Wie arbeite ich mit einer Gesetzessammlung?

Zwei Personen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich dabei gegenseitig.
Bild von: Emma Zecka

Hallo zusammen,

für Sozialarbeitende bieten die Gesetzestexte eine wichtige Grundlage für die Arbeit in der Praxis. Deswegen begegnen uns im Studium verschiedene Module rund um das Thema Sozialrecht in beinahe jedem Semester.

Mich hat das Arbeiten mit der Gesetzessammlung jede Menge Arbeit (und Nerven) gekostet. Ich hatte lange keinen Plan, wie ich mich gut auf die Prüfungen im Sozialrecht vorbereiten kann.

Deswegen dachte ich mir, dass ich, nach geglückter Klausur, eine Art Tutorial- Artikel schreibe, indem ich euch ein paar Tipps und Tricks verrate, die euch in der Praxis vielleicht auch helfen können.

Vorab: Ich orientiere mich hier an der Gesetzessammlung Gesetze für Sozialberufe  welche halbjährlich im Frankfurter Fachhochschulverlag erscheint. Wer sehbehindert bzw. blind ist, kann diese dort als PDF Dokument zum Normalpreis kaufen.
Außerdem möchte ich euch raten, euch erstmal jede Menge Geduld zuzulegen. Wir müssen die Paragraphen nicht nur inhaltlich verstehen, sondern die Sammlung erstmal so formatieren, dass wir überhaupt damit arbeiten können.

Konvertieren und Formatieren

Wenn ihr eurem PDF Reader erzählt, dass ihr jetzt eine Gesetzessammlung öffnet, die über 2.000 Seiten hat, wird er sich entspannt zurücklehnen und sagen: “Denkste! Ich mach hier gar nichts.”

Obwohl ich einen recht neuen Laptop mit gutem Arbeitsspeicher habe, hat sich das Dokument aufgrund seiner Größe regelmäßig verabschiedet. Daher musste eine andere Lösung her.

Erstmal habe ich mir das Dokument von PDF in Word konvertiert. Und zwar mit dem Adobe Acrobat Creator. Den Creator habe ich mir in einer Testversion heruntergeladen.

Allerdings war danach noch lange nicht alles perfekt. Die Formatierung sah immer noch sehr bescheiden aus. (Schlecht lesbare Schriftart, einzelne Buchstaben waren fett formatiert, Umlaute wurden nicht angezeigt). Hinzu kam auch, dass Word ebenfalls nicht gut auf große Dokumente zu sprechen ist.

Also neue Etappe: Die 2.000 Seiten in einzelne Dokumente zerpflücken und so, wie in der gedruckten Buchausgabe anordnen. Bei mir sieht das dann so aus:

Hauptordner: “Gesetzestext” mit folgenden Unterordnern:
Arbeitslosenrecht
Arbeitsrecht
Behindertenrecht
usw.

In den jeweiligen Unterordnern sind dann die Gesetzesbücher, die zum Thema gehören. Hierbei haltet ihr euch einfach an das Inhaltsverzeichnis des Buches.

Das Inhaltsverzeichnis habe ich in ein separates Worddokument gepackt, falls ich mal vergesse in welchem Ordner sich welches Gesetzesbuch befindet z.B. das das SGB IX (= 9) zum Behindertenrecht gehört.

Zur Formatierung

Lange war ich mir nicht sicher, wie ich die Gesetzessammlung formatieren soll. Ich wollte die Dokumente schließlich nicht mit einer falschen Formatierung vernichten. Mit folgender Formatierung kann ich die Texte gut lesen. (Nicht vergessen, ich nutze ja auch ne Vergrößerung = Bildschirmlupe).

Schriftgröße: 8,5 pt, Überschriften 9,5 pt
Schriftart: Arial
Zeilenabstand: 1 1/2 zeilig
Die Überschriften der jeweiligen Paragraphen habe ich unterstrichen und fett formatiert, um besser erkennen zu können, wann ein neuer Paragraph beginnt.

Alleine fürs konvertieren und formatieren habe ich schätzungsweise 30 Stunden, wenn nicht sogar mehr Zeit, gebraucht. Um euch die Zeit etwas angenehmer zu gestalten, empfehle ich euch gute Musik zu hören oder zu einem Hörbuch zu greifen. Allerdings darf das nicht zu sehr von der eigentlichen Aufgabe ablenken.

Markieren und Querverweise erstellen

Wenn alles nach Plan läuft, habt ihr nun eine Gesetzessammlung mit der ihr arbeiten könnt. Nun muss aber noch jede Menge markiert werden. Schließlich könnt ihr keine 2.000 Seiten Text auswendig lernen.

Vorab: Manche Gesetzesbücher haben trotz Dokument Zerlegung über 100 Seiten. Um zum gesuchten Paragraphen zu kommen, drückt ihr die, euch wahrscheinlich bereits bekannte, Tastenkombination STRG + F. Hier öffnet sich ein Suchfeld, in das ihr das, was ihr sucht eingeben könnt.
Tipp: Hier nicht nach Wörtern, sondern nach Paragraphen suchen. Bei Wörtern werdet ihr nie fertig.

Wie ich beim Markieren einzelner Paragraphen vorgegangen bin, erkläre ich euch anhand von §35a Satz 1 “Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche” aus dem SGB VIII ( = 8).

In §35a Satz 1 SGB VIII steht Folgendes:

Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Frage: Welche Formulierungen sind wichtig?

Das wird u.a. anhand der Voraussetzungen bestimmt. Was genau Voraussetzungen sind, werdet ihr in euren Lehrveranstaltungen lernen.
Vereinfacht gesagt: Es sind Formulierungen, oft einzelne Wörter, die ihr braucht, um die Fälle in der Praxis lösen zu können.

Zum Thema Querverweise: Querverweise setzt ihr dann, wenn es andere Paragraphen gibt, in denen manche Begriffe definiert werden, oder in denen andere Informationen zum Paragraphen stehen, den ihr gerade vor euch habt.
Im Fall des oben genannten Beispiels habe ich mir unter anderem folgende Formulierungen markiert:

“Kind oder Jugendlicher” ?
Wer “Kind oder Jugendlicher” ist, wird nämlich in §7 SGB VIII definiert. Deswegen habe ich mir hier einen Kommentar eingebaut. Das heißt, ich habe die Wörter markiert und dann mit der Tastenkombination STRG + ALT + K das Kommentarfeld erzeugt, in das ich den Querverweis geschrieben habe.

Da in Klausuren zwar Querverweise aber kein Fließtext erlaubt sind, trage ich einfach nur “§7 SGB VIII” ein. Würde ich nur §7 ohne das dazugehörige Buch eintragen, wüsste ich nicht, in welchem Gesetzesbuch ich suchen muss.

Mein Fazit

Zu allererst braucht ihr eine Gesetzessammlung, die ihr lesen könnt. Plant genug Zeit für die Formatierung ein, damit ihr nicht, wie ich, Monster PC Schichten einlegen müsst, damit ihr rechtzeitig fertig werdet.

Danach kommt die Detailarbeit. Ihr markiert die einzelnen Wörter in den Paragraphen so, dass ihr sie in der Klausur sicher von unwichtigen Wörtern unterscheiden könnt.
Kurzum: Ihr müsst überhaupt nichts auswendig lernen, sondern euch nur gut vorbereiten.

In der Praxis bzw. Arbeiten in der Vorlesung

Obwohl ich mir die Gesetzessammlung gut aufbereitet habe, habe ich in den Vorlesungen nur wenig in die Bücher geschaut. Das lag einfach daran, dass ich immer noch zu langsam war, um in der selben Geschwindigkeit an die passende Stelle zu springen.
Mein Vorteil hier war, dass die gesuchten Paragraphen oft laut vorgelesen wurden und ich so trotzdem mit überlegen konnte.

Anmerkung aus dem Berufsleben

(Stand Dezember 2023)

In meinem Berufsalltag arbeite ich nicht mit einer Gesetzessammlung, sondern suche die Gesetze, die ich brauche direkt im Internet. Hier gibt es die tolle Quelle von juris online, welche die verschiedenen Gesetzestexte immer aktuell hält. Gebt bei Google einfach den Namen des Gesetzes und den Zusatz “Gesetze im Internet” ein und ihr kommt an euer Ziel.

Und Du?

Hat Dir das weitergeholfen?
Nun die bekannte Frage: Wie sinnvoll findest du diesen Artikel? Wurden deine Fragen beantwortet?
Nein? Dann ab in de Kommentare!

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Zu meiner Person

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte
  • Kann keinen Blickkontakt aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht

 

Eine Auswahl von Artikeln, die in dieser Rubrik bereits erschienen sind:

Wie bewerbe ich mich für einen Studienplatz oder eine Ausbildung?
Wo und wie beantrage ich Hilfsmittel?
Umgang mit der Sehbehinderung

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