Was muss ich für Prüfungen beachten? Tipps für den Nachteilsausgleich

Zwei Personen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich dabei gegenseitig.
Bild von: Emma Zecka

Hallo zusammen,

heute beschäftige ich mich mit dem Thema einen Nachteilsausgleich im Rahmen des Studiums beantragen. Ich erzähle euch, was der Nachteilsausgleich eigentlich ist und warum der Nachteilsausgleich Studierenden mit Behinderung das Studium, insbesondere die Sache mit den Prüfungen erleichtern kann.

Nachteilsausgleich: Was ist das?

Aufgrund eurer Behinderung habt ihr bestimmte Nachteile. Das hat nichts mit Mitleid erregen zu tun. Es sind einfach Fakten, die sich nicht leugnen lassen:
Beispielsweise kann ein blinder Student bei Prüfungen nicht einfach, wie seine vollsehenden Kommilitonen, mal eben so den Multiple Choice Test per Hand ankreuzen und abgeben, weil er schon daran scheitert, dass er die Fragen nicht lesen kann, die auf dem Blatt Papier stehen.

Deswegen müssen Sonderregelungen gefunden werden, damit Studierende mit Behinderung zu gleichen Bedingungen an den Prüfungen teilnehmen können.

Daher ist es wichtig, dass ihr, sobald ihr euer Studium aufgenommen habt, einen Nachteilsausgleich für Prüfungen beantragt. Denn, wenn ihr nicht gerade in Marburg studiert, ist so ein Antrag DRINGEND notwendig, um euch die Chancengleichheit zu garantieren.

Wer keinen Nachteilsausgleich stellt, muss die Prüfungen oder Hausarbeiten zu den Bedingungen erbringen, die in der Studienprüfungsverordnung festgehalten sind.

Das kann beispielsweise bedeuten, dass ihr Hausarbeiten innerhalb einer bestimmten Zeit abgeben müsst. wenn ihr den zeitlichen Rahmen nicht einhalten könnt, gilt die Hausarbeit als nicht bestanden.

Wie sieht ein Antrag auf Nachteilsausgleich aus?

Der Antrag besteht aus folgenden Teilen:

Teil 1: Einleitung

Wer seid ihr? In welchem Studiengang seid ihr eingeschrieben? In welchem Fachsemester seid ihr? Und was wollt ihr vom Prüfungsamt?

Teil 2: Eure Behinderung

Was für eine Behinderung habt ihr? Wie wirkt sich die Behinderung auf die zu erbringende Prüfungsleistung aus? Hier könnt ihr ggf. den Abschnitt aus eurem Härtefallantrag übernehmen. Schließlich müsst ihr das Rad nicht neu erfinden.

Teil 3: Was ihr braucht

Welche Form der Unterstützung beantragt ihr?
Also nicht: Ich beantrage einen Nachteilsausgleich. sondern: Ich benötige Hilfsmittel XY um an der Prüfung teilzunehmen.
Warum soll euch diese Unterstützung gewährt werden? Begründet eure Forderungen glaubhaft. Vergesst hierbei nicht, dass euer Gegenüber kein Fachmann für eure Behinderung ist. Er hat höchstwahrscheinlich überhaupt keine Erfahrung, weiß also nicht, welche Hilfen angemessen und welche völlig fehl am Platz sind.

Teil 4: Nachweis Schwerbehinderung oder gleichwertiges Gutachten

Diejenigen unter euch, die einen Schwerbehindertenausweis besitzen, haben es hier einfach. Macht eine Kopie und legt diese bei. Somit ist eure Schwerbehinderung bestätigt.

Wer (noch) keinen Schwerbehindertenausweis besitzt, sollte ein fachärztliches Gutachten beilegen, das eure Aussagen bestätigt und bekräftigt was ihr braucht.

Vergesst auch hier nicht: Es geht nicht um irgendwelche fachchinesischen Begriffe. Versucht in möglichst wenig Worten auf den Punkt zu kommen.

Ein Musterbeispiel

Im folgenden Abschnitt liefere ich euch mal ein paar Formulierungshilfen, wie ihr so einen Antrag aufbauen könnt. Diese habe ich aber bewusst sehr offen gehalten, da Behinderungen und Bedürfnisse ja bekanntlich ziemlich weit auseinander gehen.

EINLEITUNG:

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich, Emma Zecka, Studentin des Studiengangs X in Fachsemester Z, einen Nachteilsausgleich für schriftliche Prüfungen (ggf. Hausarbeiten, mündliche Prüfungen).

EURE BEHINDERUNG

Seit meiner Geburt bin ich / habe ich … das heißt das ich im Studium mit folgenden Hilfsmitteln arbeite, die …
Mein Sehrest beläuft sich auf… Texte kann ich ohne Hilfsmittel X und Y nicht lesen, weil…

WAS IHR BRAUCHT:

Um mir das Arbeiten zu erleichtern beantrage ich … Mit Hilfsmittel X kann ich …

Wichtige Hinweise:

Zum Schluss gibt es noch ein paar wichtige Hinweise:

Hinweis 1: Macht euch unbedingt vorab Gedanken was ihr braucht.

Hilft es euch beispielsweise eine schriftliche Klausur am Laptop zu schreiben? Oder seid ihr motorisch so eingeschränkt, dass ihr eine mündliche Prüfung benötigt? Wie sieht das mit Grafiken aus? Könnt ihr diese noch erkennen? Oder muss sie euch jemand beschreiben? Welche Vorgaben hat eure Prüfungsordnung? Gibt es überhaupt eine Frist für Hausarbeiten?

Hinweis 2: Formatierung

Ähnlich wie beim Bewerbungsschreiben gibt es auch hier eine zu beachtende Formatierung.

Rechts oben: Eure Anschrift
Links darunter: Die Anschrift der Hochschule / Universität
Rechts: Das aktuelle Datum
Zentriert: Die Überschrift also z.B. “Nachteilsausgleich für Prüfungen”

Dann kommt euer Anschreiben.

Hinweis 3: Veränderungen

Im Laufe eures Studiums kann es vorkommen, dass sich gewisse Dinge ändern. Beispielsweise schreibe ich im dritten Semester meine erste Klausur in Recht. Bei meinem ersten Nachteilsausgleich konnte ich noch nicht ahnen, dass mir ein zweitausendseitiges Schwarzschriftbuch in einer zeitlich begrenzten Prüfung nicht viel bringen würde. Deswegen habe ich nochmal einen Antrag gestellt.

Merkt euch also: Wenn sich die Bedürfnisse ändern, stellt ruhig noch einen Antrag.

Hinweis 4: Macht Vorschläge

Verfallt nicht in den “ich bin behindert bitte helft mir”-Modus, sondern liefert gleich konstruktive Vorschläge, welche Voraussetzungen ihr braucht, um die Prüfungsleistung erbringen zu können. So kann sich das Prüfungsamt überlegen, ob diese mit den Regeln der Hochschule vereinbar sind und ihr könnt, je nachdem, gemeinsam einen Kompromiss erarbeiten.

Beispiel:

Ich habe in meinem ersten Antrag vorgeschlagen, die Klausuren an meinem eigenen Laptop zu schreiben, da ich mit dem Gerät vertraut bin. Ich habe von befreundeten Studierenden aus Marburg gehört, dass das durchaus funktionieren kann, wenn man den Laptop am Tag vor der Prüfung bei der Hochschule abgibt und sicherstellt, dass keine eigenen Dateien auf dem Gerät sind.

Das Prüfungsamt stimmte meinem Vorschlag nicht zu, bot mir aber stattdessen an, auf einem Laptop der Hochschule zu schreiben, der mit der vorinstallierten Bildschirmlupe ausgestattet war. Am Tag der Prüfung war zudem jemand von der IT anwesend, der mit mir das Gerät konfigurierte, was innerhalb von wenigen Minuten möglich war.

Noch Fragen?

Her damit: Entweder könnt ihr sie hier in die Kommentare schreiben, oder mir auch eine Mail schicken.

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Zu meiner Person:

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte
  • Kann keinen Blickkontakt aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht

In diesem Sinne, bis bald!

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