Wie war’s beim digitalen litcamp21?

Gelbe Fläche, die mit einem Reißverschluss aufgezogen wird. Heraus schaut eine große Menschengruppe, die wir aus der Vogelperspektive sehen.
Bild von A. Mack

Hallo Buchlinge, 
es ist schon eine Weile her, seit ich euch das letzte Mal von einer Veranstaltung erzählt habe. Dabei habe ich inzwischen das ein oder andere digitale Event besucht. Vergangenes Wochenende fand das digitale Literaturcamp, kurz litcamp, statt. Ich war diesmal das erste Mal offiziell mit dabei. Bisher habe ich das Literaturcamp in Heidelberg immer ausschließlich über einen Livestream verfolgt. In diesem Jahr gönnte ich mir ein Ticket. Was ich auf dem digitalen Litcamp erlebt habe und wie es mir gefallen hat, erzähle ich euch jetzt. 


Daten und Fakten 
Was: digitales LIteraturcamp
Wann: von Samstag 10.04 9-16 Uhr, Sonntag 11.04 9-16:30 Uhr. 
Wo: Über die Plattform venueless.
Preis: 15 Euro (Normalpreis), 20 Euro (Supportticket). 
Ich habe das Supportticket gekauft. 
Literaturcamp – Was ist das? 
Das Literaturcamp funktioniert nach dem Barcamp Charakter. Alle Teilnehmenden gestalten das Literaturcamp mit. Die Besucher:innen des Barcamps helfen beispielsweise beim Auf- und Abbau, oder anderen Dingen, die bei einem Präsenz- oder digitalen Literaturcamp anfallen. (Beim Präsenzcamp gibt es beispielsweise noch einen Einlass, beim digitalen Literaturcamp unterstützten die Helfenden vor allem beim technischen Einrichten der Sessionräume). 
Zu Beginn jeden Tages wird festgelegt, wer Sessions zu bestimmten Themen halten möchte. Sessions können aus reinen Präsentationen, einem kurzen Input und anschließender Diskussion oder einem Workshop bestehen. Alle, die gerne eine Session halten wollen, stellen diese im Rahmen der Sessionplanung in wenigen Sätzen vor. 
Bei Präsenzcamps melden sich die Zuhörenden, wenn sie Interesse an einer Session haben. Das alleinige Melden verpflichtet aber nicht zum tatsächlichen Besuch der Session. Es geht vor allem darum, anhand der Tendenz festzulegen, in welchem Raum die Session stattfinden soll. 
Beim digitalen Literaturcamp hingegen, konnte frei zwischen den acht bestehenden Sessionräumen gewählt werden.  
Wie der Name Literaturcamp schon sagt, geht es in den einzelnen Sessions vor allem um Themen, die etwas mit Literatur zu tun haben. Beim Literaturcamp sind meist viele Veranstaltungen dabei, die auch für Autor:innen geeignet sind. 
Die digitale Location 
Die Plattform auf der das digitale Litcamp stattfinden sollte, wurde am Freitag Abend freigeschaltet. Das war für mich ziemlich praktisch, weil ich mich so in Ruhe orientieren konnte und genug Zeit blieb, mein Profil einzurichten. 
An Plattformen für digitale Events habe ich bisher vor allem Erfahrung mit Hopin und Veertly sammeln können. Venueless hat einen ähnlichen Aufbau. Links erwartete uns eine Menüleiste, auf der die verschiedenen virtuellen Bühnen und Räume aufgelistet sind. 
Es gab eine Willkommensbühne an der es am Morgen ein gemütliches Ankommen und am Ende des Tages eine Abschlussrunde gab. Hier waren die beiden Gastgebenden Suse und Mari per Video zugeschalten. Die anderen Teilnehmenden konnten sich im Chat austauschen. Für die Sessionplanung oder auch für den Austausch konnte Suse immer wieder Teilnehmende des Literaturcamps in den Videochat dazu holen. 
Außerdem gab es wie bereits erwähnt acht Sessionräume, die nach den Sponsor:innen des Literaturcamps benannt waren. Obwohl das Literaturcamp digital stattfand fielen Kosten für die Plattform an. Zudem gab es auch einen speziellen Bereich, in dem die Sponsor:innen Material zu ihren Unternehmen veröffentlicht haben. 
Die Sessionräume waren nach den Sponsor:innen benannt, was ziemlich praktisch war. So mussten zum einen keine Namen ausgedacht werden und zum anderen kam man so automatisch über die Sponsor:innen ins Gespräch. Bevor man die Sessionräume betrat, wurde man gefragt, ob man der Session mit Audio oder nur als zuhörende Person beitreten möchte. Die Leute, die eine Session gehalten haben, hatten meist eine Webcam eingeschaltet, oder, falls vorhanden, eine Präsentation eingeblendet. 
Für beide Sessiontage gab es jeweils ein Padlet, auf dem sich diejenigen eintragen konnten, die eine Session halten wollten. Ich fand es ziemlich clever, dass Venueless das Einbinden bereits bestehender Tools ermöglichte und das Rad so nicht neu erfunden werden musste. 
Sehr beliebt beim digitalen Literaturcamp war das Chatroulette. Da ich das Roulette nicht getestet habe, kann ich euch nicht im Einzelnen erklären, wie es funktioniert. Auf Twitter habe ich mitbekommen, dass es die Teilnehmenden per Zufallsgenerator zusammengebracht hat, was ziemlich praktisch ist, da man so neue Leute kennenlernen kann oder bereits bekannte Gesichter wiedertrifft. Das Chatroulette wurde vor allem in der Mittagspause von vielen Teilnehmenden genutzt. 
Die Sessions 
Die Buchlinge unter euch, die schon sehr lange mitlesen, können sich wahrscheinlich noch an meine Buchmessen-Berichte im XXL Format erinnern. Bei Twitter habe ich zu jeder von mir besuchten Session einen Liveticker veranstaltet. Deswegen werde ich nur ein paar Eindrücke zu den jeweiligen Sessions schreiben und euch aber alle Threads auf Twitter verlinken, falls ihr euch für mehr Inhalte interessiert. 
Mythbusting: Psychologie & Justiz
Elea Brandt erzählte uns in dieser Sessions von vielen Dingen, die sie in Krimis oder Thrillern stören, was hauptsächlich daran liegt, dass schlecht recherchiert wird, oder sich Autor:innen nicht bewusst über ihre Sprache sind. Deswegen definierte Elea Brandt noch einmal Begriffe wie beispielsweise Psychopathie und stellte klar, dass nicht alle Psychopath:innen gleichzeitig Mörder:innen sind. Zudem gab es einen kleinen Ausflug in das Krankheitsbild der Schizophrenie. 
Was mir an der Präsentation besonders gut gefiel war vor allem die Struktur. Ich konnte der Präsentation wunderbar folgen, obwohl ich keinen Blick auf die Präsentation geworfen habe. 
Jüdische Repräsentation 
Diese Session wurde von Rachel gehalten, die selbst Jüdin ist. Schon bei ihrer Vorstellung räumte sie mit dem ersten Klischee auf: Als Jüdin geboren zu sein, heißt nicht gleichzeitig, dass man auch religiös ist. Rachel meinte, dass die Grenze zwischen Religion und dem Judentum als Kultur fließend ist und das jede:r diese Grenze für sich selbst definiert. Was sie vor allem an der jüdischen Repräsentation in Filmen und Büchern stört, ist die einseitige Darstellung. Meist gibt es das Judentum nur im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Rachel wünscht sich mehr Vielfalt in der Darstellung. 
Diese Session hat mir sehr gut gefallen, weil Rachel sehr offen für Fragen war und auch erzählte, was sie sich von der Gesellschaft wünscht. 
Leserunden digital gestalten
Jennifer von Lesen in Leipzig wollte sich zum Thema Leserunden austauschen. Sie erzählte, wie sie ihre Leserunden organisiert und was aus ihrer Sicht für eine Leserunde wichtig ist. Hier stand also vor allem der Austausch und weniger der Input im Vordergrund. 
Auf Jennifer bin ich vor einer Weile durch Twitter aufmerksam geworden. Außerdem hat sie meinen Debütroman rezensiert. Deswegen freute ich mich, sie beim Literaturcamp live und nicht nur im schriftlichen Austausch zu erleben. 
Gute Alternativtexte 
Update / Korrektur: Mari, die Gastgeberin Suse bei der Moderatorin unterstützte, wünschte sich eine Veranstaltung zum Thema Alternativtexte. Alternativtexte sind Texte, die blinden oder sehbehinderten Menschen von einem ScreenReader vorgelesen werden, wenn sie hinterlegt wurden. Mari fragte sich, wie ausführlich eine Bildbeschreibung sein sollte. Die kurzfristige Session wurde von jemandem übernommen, der Informatik studiert hat und das Thema daher aus der Sicht eines Informatikers beurteilen konnte. 
Ihr könnt euch wahrscheinlich denken, dass ich ordentlich im Chat mitgemischt habe. In diesem kleinen Thread habe ich am Vormittag schon etwas zum Thema Alternativtext geschrieben. 
Religion in der Fantasy schreiben 
Mari ist Theologin und erzählte uns am Sonntagmorgen worauf wir achten sollen, wenn wir Religion in unseren Fantasybüchern einbauen. Sie stellte in ihrer Präsentation viele Fragen, räumte mit Klischees auf und stellte klar, welche Klischees sie in Fantasyromanen nicht (mehr) lesen möchte. 
Für mich, die eigentlich kein Fantasy mehr liest, war die Veranstaltung sehr spannend und auch inspirierend. 
Hier gibt es meinen Thread zur Veranstaltung
Wie können nichtweiße Personen in Fantasyliteratur beschrieben werden? 
Autorin Nora Bendzko klärte in ihrer Präsentation nicht nur über Fachbegriffe auf, sondern sprach auch über die Diskriminierung die People of Colour in der Gesellschaft und auch der Literatur immer wieder erleben. So erfuhren wir beispielweise, dass sich die Word of Warcraft Community massiv dagegen wehrte, dass es in dem Spiel auch Elfen of Colour geben sollte. (Mich machte es ziemlich wütend, dass es Menschen gibt, die offenbar ein Problem mit Elfen of Colour haben). 
Eine sehr spannende Präsentation bei der ich aufgrund fehlender Fachbegriffe mit dem Twittern leider nicht so gut hinterher kam, wie bei anderen Sessions. 
Booktastica – Die interaktive Onlinebuchmesse 
Diese Session hat mich ziemlich begeistert, weil mir die Idee so gut gefällt. Juliana Fabula und Jana Tomy sind zwei der vier Veranstalter:innen der Booktastica. Sie haben die Messe ins Leben gerufen, weil ihnen bei den bereits bestehenden Angeboten zum einen die Übersichtlichkeit, aber auch die Interaktion unter den Teilnehmenden fehlte. Die Messe soll also nicht nur dazu dienen, neue Autor:innen, Verlage, Initiativen und Bücher zu entdecken, sondern auch dabei helfen, sich zu vernetzen. Es soll beispielsweise ein Stand-Roulette geben: Ihr gebt in eurem Profil Themen an, die euch interessieren und werdet dann zu einem Stand gebracht, der eure Themen abdeckt. Kommende Woche wird es noch einen Blogbeitrag geben, in der ich euch die Booktastica und die Veranstaltungen vorstellen werde, die ich mir anschauen werde. 
Anthologien herausgeben 
Ja, Buchlinge, ich gebe es ja zu. Insgeheim träume ich davon, eines Tages mal eine Anthologie herauszugeben. Roxane Bicker und Sarah Mahlus gehören zu den Münchner Schreiberlingen. Eine Autor:innengruppe, die immer wieder Anthologien herausbringt und auch Texte von Autor:innen sucht, die nicht aus München kommen oder zu den Schreiberlingen gehören. Bei der Veranstaltung teilten sie nicht nur ihre Erfahrungen bei der bisherigen Produktion der Anthologien, sondern machten auch Werbung für ein eBook, in dem sie sich ebenfalls dem Thema Anthologien widmen. 
Mental Health Repräsentation in Büchern 
Murphy Malone, selbst Psychologie Studentin, beleuchtete das Thema Mental Health aus der psychologischen Perspektive. Sie sprach über die Definition von Mental Health, Stigmatisierung und Stereotypen. Was für mich neu war: Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Mental Health ein neumodischer Begriff für psychische Erkrankung ist. Obwohl im chat sehr viel los war, hat Murphy meine Frage gesehen und den Unterschied von psychischen Erkrankungen und Mental Health herausgearbeitet. 
Fazit zu den Sessions
Wie ihr lesen könnt, habe ich mich bei diesem Litcamp mit Themen auseinandergesetzt, denen ich bisher eher aus dem Weg gegangen bin. Ich habe nun eine neue Perspektive auf die Themen bekommen und kann einige Gedanken zu den Themen nun deutlich besser nachvollziehen. 
Überrascht war ich vor allem von der inhaltlich hohen Qualität der Sessions. Diejenigen, die eine Session gehalten haben, haben das ehrenamtlich getan und somit keine Vergütung bekommen. Die meisten Sessions hatten für mich aber durchaus eine Vorlesungs-Qualität. 
Die Stimmung 
Woran ich merke, das Litcamp ist? Ich habe an den Tagen, an denen die Veranstaltung stattfindet, meistens innerhalb weniger Stunden über 20 Benachrichtigungen bei Twitter. Das spricht vor allem dafür, wie viel über die Veranstaltung getwittert wird und wie hoch die Interaktion auf Twitter ist. Der Austausch auf Twitter macht mir tatsächlich am meisten Spaß. Die Tweets zeigen, dass den meisten Teilnehmenden das Litcamp sehr gut gefallen hat und sie sich gefreut haben, ihre Freund:innen zumindest digital für zwei Tage wiederzutreffen. 
Mein Fazit zum Litcamp21
Wie meine ehemalige Co-Autorin Isona in ihrem Litcamp Bericht von 2018 bereits festgestellt hat, ist es schwierig mit den alten Häs:innen in Kontakt zu kommen, wenn man neu und eher der ruhige Typ ist. Das ist aber keiensfalls als Vorwurf gemeint. 
Meine Motivation am Litcamp teilzunehmen war also nicht, nach der Veranstaltung ein Adressbuch voller neuer Kontakte zu haben, sondern vor allem interessante Sessions zu besuchen, ein paar Leute, die ich von Twitter kenne im Rahmen einer Session zu erleben und mit viel Glück ein zwei neue Kontakte zu knüpfen.
Mir hat das LItcamp-Wochenende sehr viel Spaß gemacht. Es gab spannende Sessions, deren Input ich nicht nur interessant, sondern teilweise auch sehr inspirierend fand. Außerdem habe ich zwei Menschen im Rahmen von Sessions erleben dürfen, die ich bisher nur durch Twitter kannte. 
Als bei der Abschlussrunde also die Frage nach einem erneuten digitalen Litcamp gestellt wurde, war bzw. ist mein Interesse nach wie vor sehr groß. Ich kann die Veranstaltung sehr weiterempfehlen. 
Und Du? 
Warst Du schon mal bei einem Literaturcamp oder einer vergleichbaren Veranstaltung mit dabei? 
Wie waren deine Erfahrungen? 

2 Gedanken zu „Wie war’s beim digitalen litcamp21?“

  1. Lieber Karl-Heinz,
    vielen Dank für deine Rückmeldung und fürs vorbeischauen. Es freut mich sehr, dass dir mein Artikel gefallen hat.
    Ich wünsche dir noch ein schönes, restliches Wochenende!
    viele Grüße
    Emma

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