Bye, bye Jugendbuch – Was ich an dem unbeendeten Projekt gelernt habe

Eine Schreibmaschine in der ein Blatt eingespannt ist. Auf dem Blatt steht "Ge(h)schrieben". Darunter "Mein Autorenleben"Hallo Schreiberlinge,

in meinem heutigen Beitrag will ich euch von meinem Never-Ending-Jugendbuch erzählen, das zum Schluss auch wirklich never ending wurde. Ich habe nämlich beschlossen, das Jugendbuch fürs Erste abzubrechen, oder schöner formuliert: zu den Akten zu legen.

Ich habe seit Ende 2013 an dem Projekt gearbeitet und muss feststellen, dass ich zwar nach wie vor an der Grundidee festhalte, sie mit dem Material, das ich mir erarbeitet habe, aktuell nicht umsetzbar ist. An der Grundidee halte ich nach wie vor fest. Dennoch brauche ich ein anderes Setting und je mehr ich darüber nachdenke, desto schlimmer wird das Ganze. Deswegen lasse ich die Geschichte vorerst ziehen und widme mich einer Idee für einen Thriller, die schon 2016 bei mir anklopfte, aber aufgrund des Jugendbuches nach hinten verschoben wurde.

In diesem Blogbeitrag will ich euch aber erzählen, was ich aus dem nicht beendeten Jugendbuch mitnehme. Damit will ich vor allem zeigen, dass es für mich kein gescheitertes Projekt ist, nur, weil ich zum Schluss kein fertiges Buch in den Händen halte.
Vielleicht gibt es ja auch (angehende) Autor*innen unter euch, die schon einmal ähnliches erlebt haben. Da tut es vielleicht gut zu wissen, dass ihr nicht alleine seid.

Kommen wir aber nun zu den Dingen, die ich gelernt habe.

Die richtigen Testleser*innen finden

Wenn ihr euch mit anderen Autor*innen austauscht, ist immer wieder von Testleser*innen die Rede. Das sind Leute, die die Rohfassung eures Textes lesen und euch ein erstes Feedback geben. Immer wieder wird geraten, sich unbedingt Testleser*innen zu suchen. Als ich 2016 mit meinem Roman fertig war und das Ziel verfolgte, mir eine Literaturagentur zu suchen, gab ich meinen Roman erstmal an ein paar Testleser*innen meines Vertrauens weiter.

Unter den Testleser*innen waren Freund*innen von mir, die mich schon sehr lange und sehr gut kennen, die zu dem Zeitpunkt das Ziel verfolgten als Lektorin arbeiten zu wollen, oder die sich gut darauf verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen. Ich glaubte zu Beginn eine sehr gute Testleser*innen Mischung gewählt zu haben. Allerdings stellte ich sehr schnell fest, dass es nur zum Teil stimmte.

Viele Meinungen – große Verunsicherung
In Autor*innenforen wird immer wieder davon abgeraten, gute Freund*innen als Testleser*innen zu engagieren. Das Hauptargument besteht darin, dass Freund*innen nicht ihre ehrliche Meinung mitteilen oder nicht differenziert genug sind. Ich hingegen erlebte das Gegenteil, was mich ziemlich verunsicherte.

Die Freundin, die zwischen den Zeilen lesen sollte, konnte viele Aspekte meines Textes nachvollziehen. Die Figuren haben sie erreicht und die Geschichte hat sie sehr bewegt. Dennoch gab es einige Logikfehler, die ihr entgangen sind.
Die Freundinnen, die mich sehr gut und sehr lange  kennen, konnten mit einer der Figuren überhaupt nichts anfangen und merkten mir daher ziemlich viele Logikfehler an, weil sie die Handlungen der Figur meist nicht nachvollziehen konnten.

Ich frage mich also: Welcher Meinung konnte ich trauen? Konnte ich mich auf eine Freundin verlassen, die zwar zwischen den Zeilen lesen, aber Logikfehler nicht erkennen kann? Kennen mich die beiden Freundinnen wirklich so gut, wenn ihnen eine meiner Figuren völlig fremd schien? Oder war mein Roman wirklich so unverständlich geschrieben?

Ich kam zu dem Schluss, dass ich offenbar etwas falsch gemacht hatte. Wenn nicht einmal meine besten Freundinnen verstanden, was ich meinte, wie sollten das dann erst wildfremde Leser*innen können?

Ich war verunsichert und diese Unsicherheit hielt sehr, sehr, sehr lange an.

Außerdem hatte ich nicht bedacht, dass meine Testleser*innen eigentlich wenig lesen, oder hauptsächlich andere Genres lesen und somit überhaupt keine Möglichkeit hatten, meinen Text mit anderen Titeln aus demselben Genre zu vergleichen.

Der Fragebogen

Gerade weil unter meinen Testleser*innen auch Leute waren, die wenig lesen, habe ich teilweise auch mit Fragebögen gearbeitet, in der Hoffnung, dass die Fragen dabei helfen, die eigene Meinung der Testleser*innen in Worte zu fassen. Das Blöde an der Sache. Es kann natürlich sein, dass die Testleser*innen voreingenommen an den Text gehen.

Meine Lösung

Was ich aus dem Testleser*innen Experiment mitgenommen habe ist, dass mich viele Testleser*innen verunsichern. Falls ich also nochmal mit Testleser*innen arbeiten sollte, werde ich mir höchstens zwei Testleser*innen suchen, die dann aber unterschiedliche Schwerpunkte haben.

Buchbloggerin und Autorin Jasmin Zipperling sprach neulich in einem Video mit einer anderen Autorin über das Thema Testleser*innen. Hier wurde ebenfalls über die Schwerpunkte-Methode gesprochen. Allerdings wurde hier auch ausdrücklich davon abgeraten, den Testleser*innen vorab gezielte Fragen zum Text zu stellen.

Der Anfang und das Ende

Als ich damals mit dem Schreiben begann, hatte ich nur ein Thema im Kopf. Nämlich Krankheitsbewältigung. Ich wusste überhaupt nicht, wohin die Reise mit meiner Protagonistin hingehen sollte. Inzwischen glaube ich, dass es mit ein Problem war, warum ich drei Jahre gebraucht habe, um die Rohfassung zu beenden. Ich wusste nicht, worauf ich hinarbeiten sollte.

Das sorgte vor allem dafür, dass ich die Handlungsstränge zu Beginn nicht gut miteinander verband. Hinzu kam auch, dass ich die Handlungsstränge oft umwerfen musste, weil mir während des Schreibens eine neue Idee kam, die aber Veränderungen in den ersten Kapiteln bedeutete. So mussten nicht nur Szenen gestrichen, sondern auch regelmäßig Kapitel neu geschrieben werden.

Während mein großes Projekt weiterhin das Jugendbuch blieb, schrieb ich auch ein paar Kurzgeschichten, bei denen ich mich ausprobieren konnte. Ich stellte fest, dass ich am besten voran kam, wenn mir die Ausgangssituation der Charaktere klar war und ich wusste wo die Charaktere am Ende sein sollten. Im Fall von Findet mich und meinem aktuellen Projekt hatte bzw. habe ich eine konkrete Szene im Kopf. Bei Findet mich hat sie sich sogar relativ schnell wieder geändert, aber das Ende stand für mich immer sicher fest.

Das Ende beim Jugendbuch hingegen war zu vage. Dadurch habe ich mich auch von Fragen leicht verunsichern lassen. Ich merkte, dass ich entweder selbst keine Idee hatte, oder die Ideen, die ich hatte, auf mein Gegenüber nicht schlüssig wirkten.

Erzählperspektive

Am Anfang hatte ich auch Mühe, die richtige Erzählperspektive für mein Jugendbuch zu finden. Die Handlung sollte aus der Perspektive von zwei Protagonistinnen erzählt werden. Da es mir ziemlich leicht fällt, in der Ich-Perspektive zu schreiben übernahm ich diese Perspektive auch für beide Handlungsstränge.

Irgendwann klopfte meine Bekannte die Unsicherheit an und fragte mich, ob es nicht besser sei, einen Handlungsstrang in einer anderen Erzählperspektive zu schreiben. Schließlich wollte ich ja nicht Gefahr laufen, dass meine Leser*innen die Charaktere miteinander verwechselten. Also schrieb ich die ersten Kapitel um. Ich glaube, es waren damals die ersten 50 Seiten. Das sorgte natürlich dafür, dass Gedanken und Gefühle einer Figur untergingen, weil ich nicht wusste, wie ich diese in der dritten Person unterbringen sollte, ohne sie die ganze Zeit denken zu lassen.

Obwohl ich für einen Schreibwettbewerb erst kürzlich wieder dieses Stilmittel gewählt habe, bin ich mir nicht sicher, ob ich es nochmal für einen Roman anwenden würde. Inzwischen habe ich auch ein paar Kurzgeschichten geschrieben, die in der dritten Person geschrieben sind.

Inzwischen habe ich auch realisiert, dass es in keinem mir bekannten Roman einen Wechsel von der Ich-Perspektive hin zur dritten Person, oder umgekehrt, gibt.

Das nächste Projekt?

Aktuell tue ich mich auch etwas schwer, mit meinem aktuellen Projekt zu starten, weil ich mir noch nicht sicher bin, aus wie vielen Perspektiven die Geschichte erzählt werden soll und zu welcher Erzählperspektive ich greifen werde. Allerdings glaube ich, dass ich das ganz einfach lösen werde: Einfach drauf los schreiben und schauen, was passiert. (Immerhin steht mein Plan, um was es inhaltlich gehen soll).

Die Recherche

Wer einen Roman zum Thema Krankheitsbewältigung schreiben möchte, sollte vorab sehr gut recherchieren. Eine Sache, die ich nicht getan habe. Naiv wie ich war, suchte ich mir zuerst eine Hand voll Symptome aus, die meiner Ansicht nach für eine Einschränkung in der Lebensqualität meiner Protagonistin sorgten. Ich erfand kurzerhand ein Syndrom in dem diese Symptome versammelt waren.

Eine Testleserin erklärte mir dann, dass man mich damit wohl kaum ernst nehmen würde und ich gab ihr recht. Allerdings stellten sich nun die Fragen: Welche Erkrankung sollte ich stattdessen nehmen? Gab es sogar eine Erkrankung, die die von mir aufgezählten Symptome enthielt?
Ich begann zu recherchieren, was mich sehr viel Zeit kostete. Zum Schluss hatte ich dann auch eine seltene Erkrankung gefunden. Allerdings musste ich feststellen, dass der Krankheitsverlauf nicht zum Verlauf meiner Geschichte passte.

Leute, die diese Erkrankung in dem Alter bekommen, in dem meine Protagonistin war, haben oft wenige bis gar keine Einschränkungen. Alternativ hätte ich meine Protagonistin auch einfach jünger schreiben können. Allerdngs wäre dann der Verlauf der Erkrankung schwerer gewesen und ich hätte mich mehr einarbeiten müssen. Außerdem wäre dann der Schwerpunkt der Geschichte ein anderer geworden.

Also überlegte ich, ob ich in einer Art Vorwort erklärte, dass der Roman zwar an die Erkrankung anlehne, aber keinen realen Verlauf beschreibe. Für mehrere Wochen stellte mich die Idee zufrieden. Dann fragte ich mich aber irgendwann, warum iich mir eine Erkrankung aussuchte und es nicht mal schaffte, einen realen Verlauf zu beschreiben. Was sollten meine Leser*innen aus dieser Geschichte mitnehmen? Etwas über die Erkrankung würden sie ja wohl kaum lernen, wenn ich mir den Verlauf so zurechtbog, dass er in die Handlung des Jugendbuches passte.

Dennoch ist es für mein nächstes Projekt wichtig, die richtige Mischung zwischen: sich informieren, aber sich nicht in der Recherche zu verlieren zu finden. Ob mir das gelingen wird? Es bleibt spannend.

Und Du?

Schreibst Du ebenfalls an Deinem Roman, oder hast vielleicht sogar ein Projekt, das Du zu den Akten gelegt hast?
Welche Erkenntnisse hast Du bei Deinem Projekt gewonnen?

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