14. Türchen: Die Drohung

Bild von: Emma Zecka

Dieser Abend gehörte zu einem der schönsten Momente in seinem Leben. Endlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem er seine uneingeschränkte Macht ausleben konnte. Zumindest kam es ihm für einen kurzen Moment so vor.

Er war sich früher ziemlich sicher gewesen, diese Frau mehr als alles andere zu hassen. Als sie noch am längeren Hebel gesessen und sich für eine große Händlerin gehalten hatte. Nun kam fast etwas Mitleid in ihm auf. Schließlich hätte sie ihm vor einem Jahr nicht einen arbeitsfreien Abend beschert, sondern seine Leistung mit lächerlichen Peanuts entlohnt.

Nachdem sie das Krankenhaus so stürmisch verlassen hatte, betrachtete er die Flasche selig. „Na, mit wem werde ich dich heute Abend wohl trinken?“, lächelte er zufrieden. Vielleicht mit Rosie? Nein, die würde ihm die Hölle heiß machen, wenn herauskam, dass die Flasche wieder aufgetaucht war. Indirekt war ihr Verschwinden ein kleiner Skandal gewesen.

Sein Handy klingelte und riss ihn somit aus dem gerade begonnenen Siegesrausch.
„Yo wer stört?“, fragte er selbstsicher.
„Ich weiß was du getan hast“, knurrte es am anderen Ende. Er musste grinsen. Diesen Moment des Sieges konnte ihm nicht einmal sein Anrufer zu Nichte machen. Hätte er sich nicht in seinem Glücksrausch befunden, wäre ihm die Bedrohung am Ende des Hörers vielleicht aufgefallen. Wie konnte er auch davon ausgehen, dass sich der Anrufer ausnahmsweise mit guten Nachrichten meldete. Er rief normalerweise nur an, wenn es irgendwelche Bedrohungen zu…

„Ich hab gerade ein echt heißes Stück ersteigert. Willst du“- legte er los, wurde aber zugleich von dem Anrufer unterbrochen.
„Ich bin gerade in deiner Wohnung. Und ich muss sagen, hier stehen ein paar echt schicke Sachen.“ Als er ein lautes Krachen hörte, wusste er, dass er innerhalb dieser Minute ein verdammt großes Problem an der Backe hatte. Das Glücksgefühl war verschwunden. Welchen Gefühlen es wich, darüber war er sich noch nicht ganz einig. „Okay was willst du?“, fragte er ernst.

Der Fernseher oder die Vitrine? Was hatte er bereits dem Erdboden gleich gemacht? Hoffentlich nur die Vitrine… Die Pokale, die er dort drin lagerte, konnten auch an einem anderen Ort aufgestellt werden. Um den Fernseher wäre es wirklich schade. Langsam merkte er, wie seine Stirn feucht wurde. Memmen hätten es wahrscheinlich als den Beginn eines Schweißausbruches bezeichnet. Aber er war ein Mann.

„Mein Geld, du Arschloch! Du dachtest wohl, du steckst es dir in die eigene Tasche, wenn du mich an die Bullen verrätst. Aber da hast du dich gewaltig geschnitten, mein Lieber. Du weißt gar nicht, wie viel Einfluss ich habe“, fuhr ihn sein Gesprächspartner an. „Aber Tarkan, ich habe gar nicht“- innerhalb des letzten Jahres konnte man die Lügen aus seinem Mund beinahe für die absolute Wahrheit halten. „Verarsch mich nicht“- Tarkan unterbrach sich und brüllte: „OLAF, hast du den Safe?“. Und in diesem Moment hörte der Hausmeister ein lautes quietschendes Geräusch. Eine Sekunde später hörte er, wie etwas in gefühlt tausende Teile zerbarst. Er wusste, dass sie gerade das Regal zerstört und den Safe dahinter gefunden hatten. Seine wunderbare CD Sammlung lag wahrscheinlich unwiderruflich zerstört auf dem Wohnzimmerboden.
„Wie du mit Sicherheit bereits vernommen hast, kratze ich mir bereits die erste Rate zusammen“, erklärte Tarkan selbstzufrieden.

Horst schauderte. „Ich“- doch er wurde durch ein monotones Hämmern unterbrochen. „Olaf, du Arsch! Den Fernseher wollte ich eigentlich mitnehmen. Der war bestimmt ein Vermögen wert“, er konnte das Grinsen, die Genugtuung förmlich spüren. Obwohl Angst eines der Gefühle war, die gerade dominierten, hätte sich Horst wahrscheinlich von einem aufkeimenden Impuls der Aggression leiten lassen und Tarkan eine waschechte Abreibung verpasst. Doch dieses Gefühl der kurzen Überlegenheit verschwand so schnell, wie es gekommen war und wich puren Entsetzens.

„Okay ich mach alles, was du willst, aber bitte lass meine Wohnung in Frieden“, nun war es an ihm, die Bittsteller Position einzunehmen.
„Du hast 24 Stunden Zeit. Wenn ich die 250.000 € dann nicht bar vor mir liegen habe, geht deine wunderschöne Eigentumswohnung in Flammen auf.“
„Aber“- er wollte schon protestieren. Immerhin waren in seinem gerade eben geknackten Safe bereits 150.000 € enthalten. „Ach du meinst, die Peanuts? Das ist nur Trinkgeld mein Freund. Immerhin berechne ich dir keine Zinsen“, bevor der Anrufer auflegte, konnte er noch ein böses, selbstgefälliges Lachen vernehmen.

Innerhalb von fünf Minuten hatte sich Horsts Leben wieder völlig geändert. So viel Geld würde er nie im Leben bis zum nächsten Tag auftreiben können. Das Telefon glitt ihm aus der Hand.
Er war ruiniert. Nun machte sich eine Gewissheit in ihm breit. Er hatte nur wenige Stunden Zeit, um die Stadt zu verlassen. Es war ein geringer Vorsprung, aber er war da. Und diesen durfte er sich auf keinen Fall entgehen lassen.

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4 Gedanken zu „14. Türchen: Die Drohung“

  1. … Ich lese den ersten Abschnitt und denke an Professor Hugoth und das, was er uns über Macht so erzählt XD

    Soso… Tarkan und Olaf.
    Ein schönes Duo 😉

    Ich will ja nichts sagen, aber das ist dann wohl Karma. Ob alle Charaktere es jetzt so fett auf’s Maul kriegen?

    Aber wenigstens haben wir somit den Heilungsprozess von den Kirchen-Leuten und von Snowboardunfall übersprungen. Yeah!

    LG

    PS: Habe gerade den „Älterer Post-Link“ gefunden. Halleluja!

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  2. Hm… den Teil über Macht habe ich verdrängt. Oder das wurde bei uns nicht so ausführlich thematisiert. Ich glaube, ich gehe nochmal in meinen Unterlagen stöbern 🙂

    Nein keine Sorge. Nicht alle Charaktere sind so arm dran, wie unser Hausmeister.

    viele Grüße
    Emma

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  3. Hey!
    Sehr… nette Szene 😀 Auf jeden Fall schön getroffen, wie der Hausmeister sich erstmal ekelhaft freut und danach selbst ins Schwitzen kommt 😀 Tarkan und Olaf wirken auch bedrohlicher als ihre Namen es vermuten lassen ;D

    LG

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  4. Ich habe gerade diese Szene mit dem Anruf gefühlte tausend Mal überarbeitet, weil ich fand, dass sie kein bisschen bedrohlich klang. Deswegen freut es mich umso mehr, dass wohl etwas von der gewünschten Stimmung rüber gekommen ist.

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