Jonathan Strange & Mr. Norrell

Die Rezension

Ich muss ehrlich sein, ich habe echt eine Weile gebraucht, um in das Buch reinzukommen. Seit August lese ich dran und bin jetzt erst fertig geworden! (Gut, die Lesezeit stieg in den letzten Wochen überproportional an.)
Darauf gestoßen bin ich über das Internet, weil da ziemlich viele Leute von geschwärmt haben. Und da dachte ich: Jo, warum nicht?

Gut, dass ich angefangen habe, ohne auf die Seitenanzahl zu achten, denn sonst hätte mich das wahrscheinlich ein klein wenig abgeschreckt. Aber das hat dann doch die Geschichte selbst geschafft 😀

Der Anfang ist noch überaus verwirrend (so wie es manche Leute vom ersten Kapitel des ersten Harry Potters behaupten, was ich absolut nicht verstehen kann), denn erst mal kommt eine große Menge an Gelaber über die theoretische Zauberei (*gähn*), Mr. Norrell taucht erst auf Seite 30 (* Alle Seitenzahlen sind denen meines ebooks entnommen und können von anderen Versionen abweichen.) oder so auf und ist ein vergrämter alter Mann, der niemanden leiden kann (und den niemand leiden kann) und man fragt sich echt, wo das Ganze hinführen soll. Eigentlich ist er der einzige praktische Zauberer in ganz England, aber er ist so von der Theorie überzeugt, dass ich mir echt nicht sicher bin, wen er eigentlich verarschen will.

Jonathan Strange taucht ernsthaft erst auf Seite 200 auf (Keine Sorge, es wird vorher schon besser). Und das soll was heißen, schließlich ist er eine titelgebende Figur.

Zu allem Überfluss muss man sich dann auch erst einmal an den Erzählstil gewöhnen und an das ganze Setting in England des 19. Jahrhunderts. Wer mit wem und warum und wieso. Die Namen sind zu Beginn auch etwas verwirrend: Norrell, Strange, Childermass, Segundus, Pole, Drawlight, Lascelles, Lords, Ladys … what?

Die ersten fünfzig Seiten waren ein klein wenig zäh (ich weiß echt nicht, warum ich sie durchgehalten habe, normal bin ich da nicht so zimperlich).
Aber dann war ich gefesselt, fasziniert und gebannt von dem Buch. Die Sprache ist dem Setting beeindruckend angepasst und gleichzeitig so witzig und einnehmend.

Die Geschichte wirkt zu Beginn recht einfach gestrickt, doch dann wird sie immer vielschichtiger, man fiebert mit den Figuren mit und kommt – trotz des allwissenden Erzählers – definitiv nicht hinter alle Geheimnisse der Magie.
Die ganze Atmosphäre des Buches ist magisch und wirkt – gerade durch den allwissenden Erzähler und die Fußnoten – absolut authentisch.

Apropos Fußnoten. Oh jeee, es gibt echt VIELE Fußnoten und in meiner ebook Version sind sie nicht verlinkt, daher hatte ich am Anfang echt Schwierigkeiten damit und hab auch viele ausgelassen (ich muss auch zugeben, dass nicht alle so interessant sind). Aber gerade das macht das Buch so authentisch. Fußnoten wirken immer professionell und was sich Susanna so tiefsinnig ausgedacht (bzw. recherchiert) hat lässt die Geschichte in einem ganz anderen Licht stehen.
Ich hoffe echt, dass ihr euch von meiner Rezension nicht habt abschrecken lassen.

Ach ja, im Übrigen ist das Ganze auch von BBC als Miniserie 2015 verfilmt worden (und das auch sehr zur Zufriedenheit der Fans – ich selbst habe es noch nicht gesehen, aber wenn ihr wollt, dann kann ich dazu dann auch eine Rezension schreiben, lasst einfach einen Kommentar da).

Lieblingszitate

Zur weiteren Überzeugung lasse ich euch noch ein paar Zitate da, damit ihr versteht, was mich an dem Buch so gepackt hat:

»Hadley-Bright hockte auf einem Stuhl und führte eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Soldaten vor, die er nahezu perfekt beherrschte: unter jedweden Umständen zu jedweder Zeit einzuschlafen.«
(Seite 393)

»Versteck mein Herz an einem geheimen Ort, damit alle meine Wünsche nur ihm allein gehören und der Blender sich dort nicht festsetzen kann.Er stellte sich Arabella vor, wie er sie tausendmal gesehen hatte, hübsch gekleidet und in einem Salon zwischen Menschen sitzend, die lachten und plauderten. Er gab ihr sein Herz.«
(Seite 330)

»Aber wie das Essen zu ihr hinaufkommt«, sagte Miss Greysteel, »das weiß niemand genau. Signor Tosetti glaubt, dass ihre Katzen es hinauftragen.«
»So ein Unsinn!«, erklärte Dr. Greysteel. »Wer hat je gehört, dass Katzen etwas Nützliches tun!«
»Außer dass sie einen auf eine herablassende Weise anstarren«, sagte Strange, »die vermutlich einen moralischen Nutzen hat, weil man sich unbehaglich fühlt und gezwungen ist, nüchtern über die eigene Unvollkommenheit nachzudenken.«
(Seite 528)

»Ich sah einen Schatten auf einem weißen Weg, der durch das dunkle Moor führte. Sie müssen wissen, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt auf der Brücke aufhielt, und diese Brücke war viel höher als jede andere Brücke auf der Welt. Der Boden schien sich mehrere tausend Fuß unter mir zu befinden. Ich schaute hinunter und sah jemanden. Wenn ich nicht unbedingt Drawlight hätte finden wollen, hätte ich einen Weg hinunter gesucht und wäre ihm oder ihr gefolgt, denn mir scheint, dass ein Zauberer seine Zeit nicht sinnvoller verbringen kann als im Gespräch mit so einer Person.«
»Aber geht von so einer Person denn keine Gefahr aus?«, fragte Arabella.
»Gefahr?«, sagte Strange verächtlich. »Ja. Ich denke schon. Aber andererseits schmeichle ich mir, dass ich auch ziemlich gefährlich bin.«
(Seite 357 f.)

»Strange starrte ihm hinterher. Er fühlte sich versucht, über die Undankbarkeit des Herzogs ein paar spitze Bemerkungen gegenüber seinen Freunden, den 92. Gordon Highlanders, fallen zu lassen; doch die waren, wie es schien, gerade ein wenig beschäftigt, da Kanonen auf die schossen und Säbel auf sie einhackten.«
(Seite 399)

»Wie es sich traf, waren an diesem Tag zwei Briefe aus Genf in der Schweiz gekommen. Der erste war von Lord Byron, der sich über Jonathan Strange beschwerte, und der zweite war von Strange, der sich über Byron beschwerte.«
(Seite 500)

»Ohne Vorwarnung packte er Drawlights Rock und zog ihn an sich. Drawlight konnte Stranges stinkenden Atem in seinem Gesicht spüren, und zum ersten Mal sah er sein Gesicht. Sternenlicht fiel auf grimmige, wilde Augen, aus denen alle Menschlichkeit und Vernunft gewichen war.»Sag Norrell, dass ich komme!«, zischte Strange.«
(Seite 604)

»Etwas später wurde an seine Tür geklopft. Er war überrascht, dass es bereits Abend und im Zimmer dunkel war. Wieder wurde geklopft. Der Vermieter stand vor der Tür. Der Vermieter begann zu sprechen, aber Strange verstand ihn nicht. Und zwar, weil der Mann eine Ananas im Mund hatte. Wie er es geschafft hatte, sich eine ganze Ananas in den Mund zu stopfen, ging über sein Begriffsvermögen. Grüne gezackte Blätter schoben sich langsam aus seinem Mund und wurden zurückgesaugt, wenn er sprach.«
(Seite 537)

»Er sandte flammende Engel, die die Franzosen bedrohten, und feuerspeiende Drachen, die sie angriffen. Die Illusionen waren größer und heller als alles, was er in Spanien je hervorgebracht hatte. Mehrmals kletterte er aus seinem Graben heraus, um den Effekt zu bewundern – trotz der Warnungen der Highlanders, er könne jederzeit von einer Kugel getroffen werden.«
(Seite 398)

»Es gibt nur einen Zauberer, Sir. Jetzt, wo SIe hier sind, gibt es in England nur noch einen Zauberer.«
Strange schien einen Augenblick lang darüber nachzudenken. »Meine Schüler«, sagte er. »Meine Schüler sind Zauberer. Alle Männer und Frauen, die Norrells Schüler sien wollte, sind Zauberer. Childermass ist einer. Segundus ist einer. Honeyfoot. Die Abonnenten der Zauberzeitschriften. Die Mitglieder der alten Gilden. England ist voller Zauberer. Es gibt Hunderte, vielleicht Tausende. Norrell hat sie zurückgewiesen. Norrell hat sie geleugnet. Norrell hat sie mundtot gemacht. Doch sie sind trotzdem Zauberer.«
(Seite 601)

Infos zum Buch

Rezensiert von Isona

Jonathan Strange & Mr. Norrell
Geschrieben von: Susanna Clarke
Bewertung: 3 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

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Alle Seitenzahlen sind denen meines ebooks entnommen und können von anderen Versionen abweichen.

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