Der Sommer als wir träumen lernten

Das Cover von "Der Sommer als wir träumen lernten"
Bild von cbj Verlag.

Der Inhalt

Jannis, Grete, Alex und Leo haben eines gemeinsam: alle haben sie Themen über die sie nicht gern sprechen. Sie verteidigen sich so gut sie können wenn sich jemand den gefährlichen Gebieten nähert. Mal mit Worten, mal mit Lügen, die als erfundene Wahrheiten getarnt sind und manchmal auch mit Gewalt. Weil das aber ziemlich schief gehen kann, wurden sie für ein Therapie-Camp angemeldet: Zwei Wochen Kanutour in Schweden. Ob das gut geht?

Der Anfang hat mir einen schnellen Einstieg in die Handlung ermöglicht. Wir lernen die vier Jugendlichen in ihren gewohnten Welten kennen. Wir bekommen nur einen kleinen Ausschnitt von ihrem Leben. Aber das reicht schon um zu erahnen, in welchem Chaos sie sich befinden und wie wichtig es ist, dass sie einen Weg hinaus finden.

Die Themen, die Adriana Popescu in Der Sommer als wir träumen lernten anspricht, könnten für sich alleine stehend einzelne Bücher füllen. Aus Spoilergründen kann und werde ich nicht alle nennen. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Einsamkeit der Jugendlichen und die damit verbundene Wut, dicht gefolgt von der Verzweiflung, weil sie nicht wissen, wie sie aus dem Kreislauf wieder herauskommen sollen. Die Autorin hat sich dazu entschieden, die wesentlichen Aspekte von jedem Thema herauszunehmen und sie in Bezug zu den anderen Themen zu setzen. Ich war fasziniert davon, wie sie die Handlung aufbaut, Dinge miteinander verbindet und sie später so auflöst, dass keine offenen Fragen zurückbleiben.

Womit mich Adriana Popescu überrascht hat war die ein oder andere Wendung in der Handlung. Es gab eine Situation in der mich die Autorin gehörig in die falsche Richtung gelenkt hat nur um dann eine Erklärung zu liefern, auf die ich nie im Leben gekommen wäre, die mich aber absolut überzeugt hat. Ich war sehr froh, dass ich mich geirrt habe und es eine andere Auflösung für diese Situation gab.

Was das Ende betrifft, bleibe ich mit hin- und hergerissen zurück: Die letzte Szene zeigt wunderbar, was sich alles im Laufe der Handlung getan hat und welche Entwicklungen die Figuren gemacht haben. Dennoch hätte ich sehr gerne mehr Zeit mit ihnen verbracht, mehr Details über ihre Leben erfahren. Aber das sind Geschichten, die vielleicht ein andermal erzählt werden. .

Die Figuren

Alex, Jannis, Leo und Grete machen es uns nicht leicht. Sie haben ihre Taktik, niemanden an sich heranzulassen, in den letzten Jahren beinahe perfektioniert. Lange habe ich mich gefragt, was passieren muss, damit sie sich öffnen und wir einen Teil ihrer Geschichte erfahren.

Jannis wäre viel lieber mit seiner Familie im Sommerurlaub. Aber er weiß auch, warum er hier im Camp ist. Sein Ziel ist es, sich zusammenzureißen, gut mitzumachen und die Kanutour zu überstehen. Doch das ist alles andere als einfach: Mit-Paddlerin Alex, die keine Gelegenheit auslässt um zu provozieren, macht es ihm nicht gerade leicht. Ben, der Betreuer, der versucht einen auf verständnisvoll zu machen und ihm jede Menge Fragen stellt, ist nicht der Erste, der versucht ihn zu verstehen. Dabei sind es alles Fragen, die Jannis schon oft genug beantwortet hat. Aber wurden seine Antworten bisher gehört? Warum also, sollte es diesmal anders sein?

Alex würde viel lieber mit Jessy rumhängen und ihr dabei helfen, ihr Revier zu verteidigen. Stattdessen muss sie mit drei Jugendlichen und schrägen Betreuenden in Schweden sein. Damit alle merken, wie ungern Alex bei ihnen ist, lässt sie keine Gelegenheit aus, ihren Unmut mitzuteilen. Und das wurde nicht nur für die anderen Figuren, sondern hier und da auch für mich zur großen Herausforderung.

Leo hat mir wieder einmal bewusst gemacht, dass Onlinespiele nicht nur ziemlich cool sind, sondern auch süchtig machen können. Er muss also nicht nur mit drei fremden Jugendlichen zurechtkommen, sondern auch irgendwie den kalten Entzug vom Handy und den Zigaretten überstehen. Das Ärgerliche: Alex ist die einzige Ablenkung und die meint es nicht gerade gut mit ihm. Zum Glück teilt er sich ein Kanu mit Grete, die zwar wie ein Wasserfall redet, ihn aber immerhin nicht am laufenden Band beleidigt.

Gretes Ziel ist Berlin. Wenn sie gut mitmacht, wird sie endlich zu ihrem Vater ziehen können und ihre Mutter mit ihrem neuen Lebensgefährten hinter sich lassen können. Sie ist froh, nicht das einzige Mädchen im Camp zu sein. Doch Alex lässt sie spüren, dass sie bei weitem nicht an ihre beste Freundin Jessy herankommt. Grete ist nämlich eine Loserin. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher als eine Freundin, die nicht die Flucht ergreift, wenn sie ihr Geheimnis kennt.

Wirklich sehr gefreut habe ich mich über ein Wiedersehen mit einer Nebenfigur. Nämlich Tommi. Wer Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln gelesen (und hoffentlich geliebt) hat, wird ihn kennen. In Der Sommer als wir träumen lernten scheint Tommi seinen Platz gefunden zu haben. Er weiß genau, wie sich die Jugendlichen fühlen. Auch er steckte vor ein paar Jahren in einem ähnlichen Chaos. Er glaubt ihre Tricks zu kennen und möchte sie vor den Fehlern bewahren, die er damals getan hat. Wird ihm das gelingen?

Was ich diesmal ziemlich faszinierend fand war die Interaktion zwischen den Figuren. Die vier Jugendlichen brauchen sich um sich weiterzuentwickeln. Das Tolle war, dass es nicht konstruiert, sondern sehr realistisch und greifbar auf mich wirkte. Was mich sehr gefreut hat waren die kleinen Momente, die aber eine große Auswirkung haben, wenn man zwischen den Zeilen liest.

Der Schreibstil

Adriana Popescu hat mir mit ihrem Schreibstil ein bisschen Dschungelcamp-Feeling ins Wohnzimmer gebracht, obwohl Der Sommer als wir träumen lernten völlig anders ist. Euch erwarten jede Menge Konflikte, die auch im Dschungelcamp nicht fehlen dürfen. Oberflächlich betrachtet macht das die Handlung laut. Aber nur, weil die Jugendlichen dadurch versuchen, Dinge zu verbergen, oder sich von für sie unbequemen Themen abzugrenzen.

Wieder einmal beeindruckt mich Adriana Popescu mit ihren Dialogen, die nämlich maßgeblich zur Konfliktsteigerung beitragen. Jugendliche, die, wenn man genauer hinsieht, mehr verbindet, als sie erahnen können. Aber erst einmal müssen sie sich natürlich testen und an den Grenzen des anderen kratzen.

Was es mir angetan hat war also nicht nur die Konfliktsteigerung, sondern der leise Übergang von Abwehr hin zu Annäherung bis zur Öffnung der Figuren und das auf nur etwas über 400 Seiten, was ich mir wirklich sehr schwierig vorstelle. Jedenfalls hat genau das der Handlung und auch dem Schreibstil Tiefe beschert von der ich hoffe, dass möglichst viele Menschen sie entdecken können.

Gesamteindruck

Der Titel Der Sommer als wir träumen lernten mag vielleicht etwas täuschen. Träumen lernen die Jugendlichen allemal. Aber der Weg dorthin ist laut, steinig und bringt auch Tränen mit sich. Ich bin sehr froh, diese Kanutour mit ihnen erlebt zu haben und hätte gern mehr Zeit mit ihnen verbracht. Aber wer weiß, vielleicht sehen wir die ein oder anderen Figuren ja in einer anderen Geschichte wieder. Ich hoffe es jedenfalls!

Infos zum Buch

Der Sommer als wir träumen lernten
Geschrieben von: Adriana Popescu
Bewertung: 5 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

Hier findet ihr mehr Infos über Adriana Popescu.

Hier findet ihr meinen Thread zum Post, eine Art Lesetagebuch.

Hinweis: Dieses Jugendbuch ist bisher ausschließlich als Printversion und eBook erschienen. Da es aber die Möglichkeit gibt, sich eBooks mit ScreenReadern vorlesen zu lassen, besteht die Option diesen Titel als (schlecht) gelesenes Hörbuch zu hören. Daher – und weil mir die Handlung so gut gefallen hat – ordne ich das Buch der Kategorie Lieblingshörbuch zu.

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