Vier Tipps für ein erfolgreiches Studium mit Behinderung Tipp 1: Orientierung ist alles

Zwei Personen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich dabei gegenseitig.
Bild von: Emma Zecka

Hallo zusammen,

im Oktober beginnt für viele Menschen ein neuer Lebensabschnitt. Der Start ins Studentenleben. Mein Studium hingegen geht dem Ende entgegen. Es wird also Zeit zurückzublicken: Was kann ich Studierenden mit Behinderung mit auf den Weg geben? Welche Tipps hätten mir zu Beginn des Studiums geholfen?

In dieser kleinen Reihe möchte ich euch – also Menschen mit Behinderung oder Menschen ohne Behinderung, die absolut chaotisch ins Studentenleben stolpern und sich etwas Last-Minute Struktur holen möchten – Tipps an die Hand geben, die euch den Start ins Studium hoffentlich etwas erleichtern.

Vorab: Die Tipps, die in dieser Reihe veröffentlicht werden, sind nicht die Bibel. Die Anregungen sind ganz bestimmt nicht in Stein gemeißelt um mal bei den biblischen Sprache zu bleiben. Wenn ihr Dinge anders seht, dürft ihr das natürlich gerne kommentieren und von euren Erfahrungen berichten.

Kommen wir nun zum ersten Tipp:

Tipp 1: Orientierung ist alles!

Und schon hier werden einige mit den Augen rollen. Denn die Sache mit der Orientierung ist gar nicht so einfach. Besonders, wenn es einen für das Studium in eine fremde Stadt verschlagen hat oder die Hochschulorganisation darauf steht, ihre Studierenden nicht nur auf einem Campus studieren zu lassen, sondern gleich mal eine Stadt Rallye veranstalten.

Ich hatte das Glück, dass meine Hochschule trotz hoher Studentenzahlen relativ klein ist. Sie ist auf drei Gebäude verteilt, die nebeneinander bzw. gegenüberliegend angeordnet sind. Da zu meinem Studienbeginn meine räumliche Orientierung auch noch ziemlich gut war, konnte ich mir das Hochschulgelände alleine anschauen. Wie ich hier vorgegangen bin:

Vorbereitung

Zum einen habe ich mit meinen Eltern den Weg zur Hochschule gelernt. Lernen beinhaltet hier: Welche Straßenbahn muss ich nehmen? Wie komme ich von der Straßenbahnhaltestelle zu den Hochschulgebäuden? Was muss ich auf diesem Weg beachten? (Teilschritte, wie das Heraussuchen der S-Bahn Verbindung konnte ich selbstständig regeln).

Der Weg zur Hochschule war also klar. Ich selbst habe mir die Hochschule erst kurz vor Semesterbeginn angeschaut. Da ich in meinem Heimatort studiere, musste ich glücklicherweise nicht zusätzlich irgendwelche neuen Wege lernen. Ich dachte mir, wenn ich bis kurz vor knapp mit dem Weg zur Hochschule warte, habe ich die Wege noch eher präsent. Im Laufe des Artikels werde ich darauf eingehen, wie ich mich auf dem Hochschulgelände orientiere.

Programm der Einführungswoche und das Vorlesungsverzeichnis:

Wichtige Dokumente vor dem Start ins Studium
Jede Hochschule oder Universität hat eine Einführungswoche. Hier gibt es Veranstaltungen auf dem Hochschulgelände und Termine, die eventuell außerhalb stattfinden können. Ich hab mir also vorab das Programm der Einführungswoche angeschaut um mir dann vor Ort die Wege zu den einzelnen Treffpunkten einprägen zu können.

So gab es z.B. einen Sammelort für die Führung über das Hochschulgelände. Dann wollte ich außerdem wissen, wo unsere Hochschulbibliothek ist.

Zudem habe ich vorab auch einen Blick in das Vorlesungsverzeichnis geworfen um mir gleich die wichtigen Hörsäle anschauen zu können. Ihr werdet lachen aber unsere Hochschule hat gerade mal drei Hörsäle. Für eine Vorlesung mussten wir sogar ausquartiert werden und quasi eine Haltestelle bis zum nächsten Hörsaal fahren.

Und hier mein kleiner Glücksmoment: In der ersten Woche wurden wir in einer Lehrveranstaltung darauf hingewiesen, dass die Vorlesung am kommenden Tag eben in diesem anderen Hörsaal stattfinden sollte. Unsicheres und irritiertes Murmeln machte sich breit. In diesem Moment stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht, weil ich wusste, wo ich am nächsten Tag hin musste.

Orientierung vor Ort an der Hochschule

Einige von euch werden es aus dem Mobilitätstraining vielleicht kennen: Ich arbeitete mich in den Gebäuden am Grundriss also sozusagen den Außenwänden entlang und ging die Räume so ab. An unserer Hochschule sind die meisten Räume beschriftet, sodass ich wusste, wo ich war. (Allerdings ist die Beschriftung nur in Schwarzschrift zu finden. Aber vielleicht bessern sie ja im Laufe der Zeit nach…).

Und dann ist es natürlich wichtig, sich zu trauen und um Hilfe zu fragen, wenn man die Orientierung doch kurz verloren hat. Und das ist definitiv keine Schande und passiert auch Menschen, die mit zwei funktionierenden Augen durch die Weltgeschichte laufen. .

Jetzt fragt ihr euch vielleicht: Was zum Henker ist Mobilitätstraining? Dort bekommt ihr Techniken beigebracht, mit deren Hilfe ihr euch leichter orientieren könnt. Finanziert wird das entweder von der Krankenkasse, der Eingliederungshilfe, der Agentur für Arbeit oder anderen Kostenträgern, je nachdem für welchen Bereich ihr das Training braucht. Bei der Beantragung helfen euch sicher der DBSV oder der DVBS.

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Zu meiner Person

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und auf dem rechten Auge hochgradig sehbehindert. Seit 2017 beträgt mein Sehrest 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab betitelt) pendelnd durch die Weltgeschichte
  • Kann keinen Blickkontakt aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen
  • Kann Personen, die in unmittelbarer Nähe (linker, rechter Sitznachbar je nach Entfernung auch mein Gegenüber) erkennen, alles was darüber hinaus geht aber nicht

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