Der Inhalt
Hinweis: Hierbei handelt es sich um den zweiten Band einer Reihe. Ich werde nicht inhaltlich spoilern, setze das Wissen aus dem ersten Band für meine Rezension aber voraus.
Den Inhalt von diesem Hörbuch zusammenzufassen, ist gar nicht mal so leicht, weil wir uns schnell in einem Strudel von Ereignissen wiederfinden, die aufeinander aufbauen. Quinn und Matilda haben im ersten Band die Welt des Saums entdeckt. Quinn konnte die magische Welt selbst besuchen. Matilda hingegen muss sich mit Quinns Berichten zufrieden geben und kann ihn nur dabei unterstützen, die Rätsel der magischen Welt zu entschlüsseln. Wird ihr das auf Dauer reichen? Schließlich möchte sie auch gern einen Zeppelinwal besteigen oder Emotionen bei einer Emotionenpfandleihe eintauschen.
Im ersten Band sorgte Kerstin Gier mit ihrer neuen Welt rund um den Saum bei mir für jede Menge Chaos. Ich verlor irgendwann den Überblick und verließ mich darauf, dass unsere Hauptfiguren Quinn und Matilda die Rätsel schon entschlüsseln werden.
Im zweiten Band hingegen kam ich deutlich besser mit der fremden Welt zurecht und finde auch, dass einige spannende Metaphern in der Saum-Welt wiederzufinden sind. Wir erfahren nämlich, welche Möglichkeiten es außerhalb von Portalen gibt, um in die Welt zu kommen.
Der Aufbau der Vergissmeinnicht-Reihe ist ungewöhnlich. Normalerweise kenne ich es von Trilogien so, dass wir im ersten Band die Welt und unsere Figuren und diejenigen kennenlernen, gegen die sich unsere Figuren wehren müssen. Manchmal erfahren wir auch welche Mission erfüllt werden muss, manchmal taucht die Mission auch erst im zweiten Band auf.
Bei Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war hingegen habe ich den Eindruck, dass wir gemeinsam mit den Hauptfiguren durch die Welt stolpern. Sie wollen die Geheimnisse des Saums entschlüsseln, weil sie des Rätsels Lösung kennen wollen, aber nicht primär, weil sie sich mit der Saumwelt identifizieren, oder eine große Mission im Vordergrund steht.
Es ist nicht so, dass es mich stört. Ich finde es eher spannend, dass das Konzept als solches funktioniert und ich jetzt ziemlich neugierig bin, wie Kerstin Gier viele Handlungsstränge im nächsten Band auflösen oder fortführen wird.
Interessant fand ich auch, wie mit dem Thema Behinderung in Verbindung mit dem Weltenbau umgegangen wird. Im ersten Band hatte Quinn einen schweren Unfall und ist in unserer Welt daher auf den Rollstuhl bzw. Gehhilfen angewiesen. Er braucht also in unserer Welt viel länger, um sich fortzubewegen.
Umso schöner ist es für ihn im Saum, weil er dort Bewegungsfreiheit hat. Es erinnert also ein bisschen an Avatar. Da zwischen dem ersten und dem zweiten Band auch etwas Zeit vergangen ist, ging es Quinn im zweiten Band natürlich deutlich besser, sodass der Schwerpunkt der Handlung wieder auf der Fantasywelt und der Interaktion zwischen den Figuren lag.
Die Figuren
Obwohl der zweite Band wieder aus Quinns und Matildas Perspektive erzählt wird und sie somit beide die Funktion der Hauptfiguren haben, steht Matilda für mich in diesem Band mehr im Vordergrund, weil sie im Gegensatz zu Quinn vor größere Herausforderungen gestellt wird. Sie sieht sich mit ihren Ängsten konfrontiert und muss sich fragen, wie viel sie für ihre große Liebe riskieren wird.
Quinns Perspektiven waren für mich vor allem deswegen interessant, weil wir mit ihm im Saum unterwegs sind und neue Informationen bekommen. Dennoch hatte ich nicht den Eindruck, dass er sich groß weiterentwickelt. Das hat mich aber nicht gestört und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass die Handlung dadurch geschwächt wird.
Kerstin Gier führt im zweiten Band von Vergissmeinnicht neue Figuren ein, die vermutlich noch eine wichtige Rolle spielen. Interessant finde ich, dass die Figuren rund um den Saum eher Nebenrollen spielen, was auch dafür sorgte, dass ich mich nicht wirklich für sie interessierte. Nur eine Figur nimmt viel Raum ein und es ist unklar, welche Funktion sie in der Reihe haben wird. Aber genau das sorgt auch für Spannung.
Die Hörbuchgestaltung
Das Hörbuch ist ungekürzt sowohl als CD als auch im Download erschienen. Bei mir ist die CD eingezogen, die sich in einer Digifile Hülle befindet und damit auch optisch zum ersten Band passt. Ich habe festgestellt, dass die Hörbuchausgabe diesmal etwas teurer ist als die Buchausgabe. Ich hoffe sehr, dass sich die Preise bald wieder einpendeln und sich die Hörbuch- und Printausgaben preislich nicht mehr unterscheiden.
Als Sprecher*innen sind neben Jasna Fritzi Bauer in der Rolle als Matilda und Timmo Niesner, der Quinns Perspektive spricht, zwei neue Sprecher*innen mit an Bord, die wir aber nur in kurzen Rollen hören werden.
Anfangs war ich kurz über Jasna Fritzi Bauer und Timmo Niesner irritiert, weil ich beide fast nicht wiedererkannt hätte. Es ist nicht so, dass die beiden älter klingen. Mir ist nur bewusst geworden, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Band für mich gefühlt eine große Pause lag, in der ich vergessen hatte, wie die beiden klingen.
Jasna Fritzi Bauer hat eine vergleichsweise tiefe Stimmfarbe. Sie arbeitet Matildas Unsicherheiten und ihren Hang zu Ironie stimmlich sehr gut heraus. Dadurch hat sie mir Matilda als Figur auch etwas näher gebracht. Hier und da war mir ihre Interpretation etwas zu schlicht. Dennoch war die schlichte Betonung gut gewählt, da so der Fokus auf bestimmten Szenen liegt, in denen wir mit Matilda mitten im Konflikt sind.
Timmo Niesner kennen viele von euch wahrscheinlich als die deutsche Stimme von Eddie Redmayne, der den Newt Scamander in den Phantastischen Tierwesen Verfilmungen spielt. Er hat ebenfalls eine angenehme Stimmfarbe und überzeugt mich vor allem durch seine Betonung, da die Handlung dadurch an Dynamik gewinnt.
Wenn es mehrere zu besetzende Perspektiven in einem Hörbuch gibt, habe ich oft den Eindruck, dass Sprecher*innen gewählt werden, die sich stimmlich gut ergänzen. Jasna Fritzi Bauer und Timmo Niesner klingen von ihrer Interpretation zwar ähnlich, dennoch verschwimmen die Perspektiven nicht miteinander.
Ich traue mich jetzt nicht etwas über die anderen Personen zu schreiben, die ebenfalls als Sprechende mit an Bord waren, da sie in die Rolle neuer Figuren schlüpfen. Da müsst ihr euch vermutlich bis zu meiner Rezension des dritten Bandes gedulden.
Der Schreibstil
Kerstin Giers Schreibstil macht mir einfach Spaß. Da die Vergissmeinnicht-Reihe nicht ihre erste Fantasy Trilogie ist, versteht sie sich darauf, Fantasywelten aufzubauen und uns in fremde Welten mitzunehmen. Beeindruckt hat mich diesmal vor allem, wie Kerstin Gier Konflikte aufbaut und für eine Steigerung sorgt. Es sind oft naheliegende Themen, die sie aber gut und authentisch verpackt, sodass ich mit den Figuren gelitten und gehofft habe, dass sie gute Lösungen finden.
Was mir an Kerstin Giers Schreibstil ebenfalls sehr gut gefällt ist ihr Humor. Dieser kennzeichnet sich vor allem durch Situationskomik, Ironie an den richtigen Stellen und Übertreibungen, die sie nicht zu lange auskostet, sondern genau zum richtigen Zeitpunkt wieder auflöst.
Gesamteindruck
Mit Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war hat Kerstin Gier für mich eine tolle Reihenfortsetzung geschaffen, die mich neugierig auf den nächsten Band macht. Ich empfehle dieses Hörbuch nicht nur denjenigen unter euch, die Fantasyreihen mögen, sondern auch denjenigen, die selbst schreiben. Ihr lernt hier viel über Figurenentwicklung und Konflikte und auch wie ihr die Schritte der Heldenreise etwas anders anordnen könnt.
Infos zum Hörbuch
Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war
Geschrieben von: Kerstin Gier ist als ungekürztes Hörbuch sowohl als CD als auch als Download im Argon Verlag erschienen.
Es lesen: Jasna Fritzi Bauer, Timmo NIesner, Felicity Grist, Michael Schrodt
Bewertung: 5 von 5 Herzen
Hier findet ihr Infos über Kerstin Gier. (Der Link führt zur Autorinnenseite).
Hier findet ihr Infos über:
Jasna Fritzi Bauer (der Link führt zur Sprecherinnenseite).
Timmo Niesner (der Link führt zur Sprecherseite).
Michael Schrodt (der Link führt zur Sprecherseite).
Felicity Grist (der Link führt zur Sprecherinnenseite).
Dieses Hörbuch wurde mir kostenlos als Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!