Mittagsstunde

Das Hörbuchcover von "Mittagsstunde"
Bild von RandomHouse Audio

Der Inhalt

Ingwer muss zurück in die ostfriesische Heimat um seine Großeltern zu pflegen. Er ist in einer ländlichen Gegend aufgewachsen, die sich seit seinem Weggang sehr verändert hat. Da er noch nicht weiß, wohin er im Leben will, ist dieser Schritt zurück in die Vergangenheit auch mit einer Suche nach sich selbst verbunden.

Dörte Hansen erzählt die Handlung in einer ruhigen und gemütlichen Atmosphäre. Dennoch wird sehr deutlich, wie sich das Dorfleben seit Ingwers Kindheit verändert hat. Durch zwei Zeitebenen, Einblicke in die Zeit, bevor Ingwer geboren wurde, sowie seine Kindheit und die Rückkehr in die Gegenwart, bekommen wir den Kontrast im Dorf sehr gut mit.

Leider hat mir inhaltlich der Mehrwert gefehlt. Ich kenne es von Romanen bisher so, dass uns entweder eine spannende Handlung oder vielschichtige Hauptfiguren erwarten. Es gibt aber auch Romane, die beides zusammenbringen. Hier hingegen erzählt Dörte Hansen vor allem Ingwers Familiengeschichte und zeigt uns, was aus Ingwers Familie geworden ist.

Mir war es aber zu wenig. Die Handlung war zwar in sich rund, aber mir fehlten die Entwicklung. Ich fand es zwar interessant, in das Dorfleben und Ingwers Vergangenheit einzutauchen, etwas daraus mitnehmen konnte ich aber nicht.

Die Figuren

Die ruhige, gemütliche Atmosphäre zeigt sich auch in den Figuren von Mittagsstunde. Ingwer und seine Großeltern nehmen jeden Tag, wie er kommt und machen das Beste daraus. Dennoch gab es für mich keine Figuren, die sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnen. Ich hatte den Eindruck, dass es bei Mittagsstunde eher um das Gesamte geht und nicht primär darum, die Entwicklung von einzelnen Figuren herauszuarbeiten.

Interessant fand ich hier den Vergleich zwischen den Figuren in der Gegenwart und in der Vergangenheit. Wir erleben Ingwers Großeltern als sie jünger sind, erfahren, was ihnen dort wichtig ist und wie sie ihr Leben gestalten. Interessant war, wie sich ihr Miteinander veränderte, nachdem sie älter geworden sind.

Die Hörbuchgestaltung

Das Hörbuch wurde ungekürzt sowohl als CD als auch als Download von RandomHouse Audio produziert. Ich kann mir das Hörbuch auch gar nicht als gekürzte Ausgabe vorstellen. Wenn Teile vom Inhalt fehlen würden, ginge für mich auch viel von der Atmosphäre verloren. Da die Handlung auch vor allem durch die Gemütlichkeit lebt, bin ich froh, dass sich der Verlag für eine ungekürzte Ausgabe entschieden hat.

Es liest Hannelore Hoger, die im Vergleich zu anderen Sprecherinnen, eine tiefe Stimmfarbe hat. Das sorgt dafür, dass sie auch Männer interpretieren kann, ohne, dass es gezwungen klingt. Zudem klingt sie auch etwas älter. Sie passt als Sprecherin für mich sehr gut zur Handlung und hat unter anderem auch dazu beigetragen, dass ich das Hörbuch nicht abgebrochen habe. Hoger legt in ihrer Interpretation viel Wert auf ihre Betonung. Dadurch hebt sie die Zwischentöne der Handlung gekonnt hervor.

Da wir uns in Ostfriesland befinden, spielt Plattdeutsch eine große Rolle. Da ich kein Plattdeutsch spreche, kann ich natürlich nicht sagen, ob Hannelore Hoger Wörter richtig ausgesprochen, oder richtig betont hat. Für mich klang es aber sehr authentisch und ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mühsam auswendig gelernte Dialoge herunter liest. Gerade wenn Dialekte in der Handlung vorkommen finde ich es wichtig, dass Sprecher*innen engagiert werden, welche die Dialekte auch authentisch interpretieren können.

Der Schreibstil

Was Dörte Hansen für mich von anderen Autor*innen unterscheidet ist ihr Schreibstil. Sie beschreibt Ingwers Heimat so, als wäre sie eine eigene Welt. Ich konnte mir das Dorf, sowie die Generationen, die hier aufeinandertreffen bildhaft vorstellen und hatte das Gefühl voll in das Dorfleben eintauchen zu können.

Hansen schafft es das Tempo einer Handlung rauszunehmen, aber trotzdem viel zu erzählen. Durch die Langsamkeit verliert die Handlung nicht an Dynamik. Diesen Spagat hinzubekommen, stelle ich mir sehr schwierig vor.

Was mich aber tierisch nervte war das Plattdeutsch. Dialekte in Hörbüchern finde ich an sich super, weil Autor*innen den Dialekten dadurch wieder eine Bühne geben und den regionalen Bezug zur Handlung hervorheben. Oft konnte ich das Plattdeutsch auch aus dem Zusammenhang ableiten. Oft aber auch nicht. Das ist dann wie wenn zu Beginn eines Kapitels oder in einer Handlung tolle Zitate in einer anderen Sprache platziert werden bei denen man davon ausgeht, dass alle sie verstehen. Es schließt eine Zielgruppe aus, was ich sehr schade finde.

Gesamteindruck

Mein Problem bei Mittagsstunde war, dass ich mit völlig anderen Erwartungen an das Hörbuch herangegangen bin. Ich habe mit einer Geschichte gerechnet, in der wir Ingwer kennenlernen, der sich im Roman auf die Suche nach sich selbst begibt und sein Ziel auch erreichen wird. Für mich standen nur noch die Fragen im Raum wie er sein Leben zukünftig gestalten möchte und wo genau sein Platz ist.

Stattdessen zeigt die Handlung eher eine Momentaufnahme und ließ mich bezüglich Ingwers Zukunft im Ungewissen. Einerseits ist genau das manchmal auch das Leben. Es geht darum, weiterzugehen und vielleicht allein dadurch irgendwo anzukommen.

Andererseits erhoffe ich mir aber von Romanen, die von Figuren in Lebenskrisen erzählen, immer eine Antwort auf die Frage, wie sie mit der Krise umgehen, mit dem Ziel, dass Menschen etwas von der Handlung mitnehmen können, denen es ähnlich ergeht. Die Handlung bietet zwar eine Antwort, nämlich in dem Fall keine, aber das war eben nicht das, was ich mir gewünscht hätte. Was dennoch für eine Einzigartigkeit beim Hörbuch sorgt ist Dörte Hansens Schreibstil, weil sie diese beinahe alltägliche Geschichte sprachlich schön verpackt.

Infos zum Hörbuch

Mittagsstunde
Geschrieben von: Dörte Hansen
Gelesen von: Hannelore Hoger
Bewertung: 3 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

Hier findet ihr mehr Infos über Dörte Hansen.

Hier findet ihr mehr Infos über Hannelore Hoger.

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