Rentierfieber XXL Leseprobe – Kapitel 2

Das Cover von "Rentierfieber". Ein freundlich lächelndes Rentier, das sich in einer Schneelandschaft befindet und auf dich zugelaufen kommt. Im Geweih hat es eine Weihnachtsmannmütze. Oberhalb im Himmel steht der Titel "Rentierfieber" auf dem sogar etwas schnee liegt. Darüber steht "Emma Zecka"
Bild von: Emma Zecka

Kapitel 2

4. Dezember: in einer Stadt, deren Namen nicht genannt werden wird. Vor einem großen Gebäude

»He, Mann! Steh gefälligst auf. Du kannst hier nicht einfach so herumliegen! Schon mal auf die Uhr geschaut?«
Der Weihnachtsmann grummelte etwas in seinen Bart und fragte sich, seit wann die Elfen einen solch harschen Ton anschlugen.
»Hörst du mir überhaupt zu, oder muss ich erst die Polizei rufen?«

Polizei? Mit einem Schlag war der Weihnachtsmann hellwach.
Er war nicht in Christstollen. Und es sprach auch kein Elf zu ihm. Er öffnete die Augen und hätte sie am liebsten sofort wieder geschlossen. Ein Mann, den der Weihnachtsmann beinahe für einen Riesen gehalten hätte, leuchtete ihm mit einer grellen Taschenlampe direkt ins Gesicht.
Der Weihnachtsmann rappelte sich auf und blickte sich um. Die Matte, auf der er gereist war, war verschwunden. Genau wie das Abflussrohr und der Wald, der Christstollen umgab.

Er drehte sich einmal um die eigene Achse und stellte fest, dass er vor einem großen gläsernen Gebäude gelandet war. Von Schnee war weit und breit keine Spur zu sehen. Aber kalt war es trotzdem.
»Wo bin ich?«, krächzte er. Der Weihnachtsmann riskierte einen Blick nach oben, aber er konnte nicht erkennen, wo das Gebäude endete. Das ist ja fast noch bedrohlicher als das Abflussrohr, dachte er. Der Himmel war dunkel, und der Weihnachtsmann fragte sich verwirrt, wie spät es eigentlich war.
Nachts schliefen die Menschen bekanntlich.

Er drehte sich wieder zu dem Mann um, der ihn so unsanft geweckt hatte.
»Du hast wohl zu viel Glühwein gebechert, was?« Der Riese grinste.
Doch der Weihnachtsmann spürte, dass es kein freundliches Grinsen war.
»Du weißt es wirklich nicht«, stellte der Mann schließlich nach Sekunden des Schweigens trocken fest. »Das hier ist ›Glasmania‹, das größte Einkaufszentrum der Umgebung, falls du auch das vergessen haben solltest. In genau zwei Minuten lassen wir die Mitarbeiter rein, damit sie ihre Läden für die Kunden vorbereiten können.«
Kunden? Wer will denn schon so früh einkaufen?

»Und ich will nicht, dass du die Leute von der Arbeit abhältst, du Penner. Also, verschwinde!« Der Riese verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte nun nicht nur abweisend, sondern auch bedrohlich.
»Ich bin kein Penner, ich bin der Weihnachtsmann«, erklärte der Weihnachtsmann ruhig und kassierte einen verständnislosen Blick des Riesen. Er starrte zurück. Jetzt komm schon. Du musst dich doch an mich erinnern.
»Oh …« Ein Lachen, das fast freundlich wirkte, breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ach, deswegen trägst du diese bescheuerte Mütze.«

Der Weihnachtsmann stutzte und fasste sich automatisch an den Kopf. Tatsächlich! Da war seine Mütze.
Aber ich habe sie doch Rubina aufgesetzt, bevor ich gegangen bin. Der Weihnachtsmann war ratlos.
Er wollte sie abnehmen, doch es gelang ihm nicht. Je stärker er an der Mütze zog, desto mehr zwickten die Haare auf dem Kopf. Ihm schien, als ob seine Hand ein wenig kribbelte, als er die Mütze abnehmen wollte. Bestimmt nur die Aufregung, dachte er.
»Äh …«, stammelte der Weihnachtsmann. Irgendetwas stimmt nicht, wurde ihm bewusst.
»Äh«, äffte ihn der Riese nach. Dann fügte er hinzu: »Du glaubst das wirklich, oder?«
Der Weihnachtsmann musterte ihn verständnislos. Was war das für eine Frage?

»Na, du bist vielleicht ein lustiger Kauz. Pass lieber auf, wem du den Bären mit dem Weihnachtsmann aufbindest. Sonst glauben sie noch, dass du krank bist.«
Bären? Suchend blickte sich der Weihnachtsmann um. Vielleicht hatte er etwas übersehen. Aber da war weit und breit kein Bär zu sehen. Und er vermutete auch, dass er einen Bären nicht besonders weit tragen, geschweige denn an sich binden konnte.
»Vielen Dank«, meinte der Weihnachtsmann daher, weil er glaubte, dass ihm der Riese einen wichtigen Ratschlag mit auf den Weg geben wollte. »Ich gehe dann mal.«
»Wurde aber auch Zeit«, murmelte der Riese.

Der Weihnachtsmann musterte seine Umgebung etwas genauer und bemerkte erst jetzt, dass sich bereits einige Menschen vor dem gläsernen Gebäude versammelt hatten. Manche trugen verschiedene Uniformen, hielten glühende Stängel in der Hand und unterhielten sich teils lebhaft, teils leise miteinander.

Rauch kam aus ihren Mündern, und der Weihnachtsmann fragte sich, welche Art von Magie das wohl war. Und ich dachte immer, Menschen können nicht zaubern.
Er schlenderte an den Grüppchen vorbei. Was sollte er nun tun? Wo sollte er mit der Suche nach einem Nachfolger beginnen?
Worauf musste er achten? Und was würde geschehen, wenn er einen geeigneten Kandidaten fand? Das Christkind hatte ihm nicht erklärt, wie es dann weitergehen würde. Konnte er einfach so nach Christstollen zurückkehren, oder würde er sich dort Stück für Stück in ein Rentier verwandeln?

Wie viel Zeit blieb ihm dann noch, dem neuen Weihnachtsmann zu erklären, wie alles rund um die Bescherung geplant werden musste?
Obwohl die Vorstellung, als Rentier auf der Weide zu enden, bedrohlich war, musste er bei dem Gedanken immer noch etwas grinsen. Immerhin werde ich nicht zu einem Keks und laufe Gefahr, gegessen zu werden, dachte er.
Er atmete tief ein und dachte an die vergangenen Bescherungen, die er gemeinsam mit Freddy und Rubina organisiert hatte.
Er liebte es, einmal im Jahr mit dem Schlitten unterwegs zu sein. Er mochte seine Touren, die Rentiere und die Elfen, die ihn jedes Jahr begleiteten. Inzwischen waren sie eine eingeschworene Gemeinschaft geworden. Eine Gemeinschaft, die bald einen neuen Weihnachtsmann willkommen heißen musste. Würde das funktionieren?

Wenn er an die vergangenen Feste dachte, erinnerte er sich noch gut an die stetig anwachsende Aufregung und das größer werdende Glücksgefühl, wenn die Geschenke verteilt worden waren. Aber er konnte diese Emotionen nicht mehr spüren.
Sie schienen in weite Ferne gerückt zu sein. Genau wie Christstollen.
Er vermisste die Begeisterung, die immer größer wurde, je näher das Fest rückte. Das Glücksgefühl im Magen, das nicht einmal durch Kekse und Kakao ersetzt werden konnte. Diese Euphorie kurz vor dem Abflug am Weihnachtstag. Dieses Kribbeln im Bauch, wenn der Schlitten an Fahrt aufnahm und in die Luft schwebte. Und das herzhafte Lachen, wenn ihn die Elfen mit Witzen und anderen lustigen Geschichten während der Fahrt unterhielten.

All das musste ein neuer Weihnachtsmann auch spüren.
Denn nur dann war er der Richtige für diese Aufgabe. Doch wie konnte der Weihnachtsmann ihm das beibringen, wenn die Emotionen nur noch eine schwache Erinnerung waren?
Er seufzte. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, und sein Magen begann zu knurren. Es wird Zeit für ein Frühstück, dachte er und wollte den Seesack absetzen, der wie in der Nacht und am Morgen der Bescherung über seiner Schulter hängen sollte.
Doch da war kein Seesack. Seine Hand hing zwar an der Schulter, umfasste aber nur ein Stück seines Mantels. Er erstarrte.
Der Seesack …

Er blickte in ein Schaufenster, nahm die immer noch rote Nase gar nicht wahr und drehte sich zur Seite. Normalerweise saß das Ding so sicher auf seiner Schulter, dass er das Gewicht gar nicht mehr spürte. Aber jetzt war da kein Seesack.
Das kann nicht sein! Er hatte sein Gepäck verloren. Dabei war dort alles drin, was er bei den Menschen gebrauchen konnte.
Genug Essen, etwas Elfenmagie für den Notfall, seine Arbeitskleidung, falls er sie benötigte, und Platz für jene Dinge, die während der Reise zu ihm kommen würden. Die Dinge, die erst dann auftauchten, wenn man sie wirklich brauchte, und für die man deswegen genug Platz einplanen musste.

Wie soll ich das nur alles schaffen, so ganz ohne Gepäck? Wie soll ich wieder zurück nach Hause finden, wenn ich nicht auf die Elfenmagie zurückgreifen kann?
»He, du da!«
Der Weihnachtsmann wurde blass. Nicht noch so ein Riese, dachte er ängstlich. Vorsichtig wandte er sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.

»Ist alles in Ordnung mit dir?« Ein junger Mann mit einer roten Jacke und einer gelben Schildmütze, auf der ein rotes »M« stand, war neben ihm aufgetaucht und blickte ihn unsicher an.
»Na ja …« Der Weihnachtsmann wusste nicht so recht, wo er beginnen sollte.
»Hast du schon gefrühstückt?«

»Kannst du Gedanken lesen?«, fragte der Weihnachtsmann erstaunt.
»Nein, aber ich höre deinen Magen knurren. Komm mit, ich habe da vielleicht was für dich.« Der junge Mann nickte ihm aufmunternd zu und ging in Richtung des Einkaufszentrums, vor dem der Weihnachtsmann gestrandet war.

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Rentierfieber als

 

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