Glücklicherweise klappte das trotz einem Jahr Wartezeit.

Ich rechnete damit, dass Leute, die Soziale Arbeit studieren nicht blind durch die Weltgeschichte laufen, sondern sich für ihre Umgebung interessierten. Daher vermutete ich stark, dass eine Art Gemeinschaft entsteht und man aufeinander achtet und sich gegenseitig unterstützt.

Nebenbei hoffte ich, mir hier einen Freundeskreis aufbauen zu können. (Durch meinen Schulwechsel sind einige Kontakte verloren gegangen bzw. aufgrund anderer Interessen nicht mehr existent. Der Großteil meiner Freunde wohnt weiter weg, sodass wir uns nur 1-2 Mal im Jahr sehen können).
Kurzum: eine ziemlich romantische Vorstellung mit ziemlich hohen Erwartungen.

Die Realität:

1. Wie in der Schule

Vielleicht kennt ihr es noch aus Schulzeiten: Da gibt es die Leute, die aufmerksam sind, sich um ihre Sachen kümmern und versuchen sich im Wirrwarr der To Dos zurechtzufinden. Es gibt aber auch die Leute, die Spaß haben und sich nicht festlegen wollen und denen schon mal die ein oder andere wichtige Info entgeht.

Ein ähnliches Prinzip findet sich auch im Studium: Schnell kamen Gerüchte auf, wer den Durchblick hatte und wen man erst gar nicht nach Inhalten fragen musste. Dass natürlich wenig Motivation da ist, Leute mitzuziehen, die sich während der Vorlesung lieber unterhalten, ist vielleicht verständlich.

Wie auch in der Schule war es meist so, dass gefühlt alle Studierenden fluchtartig den Raum verließen, wenn die Lehrveranstaltung beendet worden war. Auch hier blieb wenig bis gar keine Zeit mit Leuten ins Gespräch zu kommen.
Selbst in Seminaren, die über mehrere Semester in derselben Konstellation stattfanden, war das Interesse aneinander eher verhalten.

So kam es innerhalb meines Semesters zur Grüppchenbildung. Viele waren froh, während der ersten Wochen nicht alleine durch die Flure laufen zu müssen. Die Grüppchen lockerten sich nach und nach auf und im Gegensatz zu Schulzeiten hatte ich den Eindruck, dass man leichter zwischen den Gruppen wechseln konnte und dieses Nee-dich-wollen-wir-nicht-dabei-haben-Prinzip mittlerweile nicht mehr existent war.

2. Unterschiedliche Vorstellungen von sozialen Kontakten innerhalb des Studiengangs

Mit der Zeit lernte ich eine Hand voll Leute kennen. Das Problem an der Sache war: Entweder kamen sie nicht aus Freiburg und pendelten am Wochenende daher viel zwischen ihrer Heimatstadt und unserem Studienort hin und her, oder sie waren hier verwurzelt, hatten bereits einen Freundeskreis und waren daher viel und oft ausgebucht. Der Kontakt beschränkte sich also maximal auf Treffen in den Pausen unserer Lehrveranstaltungen.

Die Frage aller Fragen: Mangel an Kontakten wegen meiner Behinderung?

Neben den obigen Punkten bezog ich meine wenigen Kontakte lange auf mich.
Zum einen dachte ich, dass die Leute, mit denen ich gut klar kam, mir gegenüber zwar keine Berührungsängste hatten, aber eben aufgrund eines bereits bestehenden Freundeskreises oft beschäftigt waren.

Zum anderen vermutete ich, dass die andere Hälfte des Studiengangs, mit denen ich bis heute noch kein Wort gewechselt hatte, eben Berührungsängste mir gegenüber hatten. Einige schafften es, diese im Laufe des Studiums abzulegen, andere eben nicht.

Wie ich darauf komme? Immer wieder wurde beispielsweise in Vorstellungsrunden gefragt, was wir nach unserem Abschluss machen wollten. Oft gab es dann 1-2 Personen, die erzählten, dass sie gern mit Menschen mit Behinderungen arbeiten wollten. Da horchte ich auf, weil ich damit rechnete, dass die Leute wahrscheinlich offen mit Menschen mit Behinderungen umgehen würden. Fehlanzeige: Mit den meisten, die in das Arbeitsfeld wollten habe ich bis heute nicht gesprochen.

Allerdings: Denkt an dieser Stelle auch an den ersten Artikel aus dem Juni zurück. Hier habe ich ja bereits berichtet, dass ich in den Veranstaltungen allgemein nur das Nötigste gesagt habe und ich glaube, dieser Punkt spielt ebenfalls mit rein. Schließlich kann nur ein Gespräch zustande kommen, wenn es Input gibt.

Große Erleichterung: Es hat nicht alles etwas mit mir als Person zu tun

Erst im vorletzten Semester wurden meine oben beschriebenen Bedenken über den Haufen geworfen. In einem Seminar gesellte sich eine Kommilitonin zu uns, die ihr Studium wegen der Elternzeit pausieren musste und dann bei uns wieder einstieg.

Sie berichtete von ihrem Jahrgang genau das, was ich mir von unserem Jahrgang erhofft hatte: Man achtete aufeinander und half sich gegenseitig. Sie berichtete, dass ihr ebenfalls auffiel, dass bei uns im Studiengang alle vor sich hin lebten oder sich innerhalb einer Gruppe bewegten.

Ich war hier unglaublich froh, weil ich merkte, dass es offenbar ein Phänomen war, dass nichts mit mir als Person zu tun hatte und ich war auch erleichtert, dass andere das wahrnahmen, was ich bereits bemerkt hatte.

Was nehme ich für mich mit?

Das ist relativ einfach: Ich möchte mich nicht an Erwartungen und Wünschen festklammern, sondern mich davon überraschen lassen, was das Leben eben für mich bereit hält.

Ich habe erst einmal zwei Semester gebraucht, um zu erkennen, dass das was ich mir wünsche nicht eintreten wird. Als ich mich dann von meinem Ideal verabschiedete, ging ich befreiter an die Hochschule und war offener für Begegnungen im Alltag. (Außerdem habe ich dann den Bücherstammtisch gegründet).

Und Du?

Kommt dir diese zweite These irgendwie bekannt vor?
Welche Erfahrungen hast Du in Deinem Studium oder Deiner Ausbildung gemacht?

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Zu meiner Person:

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte
  • Kann keinen Blickkontakt aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) je nach Tagesform erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht

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