Rentierfieber XXL Leseprobe – Prolog

Das Cover von "Rentierfieber". Ein freundlich lächelndes Rentier, das sich in einer Schneelandschaft befindet und auf dich zugelaufen kommt. Im Geweih hat es eine Weihnachtsmannmütze. Oberhalb im Himmel steht der Titel "Rentierfieber" auf dem sogar etwas schnee liegt. Darüber steht "Emma Zecka"
Bild von: Emma Zecka

1. Dezember:

Im Baumhaus des Christkindes

Das Christkind saß in seinem warmen Baumhaus und blickte aus dem Fenster auf den schneebedeckten Weg.
Er ist spät dran, dachte es. Normalerweise kam der Weihnachtsmann pünktlich, wenn er wusste, dass es etwas zu essen gab.
Der Tisch war bereits gedeckt. Das Christkind hatte Brot gebacken
und sich Butter und etwas Wurst aus den Vorräten von Christstollen stibitzt. Es grinste, als es daran dachte, dass die Heimat aller Weihnachtswesen nach einem Weihnachtsgebäck benannt war.

Wurst war dort eine Seltenheit. Die Elfen aßen lieber süß statt herzhaft. Der Weihnachtsmann freut sich bestimmt über etwas Abwechslung, dachte das Christkind.
In letzter Zeit hatte er oft über die Eintönigkeit des Essens im Dorflokal geklagt. Die Elfen wussten nicht, was er meinte. Sie liebten ihren Speiseplan und konnten nie genug von den Plätzchen, Apfelstrudeln, Dampfnudeln und den anderen
Leckereien bekommen.

»He, lass den Korb herunter!«, rief der Weihnachtsmann plötzlich, der wie aus dem Nichts vor dem großen Baum aufgetaucht war, auf dem das Haus stand.
Wie macht er das nur immer?, fragte sich das Christkind.
Es stand auf, schnappte sich das Glöckchen vom Tisch und
klingelte.
Der Weihnachtsmann trat einen notwendigen Schritt zurück, denn ein großer Korb, der einen Erwachsenen transportieren konnte, schwebte herab. Eine Klappe öffnete sich in dem Korb, sodass der Weihnachtsmann eine kleine Rampe hinaufsteigen und sich hineinsetzen konnte.

Das Fortbewegungsmittel schwebte nach oben und hielt vor der Veranda des Baumhauses.
Als der Weihnachtsmann das Haus betrat, erschrak das Christkind und wurde blass.
Müde lächelte der Weihnachtsmann sein Gegenüber an.
Außerdem – das Christkind konnte den Blick kaum abwenden
– war da etwas auf seiner Nase. Das Christkind hatte es schon bei einigen Weihnachtsmännern gesehen. Und es verhieß nichts Gutes.

»Was ist denn los?«, fragte der Weihnachtsmann besorgt.
Sonst ist er die Ruhe selbst. Mit ihm stimmt etwas nicht! Es
schnippte einmal mit den Fingern und hielt dem Weihnachtsmann die Handfläche vors Gesicht. In der Handfläche kam ein kleiner Spiegel zum Vorschein.
Nun wurde auch der Weihnachtsmann blass. »Meine … Nase …« Er stockte und blickte sein Spiegelbild mit offenem Mund an.
Auf der Nasenspitze prangte ein großer roter Bollen. Wäre die Farbe nicht dunkelrot gewesen, hätte ihn das Christkind fast für einen ungewöhnlich großen Pickel gehalten. Aber das Christkind wusste es besser und ahnte, dass er nicht erst seit gestern auf der Nase des Weihnachtsmannes zu finden war.

Das ist nicht gut, dachte es ängstlich.
»Warum haben mir die Elfen nichts gesagt? Rubina und Freddy sehe ich beinahe jeden Tag. Und Rubina nimmt bei so was doch sonst kein Blatt vor den Mund.« Der Weihnachtsmann war irritiert, das merkte das Christkind deutlich.
Er weiß es nicht, erkannte es. »Weil sie ihn nicht sehen«, flüsterte das Christkind. Weil sie durch und durch voller Freude auf das Weihnachtsfest sind, fügte es in Gedanken hinzu und fragte sich im selben Moment, ob es gut war, alle Karten auf den Tisch zu legen. Ich will nicht wieder denselben Fehler
machen wie bei seinen Vorgängern.
»Was soll denn das heißen? Er ist doch kaum zu übersehen. Ich komme mir vor wie ein Clown!«
Das Christkind runzelte die Stirn und fragte sich, was das nun schon wieder war. Ich bin zu wenig unter Menschen, stellte es fest.

»Es fängt mit einer roten Nase an. Und irgendwann sprießen dir immer mehr Haare«, murmelte es.
»Du willst mich veräppeln, oder?«, fragte der Weihnachtsmann und lächelte kläglich.
Das Christkind schüttelte den Kopf. »Du wirst dich langsam, aber sicher in ein Rentier verwandeln«, verkündete es mit ernster Miene.

Da konnte der Weihnachtsmann nicht an sich halten und prustete los. Das Prusten ging in ein lautes, herzhaftes Lachen über, das die Unruhe von gerade eben beinahe wegwischte.
»Ein Rentier!«, brachte er nach einer Weile atemlos hervor.
»Du willst mir also sagen, dass all meine Rentiere in Wahrheit verzauberte Weihnachtsmänner sind?« Er grinste immer noch breit.

»Nein, natürlich nicht!«, protestierte das Christkind und fügte in Gedanken hinzu: Wobei ich mir bei Rudolf und seiner roten Nase manchmal nicht so sicher bin …
Beide schwiegen.
Zum Glück fragt er mich nicht, warum er sich verwandelt. Erleichterung überkam das Christkind. Dann bleibe ich vorerst wohl doch bei der halben Wahrheit. Vermutlich ist es besser so.
»Es gibt nur einen Weg, der Verwandlung zu entkommen. Du musst Christstollen und die Elfen verlassen«, meinte das Christkind schließlich. Der Plan beginnt.

»Aber wer kümmert sich dann um die Bescherung? Das können die Elfen doch unmöglich allein übernehmen. Außerdem warten die Kinder auf mich!«, protestierte der Weihnachtsmann und kratzte sich an der roten Nasenspitze.
»Du weißt doch, dass du nicht für immer Weihnachtsmann sein kannst, oder?«, fragte das Christkind vorsichtig. Es hatte schon viele Weihnachtsmänner kommen und gehen sehen.
Aber dieser hier war ihm der liebste. Und genau aus diesem Grund wollte ihm das Christkind helfen. Es musste eine Lösung geben!

Der Weihnachtsmann öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte, doch es kam kein Wort heraus. Dem Christkind wurde mit einem Mal bewusst, dass sich sein Gegenüber wohl dunkel daran erinnerte, dass er nicht immer in Christstollen
gelebt hatte. Was zwanzig Jahre ausmachen können …
Es stand auf und zog den Weihnachtsmann zu einer Wand, an der einige Postkarten und Bilder hingen. Manche zeigten verschneite Dörfer. Auf anderen Bildern waren Strände, Sonne und das Meer zu sehen. Und auf manchen – der Weihnachtsmann konnte es kaum glauben, das merkte ihm das Christkind an – waren Männer zu sehen, die ihm ziemlich ähnlich sahen.

Auch sie hatten einen weißen, nicht mehr ganz so langen Vollbart. Ihr Strahlen reichte über das ganze, braun gebrannte Gesicht bis zu den Augen, die vor Freude leuchteten.
Genauso sieht der Weihnachtsmann kurz vor seinem Abflug aus, oder dann, wenn er zurückkehrt und wir uns gegenseitig von unseren weihnachtlichen Abenteuern erzählen, dachte das Christkind.
Doch die Männer trugen keinesfalls rote Mäntel und schwarze Stiefel. Mantel und Hose waren bei manchen Männern durch T-Shirts und Shorts ersetzt worden. Einige von ihnen trugen sogar nur eine Badehose. Ihre Füße waren entweder im
Sand vergraben oder steckten in Schuhen, die Löcher hatten.
Kritisch musterte der Weihnachtsmann das Schuhwerk.

»Das nennt man Sandalen«, erklärte das Christkind. Es nahm die neueste Karte von der Wand, drehte sie um, holte tief Luft und begann laut zu lesen. Ein Mann schrieb, dass er gut in der neuen Heimat angekommen sei und die Wärme
liebte. Den Rentierschlitten habe er gegen ein sogenanntes Surfbrett eingetauscht. Anstatt über den Himmel zu fliegen, reite er nun auf Wellen. Der Weihnachtsmann rümpfte die Nase. Erleichtert erkannte das Christkind, dass ihm diese Vorstellung nicht besonders gefiel. Es hielt ihm einen weiteren
Briefumschlag hin. Als der Weihnachtsmann den Umschlag öffnete und umdrehte, rieselten ein paar Sandkörner auf den Boden. Entsetzt sprang er zurück, als wäre der Sand etwas Gefährliches.

»Es gibt Orte, an denen viele ehemalige Weihnachtsmänner leben. Santa Cruz zum Beispiel«, erklärte das Christkind behutsam und hoffte inständig, dass der Plan funktionieren würde. »Dort geht es ihnen gut. Und sie schreiben mir regelmäßig.«
»Ich will Christstollen nicht verlassen. Wie soll denn Weihnachten für mich ohne Schnee, die Elfen und vor allem ohne dich funktionieren?« Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Das Christkind tat so, als müsste es über eine Lösung nachdenken, dabei hatte es doch bereits einen Plan. Sehr lange war es still im Baumhaus. Bitte, dachte das Christkind, lass meine Rechnung aufgehen.
Dann begann es zu erzählen.

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Rentierfeber als

 

Und Du?

Hast Du Weihnachten schon mal in der Sonne oder am Strand verbracht?

2 Gedanken zu „Rentierfieber XXL Leseprobe – Prolog“

  1. Hi JED,
    das freut mich sehr, dass Dir die Hörprobe gefallen hat. Ich bin wirklich glücklich, dass es mit der Hörprobe geklappt hat. Es war lange nicht ganz sicher, ob der Plan wirklich funktioniert :).

    Jetzt werde ich erstmal in unserer Leserunden Gruppe vorbeischauen um zu hören, wie euch der Prolog gefallen hat.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten

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