Der Gesang der Flusskrebse

Das Hörbuchcover von "Der Gesang der Flusskrebse"
Bild von HörbuchHamburg

Der Inhalt

Von diesem Roman hatte ich schon viel gehört. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Der Gesang der Flusskrebse eines unserer drei Buchclub-Bücher wurde. Insgeheim hatte ich nämlich befürchtet, dass die meisten Buchclub Mitglieder den Titel bereits kannten.

Der Inhalt zog mich schnell in seinen Bann. Der Prolog hat mich direkt in die Handlung katapultiert. Wir lernen Kya kennen, die mit ihrer Familie in den Marschen lebt. Also weit weg von anderen Menschen. Gleich zu Beginn des Romans beobachtet sie ihre Mutter, welche die Familie eines Morgens verlässt. Kya denkt sich nichts dabei. Es kam immer mal wieder vor, dass ihre Mutter für ein paar Tage verschwand. Doch dann ändert sich alles. Auch ihre Geschwister suchen nach und nach das Weite und lassen sie mit ihrem Vater zurück. Einem Mann, der mehr mit sich, seiner Spielsucht und dem Alkohol beschäftigt ist.

Kya ist also gezwungen, auf eigenen Beinen zu stehen und für sich zu sorgen. Was mich besonders wütend gemacht hat war, dass es den meisten Stadtbewohner:innen egal war, was mit dem Mädchen passiert. Jede:r schien zu wissen, dass es sie gibt und das keiner da ist, der sich um sie kümmert. Doch dann tauchen Menschen auf, die sie sehen. Ihre Not erkennen und ihr mit kleinen Gesten helfen. Eine Verkäuferin, die Kya das Rechnen beibringt. Ein Junge, der ihr den Weg zur Literatur eröffnet. Ein Ehepaar, das sie mit den notwendigen Dingen versorgt, die sie für den Alltag braucht.

Dieser Roman zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, wach durch das eigene Leben zu gehen und die Umgebung um sich herum wahrzunehmen. Es sind die kleinen Dinge, die Menschen helfen können.

Als ein zweiter Handlungsstrang eingeführt wird, bekommt der Roman einen zweiten Spannungsbogen. Zweiten deswegen, weil mich natürlich interessierte, wie Kya völlig allein in der Natur zurechtkommt. Doch der zweite Handlungsstrang spielt in der Zukunft. Jemand wird tot aufgefunden und wir ahnen, dass Kya irgendwie in diesen Todesfall verwickelt sein wird.

Was mir an Der Gesang der Flusskrebse inhaltlich besonders gut gefallen hat, waren die Haupt- und Nebenfiguren. Kya ist eine beeindruckende Protagonistin. Sie entwickelt schon in jungen Jahren eine Stärke und einen Überlebenswillen. Sie muss früh lernen, allein klarzukommen. Das Spannende ist, dass diese Eigenschaft innerhalb der Handlung Stärke und Schwäche zugleich ist. Einerseits wird dadurch ihr Überleben gesichert. Andererseits hat sie Mühe, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Das konnte ich auf der einen Seite natürlich vollkommen nachvollziehen. Auf der anderen Seite wäre ich manchmal gern in den Roman geschlichen und hätte sie in die, aus meiner Sicht, richtige Richtung geschubst.

Die Nebenfiguren sind die Menschen, die Kya stärken. Allen voran Jumpin und seine Frau Mabel, die Kya nicht nur mit Lebensmitteln versorgen, sondern mit ihrer Wärme auch dafür sorgen, dass sie es irgendwann schafft, ihnen zu vertrauen.
Manche Nebenfiguren haben nur kleine, kurze, aber für mich sehr bedeutende Auftritte. Ein Richter, der, obwohl er unparteiisch sein muss, Dinge entscheidet, die wichtig für Kya waren. Ein Kater, der sie allein durch seine Anwesenheit und sein Schnurren zur Ruhe kommen ließ.

Was mich sehr beschäftigt hat, waren vor allem die Themen, die in Der Gesang der Flusskrebse angesprochen werden. Die Frage, wie stark Zusammenhalt sein kann, wie weit es kommen muss, damit Menschen verlassen werden, warum manche Menschen rücksichtslos und völlig egoistisch durch das Leben laufen. Die zentrale Frage von Der Gesang der Flusskrebse ist, ob Menschen in der Lage sind ihr Gegenüber so anzunehmen, wie es ist.

Oft habe ich mich über die Stadtbewohner:innen geärgert und mich gefragt, warum diese Figuren so sind, wie sie sind. Ich habe Kya dafür bewundert, dass sie durchhält, ihren Weg im Leben findet und nicht an den äußeren Umständen zerbricht. Dabei gab es ziemlich viele Gelegenheiten, an denen Kya die Möglichkeit gehabt hätte, aufzugeben.
Insgeheim hoffe ich, dass Romane wie Der Gesang der Flusskrebse dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft etwas wacher wird, für das, was um sie herum passiert. Offener für die Menschen wird, die sind, wie sie sind.

Die Hörbuchgestaltung

Die Hörbuchgestaltung hat mich überzeugt. Zu Beginn war ich etwas misstrauisch, weil der Titel nur als gekürzte Fassung bei mir eingezogen ist. (Inzwischen habe ich erfahren, dass es das Hörbuch im Download auch ungekürzt gibt). Inhaltlich hatte ich aber nicht den Eindruck, dass mir relevante Informationen fehlen.

Toll finde ich, dass HörbuchHamburg diesen Titel nicht ausschließlich als Download produziert hat. Es freut mich sehr, dass ich mir Der Gesang der Flusskrebse ins Regal stellen kann, um ihn im passenden Moment herauszunehmen und ihn Menschen in die Hand drücken zu können, mit der Bitte dieses Hörbuch zu hören (oder meinetwegen auch auf den Printtitel auszuweichen).
Gelesen wird der Roman von Luise Helm, die zu meinen Lieblingshörbuchsprecherinnen gehört. Zu Beginn der Handlung schafft sie es, Kyas Einsamkeit durch ihre Interpretation greifbar werden zu lassen. So greifbar, dass diese Trauer, die in den ersten Kapiteln steckt, bei mir ankam und ich mir sehnlichst gewünscht habe, dass dieses Mädchen ihren Platz im Leben findet.
Je sicherer Kya im Leben wird, desto mehr verändert sich auch Luise Helms Interpretation. Besonders gut gefallen haben mir ihre Interpretation der Dialoge. Menschen, die Kya den Rücken stärken, oder versuchen, sie für ihre Zwecke zu vereinnahmen, aber nicht damit rechnen, dass sie durchschaut werden. Luise Helm hat durch ihre Lesung dafür gesorgt, dass das Hörbuch im Vergleich zum Buch einen Mehrwert hat. Die Emotionen, die durch Delia Owens Schreibstil auf Papier gebracht werden, werden durch Luise Helm lebendig.

Der Schreibstil

Delia Owens Schreibstil hat mich beeindruckt. Sie erzählt Der Gesang der Flusskrebse leise, aber mit sehr viel Kraft. Sie schreibt spannend und ließ mich mit Kya mitfiebern. Besonders interessant fand ich die Erzählperspektive, die sie für den Roman gewählt hat. Der Großteil wird aus der Perspektive von Kya erzählt. Dennoch gibt es immer wieder Passagen aus der Sicht eines allwissenden Erzählers. Innerhalb einer Szene werden die Perspektiven gewechselt. Oder es werden Informationen eingestreut, die Kya gar nicht wissen kann. Beeindruckt hat mich, wie gut diese Wechsel im Roman umgesetzt wurden, ohne, dass ich über Szenen gestolpert bin.

Spannend fand ich auch, wie Delia Owens die Parallele zwischen dem Zusammenleben von Tieren in Bezug zu dem Zusammenleben der Menschen gesetzt hat. Sie schafft es, an den richtigen Stellen Parallelen zu ziehen, ohne, dass ich das Gefühl hatte, hier in einem Biologie Sachbuch gelandet zu sein.

Gesamteindruck

In meiner Bewertung richte ich mich nach dem 5-Punkte-Prinzip, das sich an dem 5-Sterne Prinzip der Onlineshops orientiert. Immer wieder gibt es Romane, denen ich aber gerne sechs Sterne geben möchte. Der Gesang der Flusskrebse gehört für mich dazu.

Obwohl das Happy End hier und da noch runder hätte sein können, wurden für mich die wichtigsten Fragen beantwortet.
Dieser Roman erzählt von einem Mädchen, die das Vertrauen in die Menschheit verliert und es auf einer langen Reise wiederfinden muss. Ob oder wie ihr das gelingt, ist eine leise, aber sehr wichtige Reise, die gehört werden muss.

Infos zum Hörbuch

Der Gesang der Flusskrebse
Geschrieben von: Delia Owens
Gelesen von: Luise Helm
Bewertung: 5 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

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Weitere Rezensionen

Kristinchen

Eine Frau, die uns über ein Buch hinweg anschaut. Um sie herum ein Kreis in dem Buchclub steht.
Bild von: Emma Zecka

Und Du?

Wie es sich für einen ordentlichen Buchclub gehört, möchte ich gerne mit euch über den Roman ins Gespräch kommen. Der Großteil der Diskussion wird vermutlich in unserer Facebook Gruppe stattfinden.
Wenn ihr kein Facebook (mehr) habt, seid ihr aber herzlich eingeladen euch in den Kommentaren über den Roman auszutauschen.
In eurem Kommentar könnt ihr euch an meinen Fragen orientieren, oder einfach drauf los schreiben. Wichtig ist mir nur, dass ihr Spoiler kennzeichnet.

Wie hat euch der Roman gefallen?
Wer waren eure Lieblingsfiguren?
Welche Szene hat euch am meisten bewegt?

ACHTUNG SPOILER

Was denkt ihr, hat Kya Chase wirklich getötet? Oder war es ein Unfall?

SPOILER ENDE

6 Gedanken zu „Der Gesang der Flusskrebse“

  1. Hi Emma!

    Das Buch steht seit Veröffentlichung auf meiner Wunschliste 🙂 Ich hab auch schon so viel gutes darüber gehört und deine Meinung unterstützt das noch tatkräftig! Ich bin schon sehr gespannt auf die Geschichte und hoffe, dass ich sie bald lesen kann!

    Liebste Grüße, Aleshanee

    Antworten
  2. Hallo Aleshanee,

    das freut mich sehr, dass Du meine Rezension gelesen hast. Ich war mir wirklich etwas unsicher, ob ich einen Spoilerhinweis hätte setzen sollen. Ich bin sehr gespannt, wie Dir das Buch gefällt.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten
  3. Hallo Sabine,

    das ist ja super, dass Dir das Hörbuch ebenfalls gefallen hat. Etwas schade fand ich, dass das Hörbuch nur in gekürzter Form auf CD erschienen ist. Aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau. Ich hatte nicht den Eindruck, dass mir etwas von der Handlung gefehlt hat.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten
  4. Hallo Emma,
    ich bin gerade auf deinen Blog gestoßen und finde ihn wirklich sehr schön ♥.
    "Der Gesang der Flusskrebse" habe ich Ende 2019 auch als Hörbuch gehört und es wurde eines meiner Jahreshighlights. Ich kann deine Begeisterung also absolut nachvollziehen. So ein tolles, atmosphärisches Buch!
    Ganz liebe Grüße, Steffi

    Antworten
  5. Guten Morgen Steffi,
    es freut mich sehr, dass Dir mein Blog gefällt. Super, dass Dir "Der Gesang der Flusskrebse" auch so gut gefallen hat. Ich bin wirklich gespannt, ob oder wann ein zweiter Titel von Delia Owens erscheint.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten

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