Die Bücher, der Junge und die Nacht

Das Hörbuchcover von "Die Bücher, der Junge und die Nacht"
Bild von Argon Verlag

Der Inhalt

Es ist gar nicht mal so einfach, den Inhalt von diesem Hörbuch kurz zusammenzufassen. Die Bücher, der Junge und die Nacht wird auf mehreren Zeitebenen erzählt: Wir lernen Robert Steinfeld kennen. Er hat seine Liebe zu den Büchern zum Beruf gemacht, hilft bei Auflösungen von Bibliotheken und verkauft die Bücher dann weiter. Seine Eltern hat er nie kennengelernt. Sein Vater war einst Buchhändler, seine Mutter starb nach der Geburt. Als ihn seine Freundin Marie mit zu der Auflösung der Privatbibliothek eines Herrn Pallandt mitnimmt, staunen beide nicht schlecht, als sie Bücher finden, die von Roberts Vater Jakob gebunden wurden. Kann ihnen der Sohn des verstorbenen Verlegers vielleicht mehr über Roberts Vater erzählen?

Im zweiten Handlungsstrang reisen wir in das Leipzig der 1930er Jahre. Wir lernen den Buchhändler Jakob Steinfeld kennen, der gerade anstrengende Monate hinter sich hat und sich sehr darauf freut, seinen Beruf wieder ungestört auszuüben. Da kommt eine geheimnisvolle Frau in seine Buchhandlung, die ihn bittet ein Buch zu binden. Eine Bitte mit ungeahnten Folgen.

Was ich aber viel spannender fand war die Perspektive eines Jungen, der offenbar in Gefangenschaft groß wird. Er lebt in einem Fensterlosen Raum. Mitten in der Nacht erwacht er, riecht Rauch und hört Geräusche. Er muss aber feststellen, dass niemand kommt um ihn zu retten. Als ihm die Flucht gelingt, ahnt er noch nicht, dass ihm eine spannende und gefährliche Reise bevorsteht.

Die erste Hälfte des Hörbuches hat mir sehr gut gefallen. Hier erleben wir die Figuren auf der Spurensuche, finden gemeinsam mit ihnen Hinweise, oder landen mit ihnen an unguten, gefährlichen Orten. Aber ab der zweiten Hälfte ließ die Spannung für mich spürbar nach. Unsere Figuren reisten zwar immer noch viel umher, trafen aber vor allem auf andere Figuren, die ihnen Inhalte erzählen. Mir fehlte hier die aktive Handlung, wie wir sie in der ersten Hälfte des Hörbuches mitbekamen.

Das Thema Liebe zieht sich durch alle drei Handlungsstränge und wird auf verschiedene Weise dargestellt. Leider hat mir manchmal die Verknüpfung des Themas mit den einzelnen Handlungssträngen gefehlt. Alle Stränge laufen zwar irgendwann zusammen, aber worin die Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe bestand, habe ich nicht immer verstanden.

Die Bücher, der Junge und die Nacht bringt viel Potenzial mit, aber für mich ging vieles bei der Umsetzung verloren.

Die Hörbuchgestaltung

Es gibt nur wenige Hörbücher bei denen ich sagen kann, dass die Hörbuchausgabe einen klaren Mehrwert zur Buchausgabe hat. Bei diesem Titel hat die Hörbuchgestaltung maßgeblich dazu beigetragen, dass mich die Handlung packen konnte, auch wenn ich sie nicht immer nachvollziehen konnte.

Der Titel ist ungekürzt aber ausschließlich als Download und gekürzt auf CD im Argon Verlag produziert worden. Diesmal ist das gekürzte Hörbuch bei mir eingezogen. Ich hatte merkwürdigerweise nicht das Gefühl, dass mir Inhalt fehlt, oder dass es zu komischen Brüchen in der Handlung kommt. Dennoch bin ich natürlich neugierig, welche Inhalte weggelassen wurden.

Da wir drei Perspektiven haben hat sich der Argon Verlag auch dafür entschieden, dass die Handlung von drei Personen gelesen wird. Die Besetzung hat stimmlich wirklich gut miteinander harmoniert.
Was ich etwas schade fand war, dass im Intro nicht erklärt wurde, wer welche Perspektive liest. Allerdings kann ich gut nachvollziehen, dass es sehr schwierig ist, diese Angabe im Intro unterzubringen, weil die Perspektiven ja auf verschiedenen Zeitebenen spielen und somit eine Spoilergefahr bestanden hätte.

In die Rolle von Robert Steinfeld, der sich auf die Spuren seiner Vergangenheit begibt, schlüpft Johann von Bülow. Er hat mich wirklich positiv überrascht, weil er in seiner Perspektive ziemlich viele Monologe hat. Er schafft es, diese Monologe so gut zu interpretieren, dass ich manchmal völlig vergessen hatte, dass wir mitten in einem Monolog sind. Ich konnte mir die Szene bildhaft vorstellen.

Maria Koschny liest die Perspektive des Jungen, der durch einen Zufall von seiner Gefangenschaft befreit wird. Sie schafft es auf der einen Seite die Härte der Personen herauszuarbeiten, die sich dem Jungen annehmen, aber auf der anderen Seite die Zerbrechlichkeit und Liebe des Jungen in Worte zu fassen.
Als ich mit Simon Jäger gemeinsam in Jakobs Perspektive abtauchte, hatte ich fast ein bisschen Thriller Atmosphäre. Jakobs Leben ändert sich auf einen Schlag und er wird in einen kleinen Strudel hineingezogen. Da ich inzwischen einige Hörbücher gehört habe, die von Simon Jäger gelesen werden, fällt es mir schwer, Worte zu finden um seine Art der Interpretation zu beschreiben. Seine Lesung hat mir gut gefallen und er hat mir Jakob als Hauptfigur näherbringen können.

Der Schreibstil

Was mich bei Kai Meyers Schreibstil beeindruckt hat ist, dass er drei Erzählperspektiven miteinander verbindet: Roberts Perspektive wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Wenn wir in Jakobs und in der Perspektive des Jungen sind, erzählt Meyer aus der dritten Person. Allerdings schafft er es, die Perspektive des Jungen zu erzählen, ohne einmal seinen Namen zu verwenden. Er nennt ihn nur den Jungen oder er. Interessant fand ich, dass das über einen ganzen Roman gut funktioniert hat und ich an keiner Stelle das Gefühl hatte, von Wortwiederholungen umgeben zu sein.

Etwas überrascht hat mich, dass Meyers Schreibstil in der zweiten Hälfte mehr ins Erzählende übergegangen ist. Durch das Hörbuch wurde das für mich gut aufgefangen. Ich befürchte, wenn ich den Roman als Buch gelesen hätte, wäre es mir ab da zu langweilig geworden.

Gesamteindruck

Die Bücher, der Junge und die Nacht ist eine spannende kurzweilige Geschichte, die uns nicht nur etwas über die Literaturwelt in den 1930er Jahren verrät, sondern uns auch auf eine spannende Reise mitnimmt.
Wenn ihr Romane mögt, in denen Familiengeheimnisse gelüftet werden, solltet ihr euch dieses Hörbuch mal genauer anschauen.

Infos zum Hörbuch

Die Bücher, der Junge und die Nacht
Geschrieben von: Kai Meyer
Es lesen: Maria Koschny, Johann von Bülow und Simon Jäger.
Bewertung: 3 von 5 Punkten


Das Hörbuch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenlos vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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