Ge(h)schaut – Der ESC Vorentscheid – Unser Song 2017

Foto: A. Mack

Wie jedes Jahr fand auch 2017 im Februar der Vorentscheid zum diesjährigen Eurovision Song Contest statt. Allerdings fand ich die Sendung ziemlich schlecht beworben. Ich erfuhr mehr zufällig in einem Interview davon und trug mir den Termin natürlich gleich in den Kalender ein. Mir wurde zwar erzählt, dass während eines Fußballspiels darauf aufmerksam gemacht wurde, ich fragte mich aber ernsthaft, ob die Fußballfan Zielgruppe auch wirklich Interesse daran habe, den Eurovision Song Contest zu schauen. Ihr seht: Schon im Vorwort wird’s kritisch :-).

Worum geht’s? 
Nachdem Deutschland die letzten Jahre das ESC Feld ja eher von hinten aufrollte, hatten die Veranstalter dieses Jahr das Bedürfnis den deutschen Vorentscheid nochmal etwas zu überarbeiten.
Die letzten Jahre traf der NDR meist eine Vorauswahl zwischen der sich die Zuschauer dann entscheiden durften. 2016 sollte eigentlich Xavier Naidoo zum ESC fahren und wir sollten uns nur noch für den Song entscheiden. Nach lauten Protesten wurde das aber gecancelt. Es gab eine Reihe deutscher Musiker, die mit einem gesetzten Lied antraten. In diesem Jahr lief das Ganze etwas anders ab.
Der NDR lud zu einem deutschlandweiten Casting ein und suchte junge, neue Talente. In der Sendung am 9. Februar wurden uns fünf Künstler vorgestellt. Diese sangen erst ein selbst gewähltes Cover. Nach dem überstandenen Auftritt stellten sie sich der Jury, bestehend aus Tim Bendzko, Lena und Florian Silbereisen. Die Jury durfte nur eine Meinung abgeben, hatte aber keine Entscheidungsgewalt. Moderiert wurde die Veranstaltung wie in den Jahren zuvor von Barbara Schöneberger, die wunderbar durch den Abend führte.
Nachdem alle fünf Sänger und Sängerinnen ihr Cover präsentierten, kam es zur ersten Abstimmung. Hier sollten drei Sänger weitergewählt werden. Danach wurde dem Publikum der erste potentielle ESC Song präsentiert, den es in drei Versionen zu hören gab. Danach mussten wir uns wieder von einem Künstler verabschieden und es kam zur zweiten Songvorstellung, die es nun nur noch in zwei Versionen gab.
Zum Schluss mussten sich die Zuschauer sowohl für ihren Kandidaten als auch ihre Songversion entscheiden. Meine Favoriten sowie die Musik findet ihr im Laufe des Beitrages.
Programmchef Thomas Schreiber begründete die Aufmachung der Sendung damit, dass man nur wenige Auftritte brauche, um ein Gefühl für den Künstler zu entwickeln und zu wissen: DER ist es. Daher wurde darauf verzichtet, ein größeres Casting, welches über mehrere Wochen gehen sollte, auszustrahlen.
Damit wir uns dieses Jahr etwas an den europäischen Geschmack anpassen konnten, wurde der deutsche Vorentscheid in die Eurovision-App integriert, sodass auch internationales Publikum zuschauen und seine Meinung abgeben konnte. Jedoch durften die Europäer nicht mitvoten, sondern wie die Jury ausschließlich ein Statement abgeben.
Meine Meinung 
Marketing – Öffentlichkeitsarbeit – Vorab
Die letzten Jahre sah es ESC mäßig wirklich nicht rosig für uns aus. Vor allem nach letztem Jahr an dem der NDR Xavier Naidoo groß ankündigte und seine Entscheidung dann kleinlaut zurücknehmen musste.
Auf was ich eigentlich hinaus will: Ich hatte den Eindruck, dass 2017 nicht wirklich viel Geld, Zeit oder Motivation in Öffentlichkeitsarbeit investiert wurde. Nach den ESC Platzierungen der letzten Jahre kann ich das einerseits verstehen. Es macht ja keinen Spaß Energie in etwas zu stecken, nur um dann die letzten Plätze zu belegen. Dennoch ging mir diese Sendung etwas zu schnell. Ich bekam kein wirkliches Gefühl für die Künstler. Ich hätte mir gewünscht, dass man entweder mehr Kandidaten zur Auswahl hat (mehr dazu weiter unten) oder die einzelnen Finalisten in Videos oder Vorabsendungen vorgestellt bekommt. Zum einen hätte man so Werbung für den Vorentscheid machen können. Zum anderen hätte das Publikum so die Möglichkeit gehabt, den Künstler besser kennenzulernen und sich so leichter entscheiden zu können, wer Deutschland denn in Europa vertreten solle.
Aber im Grunde habe ich die naive Vorstellung, dass es nicht nur darum geht, einen Künstler zu finden, der einen Abend füllt, sondern ein nachhaltiges Produkt aufzubauen.
Das Konzept der Sendung 
Das Konzept der Sendung, dass die Zuschauer den Künstler und den Song getrennt voneinander wählten, gefiel mir wirklich gut. Im Vergleich zum letzten Jahr habe ich mich zwar gefreut, dass wir von Jamie-Lee vertreten wurden. Jedoch fand ich Ghost als Lied denkbar ungeeignet. Ich erhoffte mir von dem diesjährigen Vorentscheid eine breitere Auswahl an Künstlern und Liedern.
Dennoch war ich etwas enttäuscht, als man uns nur fünf Künstler präsentierte.
Raab Feeling 
Nicht nur der Titel der Sendung – Unser Song – erinnert an Raabs Konzept. Lena bestätigte, das fast dieselbe Band an dem Abend anwesend war, wie damals bei ihrem Sieg 2010. Auch das Intro und das Outtro erinnerten sehr an Stefan Raab. Als Barbara Schöneberger dann noch einen Künstler ankündigte, hielt ich kurz den Atem an und dachte: Aaaah, jetzt kommt er. Und dann war es “nur” der Schweighöfer. Ach, Mann! 🙂
Die Auswahl der Musiker 
Den Anfang machte Helene Nissen, die einen Hit von Johnny Cash performte (Musik siehe unten). Während sie meinen Mitschauern sofort gefiel, konnte mich das Cover nicht wirklich überzeugen. Mir war es etwas zu viel Enthusiasmus. Aber ich fand die Tatsache lustig, dass Florian Silbereisen eine Helene bewerten darf :-).
Yosefin Buohler war die zweite Kandidatin des Abends. Sie rückte in das Finale nach, da ein anderer Kandidat das Feld räumte. Dies erfuhr ich zum einen durch die Videotext Recherchen meines Mitschauers, sowie meine Recherchen für diesen Beitrag. In der Sendung wurde das nicht hervorgehoben. Die Sängerin, welche im Ausland lebt, sang Love on Top von Beyonce und auch das konnte mich nicht überzeugen. Ich saß da und fragte mich verzweifelt, was da wohl noch kommen mag. Yosefin sang keinesfalls schlecht. Jedoch wartete ich gerade bei einem Hit von Beyonce auf den Gas-geben-Effekt, der bei ihr leider nicht kam. Allerdings blieb ihr wahrscheinlich auch nicht viel Zeit, sich auf die Sendung vorzubereiten.
Dann betrat Felicia Lu Kürbiß die Bühne. Sie war die erste Kandidatin, die eine Stimme mit Wiedererkennungswert mitbrachte. Ihr Einstieg in Robyns Hit Dancing on my own war sehr stark. Jedoch fehlte ihrer Stimme die Kraft und ich vermutete, dass es stark von dem Song abhinge, ob sie international bestehen könne. Vorerst hatte ich meine Favoritin des Abends gefunden. 
Und dann kam Axel Feige und brachte Festival Feeling in mein Wohnzimmer. Ich wollte diesen Künstler unbedingt live sehen und brannte geradezu darauf, mehr Musik von ihm zu hören. Zum Schluss kam dann Levina. Als ich hörte, dass sie When we were young von Adele zum Besten geben wollte, dachte ich, dass es ein spannender Auftritt werden könnte. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie nicht nur das Publikum im Saal, sondern auch mich begeistert. 
Die Lieder 
Während ich oben das Konzept der Sendung noch lobte, merkte ich schnell, wie schwierig es werden könne. Dem Publikum wurden zwei Songs in verschiedenen Versionen präsentiert. Zum einen Wildfire den unter anderem Marit Larsen mitgeschrieben hat. Dieses Lied sagte mir vom Refrain her eher zu. 
Während Helenes Version für eine lebendige Stimmung sorgte, wirkten Axel und Levina auf der Bühne eher etwas verloren oder desinteressiert. Gerade Levinas Version langweilte mich etwas, war jedoch gut gesungen. 
Helene reichte hingegen stimmlich nicht an Axel oder Levina heran. Dennoch stellte sich die Frage: Performance oder guter Gesang? Ich war eindeutig für letzteres. Das Publikum wohl auch und sorgte dafür, dass uns Axel und Levina Perfect Life geschrieben von den Autoren Lindsey Ray, Lindy Robbins und Dave Basset präsentierten. 
Was soll ich sagen? Perfect Life war langweilig. Eine 0815 Nummer und ich ärgerte mich, dass wir uns wieder einmal zwischen Pest und Cholera entscheiden mussten. Allerdings schließe ich auch hier nicht aus, dass es vielleicht davon abhinge, wie oft ich das Lied höre. Vielleicht wird es bis zum ESC so oft gespielt, dass ich bis Mai ganz gut damit leben kann. 
Die Nummer mit Europa 
Nach den Auftritten blendete man immer wieder eine Europa Karte ein und versuchte uns klarzumachen, dass diese die Meinung Europas wiederspiegelte. Ein Mitleser dieses Blogs bemerkte scherzhaft, dass man die Länder Europas wohl unter der ARD Redaktion aufgeteilt habe. 
Spaß beiseite: An sich war das eine nette Idee. Ich denke mir aber, dass es überhaupt nichts über unseren Beitrag bzw. das Endvoting im Mai aussagt. Ich schicke lieber einen Künstler ins Rennen hinter dem ich stehe, als vorab die anderen Teilnehmer nach ihrer Meinung zu fragen. Selbst wenn ich dann den letzten Platz mache, kann ich sagen: Hey, den Künstler und oder das Lied finde ich genial. Wenn andere Menschen anderer Meinung sind, ist es schade, aber ich kann zu meiner Entscheidung stehen. 
Die zweite Option bestünde darin, dass ich mich nach den anderen Teilnehmern richte, im Wettbewerb dann aber doch keiner für mich abstimmt. Dann habe ich doppelt gelitten: Zum einen weil ich mit einem Künstler angetreten bin, von dem ich ausginge, dass man ihn sehen wolle. Und zum anderen, weil ich trotzdem schlecht abgeschnitten habe. 
Unsere Entscheidung – Levina 
Ich bin wahnsinnig froh, dass Levina den Vorentscheid gewonnen hat, da sie mit Axel zu den besten Kandidaten des Abends gehörte. Das Lied gefällt mir leider nicht wirklich. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass es ihr mehr lag, als Wildfire und sie sich mehr damit identifizieren konnte. 

Die Lieder – jetzt geht’s an die Musik 
Damit ihr jetzt endlich den musikalischen Eindruck bekommt, stelle ich euch hier mal die Lieder vor. 

Axel Feige – You know my Name von Chris Cornell 
Leider handelt es sich hierbei nicht um den Liveauftritt, der noch etwas rockiger daher kam. Dennoch könnt ihr hier vielleicht erahnen, was ich mit Festival Feeling meine. Übrigens hat Axel mit seiner Band kürzlich sein Album veröffentlicht. 

Helene Nissen – Folsom Prison Blues von Johnny Cash 
Ich kenne das Original nicht, dennoch war es mir hier schon zu viel Volumen. Jedoch meinten meine Mitschauer, dass Helenes Art mitreiße und sie international wohl noch am ehesten Chancen hätte. 

Levina – When we were young von Adele 
Auch Levina konnte mich in der Livesendung noch viel mehr begeistern als in diesem Video. Hier träumte ich ebenfalls gleich von einem Album und hoffe, dass bis Mai noch eins mit ihr erarbeitet wird. 
Leider sind die Wildfire Versionen von Axel und Helen mittlerweile offline gestellt. Daher kann ich euch hier nur Levinas Version präsentieren.

Levina – Wildfire 
Auf mich wirkte das Lied etwas traurig, obwohl mir der Refrain doch besser gefiel, als Perfect Life. 
Levina – Perfect Life 
Den Anfang des Liedes finde ich stark. Allerdings fehlt mir hier die Steigerung. Dennoch bin ich gespannt, wie sie im Finale im Mai abschneidet. 
Mein Fazit 
2017 gab der NDR zwar ein interessantes Konzept vor, dennoch hatte ich das Gefühl, das den Veranstaltern stellenweise die Luft ausging. Für den Vorentscheid im nächsten Jahr wünsche ich mir, dass die Vorauswahl der Künstler etwas interaktiver gestaltet wird. Das könnte zum einen durch das Einbinden von Social Media Kanälen oder auch Portalen wie YouTube passieren. Zudem würde ich da die Radiosender der ARD miteinbinden und vielleicht ein ähnliches Verfahren wie bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest entwickeln. Ihr seht: Ich werde kreativ. Auch die Twitter Gemeinde wünschte sich am 9. Februar den Raabinator zurück. Ich könnte mir vorstellen, dass es auch mit Raab hinter den Kulissen funktioniert, wenn sich der NDR für Neues öffnet. 

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