Im Jahre 1700

ein Kranz in dessen Mitte eine 18 steht.Liebe Brüder und Schwestern,

ihr glaubt nicht, welch merkwürdige Ereignisse sich in diesen winterlichen Zeiten zutragen.

„Schreib nicht zu geschwollen. Die Nachwelt soll uns ja auch verstehen.“
„Schweig, Weib und lass mich meines Amtes walten.“
„Oje… Ich seh schon. Ich bastel dann mal an dem Wörterbuch…“

Während unsere Welt in Armut versinkt, stand das gestrige Weihnachtsfest unter einem eigenartigen Stern. Kalte Häuser sind in diesen Zeiten keine Seltenheit. Doch hörte ich erstaunliche Geschichten.

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Im Jahre 2086

Ein Kranz in dessen Mitte eine 17 steht.

 

„Na, Frau Schmitz, waren die Kinder heute nicht wunderbar?“

„Total“, antwortete ich voller Ironie, die das freundliche Personal glücklicherweise nicht immer erkannte. Ich hasste Kinder. Schon von Beginn an. Was war ich froh, dass mich diese nervigen Wesen nicht auch noch an Weihnachten beehrten. Und dann zog ich in dieses glorreiche Haus… Aber gut: Ich will mal nicht meckern.
„Ist Horst schon wieder da?“, flüsterte ich meiner Sitznachbarin zu.
„Mein Horst kommt nimmer“, antwortete mein Gegenüber lächelnd.
Verdammt, das war die falsche Seite. Ich drehte mich zu meiner linken und fragte immer noch leise: „Wie sieht’s aus? Heute Abend nach der Übergabe?“
„Alles klar. Die Schwalbe kräht um neun.“
Wenigstens Herbert verstand unsere Codesprache.

Kurz vor 21 Uhr am Weihnachtsabend. Das Programm war beendet. Wir lagen in unseren Betten und warteten darauf, dass Schwester Sabine zu ihrer allabendlichen Runde ansetzte. Wenn sie es bis in unser Zimmer schaffte, war alles verloren. Aber wenn es nach Plan lief, sollten sich ihre Schritte sogleich von unserem Flur entfernen. Energisches Klackern rückte näher. Ich hielt die Luft an. Das Klackern verstummte. Und wandte sich abrupt ab. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Schon lange waren diese Gesichtsmuskeln nicht mehr benutzt worden. Vorsichtig bewegte ich mich aus dem Bett, schlüpfte in meine Hausschuhe und nahm meinen persönlichen Tarnumhang heraus. Was wäre ich froh gewesen, wenn dieses Ding auch seinen Zweck erfüllte und mir magischen Schutz verlieh. Wie damals dem jungen Harry…
Ich öffnete unsere Zimmertür einen Spaltbreit. Henriette schlief natürlich schon. Immer musste sie von mir geweckt werden.
„Och, nein. Das ganze Stockwerk?“, hörte ich Schwester Sabine fragen. Ich konnte beten, dass Herbert nicht vergessen würde, welche Methoden er bereits ausprobiert hatte, um die Nachtschicht in Schach zu halten. Sonst würde auch Schwester Sabine irgendwann Verdacht schöpfen.
„Also gut. Ich komme.“ Sie legte den Hörer auf und ich wusste, dass alles nach Plan laufen würde.
Ich schlich zurück an Henriettes Bett und rüttelte meine Zimmernachbarin wach. „Jetzt komm schon! It’s Christmas Time.“ Sie verstand sofort.

Unser Bewohnerrat hatte durchsetzen können, dass der Kellerbereich ganz uns gehörte. Anfang Dezember trafen wir uns hier zur Krisensitzung. Wir brauchten ordentlich Vorlaufzeit um das Personal für eine Weile beschäftigt zu bekommen. Aber wie beinahe jedes Jahr setzten wir all unsere Hoffnungen auf Horst. Er hatte noch lebende und willige Verwandtschaft, die ihn an Weihnachten zu Hause haben wollte. Er war somit für die Beute zuständig. Als Henriette und ich nach unten kamen, war bereits alles, was ein oder ein halbes Bein zur Verfügung hatte, im Partyraum versammelt. Gespannt warteten wir auf vermeidlichen Held des Abends.
„Wo bleibt er denn?“, murrten die Ungeduldigen.
Doch da flog die Tür ein letztes Mal auf. Horst kam in seiner Weihnachtsmannjacke herein gestolpert. Er hatte einen Sack über den Rücken geschwungen.
„Alles für die Stimmung“, hatte er mir eines Tages erklärt, als ich ihn fragte, warum er auf dieses grausige Outfit bestand.
„Die Beute hat ihr Ziel erreicht“, verkündete er zufrieden und breitete das Ergebnis aus. Unsere Augen begannen zu leuchten.

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Weihnachten im Weltall

Ein Kranz in dessen Mitte eine 16 steht.

 

 

 

„Mann, können wir diese blöden Außerirdischen nicht endlich fangen?“

„Maul nicht so rum. Als du den Einjahresvertrag unterschrieben hast, hätte dir klar sein müssen, dass wir bis Weihnachten sicher nicht wieder daheim sind“, grummelte ich zurück. Diese Kapsel war einfach zu klein für uns beide. Dumm nur, dass keiner von uns ausweichen konnte. Obwohl…
„Ich geh mal Spuren sichten.“

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Im Jahre 1800

Ein Kranz in dessen Mitte eine 15 steht.

„Hofnarr! Unterhalte mich! Mir ist so schrecklich langweilig“, beklagte sich der Fürst eines Winterabends. Der Raum war von Kerzen und Fackeln erleuchtet. Aber der Fürst war zu müde, um sich selbst zu beschäftigen. Der Hofnarr unterstellte ihm, dass er des Lesens nicht mächtig war. Obwohl der Fürst das natürlich nie zugeben würde.

„Ähm…“, überlegte er laut.
„Schneller!“, forderte der Fürst.
„Sir, ich hätte da vielleicht etwas…“, meldete sich plötzlich eine Magd von dem Rand des Raumes zu Wort. Im Winter mussten alle etwas näher zusammenrücken. Auch in Adelshäusern.
„Und was hast du, Klatschweib, schon zu berichten?“, fragte der Fürst misstrauisch. „Letzten Sonntag gab es eine Zusammenkunft der Bauern“, erzählte sie. Der Hofnarr sah trotz schlechter Beleuchtung ein Glitzern in ihren Augen.

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Im Jahre irgendwo in der Gegenwart

Ein Kranz in dessen Mitte eine 14 ist.

 

 

 

In der Wärme wurde ich geboren. In der Kälte reifte ich heran. Doch es dauerte noch ein bisschen bis ich endlich ein Gesicht bekam. Nun lag ich gemeinsam mit der Verwandtschaft beisammen und wartete auf den nächsten Gang.

„Hallo liebe Brüder und Schwestern“, rief ich euphorisch in die Runde. Ein schlecht gelauntes „Hallo“, kam mir entgegen.
„Was ist denn los? Habt ihr schlecht geschlafen?“, fragte ich munter weiter.
„Du hast geschnarcht. Ihr alle habt geschnarcht. Und das war verdammt laut“, fluchte mein Nachbar. Bevor ich darauf eingehen konnte, passierte etwas Merkwürdiges. Ein Beben ging durch unsere Reihen. Obwohl wir uns keinen Zentimeter bewegten. Erschrocken sahen wir uns an.

„Ein Abenteuer“, rief ich. Wärme schoss mir ins Gesicht. Was für ein angenehmes Leben. An die Zeiten der Kälte konnte ich mich kaum erinnern. Damals wusste ich nicht mal, wie groß ich eigentlich war. Auch meine Gedanken waren noch nicht wirklich ausgereift. Inzwischen führte ich ein glückliches Leben mit einer bunten Verwandtschaft. Allerdings … Naja … Wir sind offenbar ein launisches Volk.
„Immer diese Temperaturschwankungen“, stöhnte eine ältere Dame neben mir. Sie hatte bereits etwas Farbe bekommen.
„Ich mag Wärme“, gab ich zu und freute mich, nicht alleine an diesem Ort liegen zu müssen.
Da ging wieder etwas durch die Menge. Mir wurde schwindelig. Obwohl ich, wie zuvor auch, still dalag. Mit einem Krachen kamen wir zur Ruhe. Das hatte für ein paar ängstliche Aufschreie gesorgt.
„Sollen wir sie noch beschriften?“
„Im Ernst? Wir machen doch keine Glückskekse. Hier probier‘ mal.“
Und plötzlich kam etwas Riesenhaftes auf mich zu. Ich erhob mich. In die Lüfte. Nun konnte ich für einen scheinbar nicht enden wollenden Moment mein ganzes Reich überblicken. Meine Verwandtschaft lag mir tiefgebräunt zu Füßen und beobachtete mich.
„Hey, komm wieder runter“, riefen mir einige zu.
„Kinder, schaut weg“, hörte ich andere Gestalten brüllen.
Und dann wurde alles schwarz.

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Im Jahre 5000

Ein Kranz in dessen Mitte eine 13 steht.

Eine große Menge hatte sich vor dem Lager des Weihnachtsimperiums versammelt. Nachdem der Weihnachtsmann letztes Jahr überraschend gestorben war, hatte die Gemeinde ein großes Geheimnis daraus gemacht, wer ihn beerben sollte. Natürlich gab es nicht den Weihnachtsmann. Immer dann, wenn eine Besetzung starb, wurde ein neuer Mann gekürt. Denn zu beschenkende Kinder gab es trotzdem. Doch es gab auch wilde Spekulationen, dass die Nachfahren des letzten Weihnachtsmannes lieber in die Keks- als in die Geschenkeindustrie gehen wollten. Gerüchte hatten die Runde gemacht, dass es dieses Jahr erstmals kein Geschenke verteilen geben würde. Und genau deswegen war der Platz vor dem Weihnachtsmanngelände rappelvoll.

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Im Jahre 4000

Ein Kranz in dessen Mitte eine 12 steht.

 

„Ähm… Santa…“, er unterbrach den Chef ja nur ungern.
„Ich hab dir schon so oft gesagt, dass ich den Namen nicht mag“, grummelte der Weihnachtsmann. Ihm bereitete es wirklich Mühe sich so viele Namen zu merken. Jeder seiner Angestellten favorisierte einen anderen. Und natürlich flogen sie alle jedes Jahr mit ihm auf die lange Reise und bekamen so eine Hand voll neuer Namen geliefert. Er musste unbedingt daran denken, Santa auf die Blacklist der bösen Namen zu setzen.

„Ja…“, der Elf stand kleinlaut neben ihm und wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte. Der Weihnachtsmann blickte ihn einfach nur fragend an.
„Es gibt einen Aufstand unter den Rentieren“, seufzte er. Endlich war es raus.

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Im Jahre 1986 – Das Ziel erreicht?

Ein Kranz in dessen Mitte eine 11 steht.

Mein ganzes Leben lang hatte ich darauf hingearbeitet. Nun war der Tag endlich gekommen und ich fühlte mich matt und erschöpft. Alle hatten sie mich gefragt: „Was hast du es denn so eilig? Dein Tag wird noch kommen.“

Doch ich hatte kaum still stehen können. Endlich wollte auch ich zu den Großen gehören. Das Gefühl haben, gebraucht und geliebt zu werden. Doch die Weisen unserer Runde hatten mich nur belächelt: „Du hast wirklich keine Ahnung, Winzling. Wenn du einmal so alt bist, wie wir, wirst du verstehen, warum wir froh sind, hier zu stehen.“
Einer von ihnen hatte gefrotzelt: „Wenn er sein Ziel erreicht, wird er nicht hier stehen.“

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Im Jahre der unbekannten Zeitrechnung – Stille Freuden

Ein Kranz in dessen Mitte eine 10 steht.

Sie war keine Frau der großen Worte. Es lag nicht einmal daran, dass sie nicht gerne sprach. Sie hatte durchaus viel zu erzählen. Nur eben nicht jedem. Um genau zu sein, war sie schüchtern. Aber schüchtern war so ein hässliches Wort. Sie stand allein in der Küche des Cafés und polierte die Gläser, während draußen die letzten Gäste verabschiedet wurden. Weihnachten war das Fest der Liebe. Und es gab nichts Schöneres als anderen Menschen eine Freude zu machen. Das Café war sehr gut besucht gewesen. Doch hatte kein bisschen Weihnachtsstimmung in der Luft gelegen. Obwohl sie Weihnachten liebte und wusste, dass ihre Gäste diese Liebe nicht mit ihr teilten, freute sie sich Fest um Fest in dem Café zu verbringen.

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Im Jahre 2012

Ein Kranz in dessen Mitte eine 9 steht.

„Susie! Komm schnell.“
Verschlafen öffnete ich die Augen. Die letzten Bilder des abklingenden Traumes zogen an mir vorbei. Ein Kampf mit den Feinden. Und ich auf der siegessicheren Seite.
„Susie! Wo bist du?“
Mein Schlafplatz war wirklich gemütlich. Warum also aufstehen? Mein Zeitgefühl sagte mir, dass ich ruhig noch ein bisschen schlafen konnte. Ich hatte mich doch eben erst hingelegt.
„Ich glaube, sie will gar nichts“, hörte ich sie unten reden.

„Es ist Weihnachten. Da soll sie doch auch etwas Feines bekommen.“
Feines? Jetzt wurde ich aber wirklich neugierig. Vorsichtig stand ich auf und verließ meine Schlafstätte.
„Susie, jetzt aber flott“, riefen sie, als sie mich erblickten. Eigentlich wollte ich leise die Treppe herunterschleichen und erst einmal die Lage checken, bevor man sich schon wieder mit Gebrüll auf mich stürzte. Manchmal fehlte ihnen wirklich das Feingefühl.
Die Küchentür stand offen. Erwartungsvoll blickte man mich an.

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