Sorry, aber…

Das Hörbuchcover von "Sorry, aber..."
Bild von Argon Verlag.

Der Inhalt

Meine Hörbücher wähle ich nach zwei Kriterien aus: Dem Titel und der Person, die das Hörbuch spricht. Sorry, aber… hat direkt meine Neugier geweckt, weil ich die Formulierung nicht nur mit Entschuldigungen assoziiere, sondern auch mit solchen, in denen das Recht haben wollen eingeläutet wird.

Tara-Louise Wittwer setzt sich in diesem Sachhörbuch mit dem Thema Entschuldigen auseinander und arbeitet auch heraus, dass sich Frauen generell häufiger (grundlos) für Dinge entschuldigen. Warum das so ist, dieser Frage geht sie ebenfalls nach. So bekommen wir neben der Auseinandersetzung mit dem Thema auch einen kleinen Blick in die Historie.

Bedrückend fand ich, dass sich die Konflikte mit denen sich Frauen in der Gesellschaft auseinandersetzen müssen, im Grunde nicht groß verändert haben. Die Konflikte haben sich lediglich verlagert. Im Mittelalter bekamen Frauen einen waschechten Maulkorb verpasst. Heute machen sich Männer über sie lustig, was übersetzt so viel heißt wie, dass die Meinung einer Frau nicht ernstzunehmen ist.

Was ich interessant finde: Vorausgesetzt ich habe Tara-Louise Wittwer hier richtig verstanden, hat sie den Eindruck, dass Frauen, die sich für die Rolle als Mutter entscheiden, gesellschaftlich mehr Anerkennung finden. Frauen, die sich hingegen nicht für das Familienleben entscheiden, bekommen böse Blicke und Kommentare zu hören.

Das was ich bisher wahrgenommen habe ist eher, dass von Frauen erwartet wird, beide Rollen, nämlich die der Arbeitnehmerin und die der Mutter unter einen Hut zu bekommen. Die Rolle als Mutter, die viel Verantwortung und auch Arbeit mit sich bringt, wird nicht gesehen und es herrscht mehr der Glaube, dass man diese Rolle auch irgendwie nebenher hinbekommt.

Das Tolle am Inhalt ist, dass Tara-Louise Wittwer alle wesentlichen Aspekte zum Thema Entschuldigen aufzeigt, dabei auf den Punkt kommt und nicht viele Worte verliert. Da das Hörbuch eine Laufzeit von ca. vier Stunden hat, möchte ich an dieser Stelle auch nicht mehr über den Inhalt verraten, weil ich mir wünsche, dass ihr das Sachhörbuch selbst entdeckt.

Die Reflexion

Tara-Louise Wittwer liefert uns hier nicht nur gut recherchierte Fakten, sondern setzt sich auch mit den Inhalten auseinander, zieht Rückschlüsse und liefert auch Beispiele aus ihrem Alltag, in denen sie sich beispielsweise geweigert hat, sich zu entschuldigen, oder in denen sie sehr lange darauf gehofft hat, dass ihr Gegenüber erkennt, dass es an der Zeit ist, sich zu entschuldigen.

Durch die Reflexion bekommt das Sachhörbuch für mich eine tolle Perspektive, die dazu einlädt, selbst über den Inhalt nachzudenken, herauszufinden, ob wir Tara-Louise Wittwers Gedanken zustimmen, anders denken, oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Die Hörbuchgestaltung

Das Hörbuch ist ausschließlich als Download und ungekürzt im Argon Verlag erschienen. Sorry, aber… hat eine Laufzeit von etwa vier Stunden. Toll finde ich, dass auch die Kapitelüberschriften mit aufgelesen wurden, weil dadurch eine Struktur im Sachhörbuch erkennbar und auch nachvollziehbar ist. Gerade bei Sachhörbüchern braucht es für mich auch immer mehr Konzentration, weil ich nicht einfach ein paar Seiten zurückblättern oder einen Satz nochmal hören kann. Durch das Aufsprechen der Kapitelüberschriften kann man sich das Hörbuch gut in mehrere Abschnitte einteilen, ohne den Überblick zu verlieren.

Das Hörbuch wird von Tara-Louise Wittwer gelesen. Jedoch kam mir die Lesung nicht vor wie eine Lesung. Ich hatte eher den Eindruck, mitten in einem Vortrag der Autorin zu sitzen. Dadurch wurde der Inhalt für mich lebendig und auch nahbarer. Tara-Louise Wittwer weiß genau, wo sie eine Textstelle ironisch betonen muss, wo es eher ruhiger wird und welche Passagen mit Nachdruck gelesen werden müssen. Ihre Lesung hat mir sehr gut gefallen.

Der Schreibstil

Tara-Louise Wittwers Schreibstil ist genau das, was ich mir von Sachhörbüchern oder wissenschaftlichen Texten wünsche: Nicht nur eine Aneinanderreihung von recherchierten, durchaus wichtigen Fakten, sondern auch eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Etwas, das zeigt, dass nicht nur einfach das wiederholt wird, was recherchiert wurde, sondern dass der Inhalt weitergedacht oder eben auch kritisch hinterfragt wird. Das eröffnet nämlich neue Perspektiven.

Gesamteindruck

Sorry, aber… ist genau das, was ich mir von einem Sachhörbuch wünsche: Ein spannender Inhalt mit recherchierten Fakten, der aber aus vielen Perspektiven beleuchtet und kritisch hinterfragt wird. Durch das Sachhörbuch konnte ich besser nachvollziehen, warum viele Feministinnen von außen betrachtet sehr vehement erscheinen. Tara-Louise Wittwer nennt hier Beispiele von denen ich nicht geglaubt hätte, dass es Frauen gibt, die genau das in ihrem Alltag erleben.

Umso wichtiger finde ich es, dass Tara-Louise Wittwer mit Sorry, aber… dazu einlädt zu hinterfragen, wann eine Entschuldigung angebracht und wann es gesünder ist zur eigenen Meinung zu stehen.

Lieblingszitate

“Ich will nicht mehr die Freundin von allen sein, sondern meine.”
(aus “Sorry, aber…” von Tara-Louise Wittwer, Track 31).

Infos zum Hörbuch

Sorry, aber…
Geschrieben von: Tara-Louise Wittwer
Gelesen von: der Autorin
Bewertung: 5 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

Hier findet ihr mehr Infos über Tara-Louise Wittwer. (Der Link führt zur Sprecherinnenseite auf der es auch eine Hörprobe gibt).

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Dieses Hörbuch wurde mir vom Argon Verlag kostenlos als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

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