Warten auf Gordot und andere Werke

Das Cover des Hörbuches "Warten auf Gordot und andere Werke"
Bild von der Hörverlag

Drei positive Fakten

Die folgenden beiden Hörspiele haben mir sehr gut gefallen.

Endspiel

In Endspiel geht es um vier Protagonisten. Ein blinder alter Mann lebt mit seinem Diener und seinen Eltern, die beide Beine bei einem Fahrradunfall verloren haben, in einem Zimmer. Es ist nicht ganz klar was geschehen ist. Der Leser ahnt nur: Sie sind die vier Menschen die das Unglück überlebt haben.

Beckett beleuchtet ihr die Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren. Herr und Diener hassen sich abgründig, sind aber aufeinander angewiesen. Der Diener sieht, während der blinde Herr weiß, wie man die Speisekammer aufschließt. Zwischen den Eltern, die in zwei Mülltonnen leben, und dem Herrn des Hauses herrscht ein eisiges Verhältnis.

Beckett arbeitet hier sehr schön die zwischenmenschlichen Konflikte heraus. Während der Diener seinen Herrn am liebsten schon längst ermordet, oder ihm den Rücken gekehrt hätte, ist er emotional doch von ihm abhängig. Durch die guten Dialoge ist es mir leicht gefallen, mich in die Protagonisten hineinzuversetzen.

Allerdings muss ich an dieser Stelle vorwarnen: Der Schreibstil des Hörspiels gefällt mir sprachlich zwar sehr gut, berichtet aber sehr viel zwischen den Zeilen.

Pochade radiophonique

Hier wird das berühmt berüchtigte Stilmittel der Geschichte in der Geschichte genutzt. Der erste Handlungsstrang besteht darin, dass ein Herr mit seiner Assistentin die Kassetten einer Art Therapiesitzung oder eines Verhörs wieder und wieder anhört. Er versucht einen Fall zu lösen und hofft Indizien auf den Tonbändern zu finden.

Hier haben mir die beiden Handlungsstränge der Geschichte gut gefallen. Meine volle Konzentration war gefragt, weil ich ebenfalls wissen wollte, was auf den Kassetten gesprochen wurde und welche Hinweise unser Zuhörer sucht.
Sprachlich ist auch hier ein ausgeschmückter Schreibstil, der es einem aber leicht macht, sich in die Geschichte einzufinden.

Stilmittel

Sehr gut gefallen haben mir die Stilmittel der beiden Hörspiele. In Endspiel hörte man Zwischengeräusche, wie das Zuschlagen und Öffnen der Mülleimer Deckel. Zudem waren auch Unterschiede in der Lautstärke zu hören, wie beispielsweise, wenn sich der Diener entfernte, wurde die Stimme auch leiser. Ebenfalls, auch für die Geschichte wichtig positioniert, war das Weckerklingeln, welches die Beziehung zwischen Diener und Herrn untermalte.

Da es in Pochade radiophonique, um die Aufzeichnung eines Hörspiels geht, waren auch hier gute Stilmittel gefragt. Das Vor- und Zurückspulen der Kassetten und die von der Assistentin oftmals vorgelesenen letzten Dialoge haben die Handlung der Geschichte wunderbar untermalt.

Negativer Fakt

Gerade von der Geschichte, auf die ich mich am meisten gefreut habe, war ich sehr enttäuscht.

Warten auf Gordot

Da ich in Cornelia Funkes Tintenwelt-Reihe schon ein Zitat aus dem Theaterstück gelesen habe, war mein Interesse geweckt. Die CD Sammlung wünschte ich mir gerade wegen des Theaterstückes.

Das Stilmittel von Warten auf Gordot wird hier zum großen Nachteil der Vertonung. Es handelt sich hier um eine Live Aufnahme einer Theaterinszenierung. An sich ja eine gute und interessante Sache, allerdings haben mich folgende Punkte gestört:

Die Aufnahmequalität

Ich hatte das Gefühl, dass die Sprecher entweder zu leise, oder zu laut waren. Das sorgte dafür, dass ich ständig damit beschäftigt war, die Lautstärkeregelung hochzudrehen oder zu regulieren.

Geräusche / fehlender Erzähler

Ich habe sehr lange gebraucht, um mich in die Geschichte einzufinden, weil mir überhaupt nicht klar war, in welcher Szenerie ich mich befand. Waren die Protagonisten zwei obdachlose Landstreicher? Oder kehrten sie jeden Abend in ein Versteck zurück? Wer waren die anderen Personen, die hin und wieder hinzutraten und ihre Meinung zur Szenerie abgaben?

Manche Geräusche konnte ich nur erahnen, wie das Schlagen einer Peitsche. Hier fragte ich mich: Wer wurde geschlagen? Und warum?

Allerdings haben mir die Dialoge des Theaterstückes und deren Sprecher gut gefallen. Die Stimmen hatten für mich hohen Wiedererkennungswert und ich dachte, dass sich der ein oder andere sicher auch gut als Hörbuchsprecher eignen würde bzw. geeignet hätte.

Dennoch ist der Inhalt des Theaterstückes wahnsinnig spannend, weil deutlich wird, wie zermürbend das Warten auf Gordot ist, von dem die Protagonisten nicht einmal wissen, ob er überhaupt so heißt und wann er endlich kommen möge.

Gesamteindruck

Während des Hörens der CD beschloss ich mich auch ein bisschen über Samuel Beckett zu belesen. Als ich eine Liste mit seinen Stücken fand, hatte ich den Eindruck, dass die Textzusammenstellung von Warten auf Gordot und anderen Werken wirklich gut getroffen ist. Stücke, die viel Aufmerksamkeit bekommen haben, waren hier vertreten. Zudem befindet sich auf CD 6 ein O-Ton, indem berichtet wird, was für ein Mensch Samuel Beckett war und wie sich die Arbeit mit ihm gestaltete. Das hat mir besonders gut gefallen, weil es hier nicht ausschließlich um seine literarischen Werke ging, sondern der Leser auch die Möglichkeit hatte, etwas über den Autor zu erfahren.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir die Textsammlung gut gefallen hat. Jedoch hätte ich mir Warten auf Gordot als Hörspielversion gewünscht, weil die Vertonung des Theaterstückes der Geschichte eigentlich nicht gerecht wird.

Infos zum Hörbuch

Warten auf Gordot und andere Werke
Geschrieben von: Samuel Beckett
Gelesen von: verschiedene
Bewertung: 4 von 5 Herzen

Dieses Hörbuch wurde mir von dem Verlag als Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt.

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