Klischees über blinde Menschen, die du in deinem Buch vermeiden solltest

Zwei Menschen, die als Silhouetten dargestellt sind, besteigen einen Berg und helfen sich gegenseitig. Darüber steht GEFORDERT.
Bild von: Emma Zecka

Hallo zusammen,

anlässlich des Europäischen Protesttags der Menschen mit Behinderung teile ich heute Klischees über blinde und sehbehinderte Menschen mit euch, die mir nicht nur im Alltag, sondern auch in der Literatur oder im Film und Fernsehen begegnen. Um eine möglichst vielfältige Auswahl zusammenzustellen, habe ich mich in einer Facebook Gruppe umgehört. Die wichtigsten Klischees habe ich hier zusammengefasst.

Im ersten Teil geht es um die Klischees und die Irrtümer, die sich dahinter verbergen. Da wären beispielsweise die Sonnenbrillentragenden Musizierenden, die Hilflosen oder Menschen mit Superkräften oder die wichtige Erkenntnis, dass nicht alle blinden Menschen nichts sehen. Nur um mal ein paar Beispiele zu nennen.

Im zweiten Teil verrate ich euch dann, was ihr tun könnt, um Klischees zu vermeiden. Neugierig? Auf geht’s!

Die Klischees

Kommen wir an dieser Stelle also zuerst zu den Klischees:

Nummer 1: Nicht alle blinden Menschen sehen nichts

Viele Menschen glauben, dass blind zu sein auch bedeutet, dass man gar nichts sieht. Also kein Licht, keine Umrisse, Gegenstände und schon gar keine Farben.

Vor einigen Jahren habe ich einen Artikel zu diesem Klischee mit dem Titel Blind heißt nicht gleich nichts sehen geschrieben.

Deswegen an dieser Stelle nur in Kürze: In Deutschland gelten die Personen als blind, die auf dem besseren Auge maximal 2% sehen oder eine Sehbehinderung haben, die damit gleichzusetzen ist.

Ich habe einige Menschen kennengelernt, die laut dem Gesetz als blind gelten, aber noch normale Bücher lesen, sich im Alltag ohne den Langstock, auch Blindenstock genannt, orientieren können und sehr daran interessiert sind, ob sie in einem dunklen oder einem hellen Raum sitzen, da dieses wichtige Detail beeinflusst, wie viel sie von ihrer Umgebung wahrnehmen können.

Nummer 2: Die Sonnenbrillentragenden Musiker*innen

Ihr kennt sie bestimmt. Stevie Wonder, Ray Charles, Corinna May und Joana Zimmer? Sie alle verbinden drei Dinge:

  1. Sie sind MusikerInnen.
  2. Sie sind blind.
  3. Sie tragen eine Sonnenbrille.

Hier begegnen uns also gleich zwei Klischees. Zum einen gehen viele Menschen davon aus, dass blinde Menschen vor allem Sonnenbrillentragend unterwegs sind. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass sich blinde Menschen überdurchschnittlich oft für Musik interessieren und auch musikalisch sind. Schließlich muss man hier nicht gut sehen, aber gut hören können.

Ob sich jemand für Musik interessiert, hängt nicht davon ab, wie gut eine Person sieht. Ich habe blinde Menschen kennengelernt, die nichts mit Musik anfangen können. Andere hingegen lieben Musik, hören nicht nur viel Musik, sondern hören auch Radio und können euch ziemlich spannende Fakten darüber erzählen, was hinter den Kulissen so passiert.

Nur, weil jemand gern Musik hört, heißt das aber noch nicht, dass diese Person auch musikalisch ist. Wenn ich ein Konzert besuche und die Künstler*innen das Publikum auffordern im Takt mitzuklatschen könnt ihr euch ziemlich sicher sein, dass ich in dem Moment klatsche, wenn kein anderer Mensch klatschen wird.

Ein Instrument zu lernen kostet zudem viel Konzentration, da blinde Menschen nicht gleichzeitig Noten lesen und Tasten spielen oder Saiten zupfen können. Es gibt Menschen, die es trotzdem nicht davon abhält, Musik zu spielen. Aber es gibt auch Menschen, die lieber Musik hören, als Zeit ins Spielen zu investieren.

Kommen wir nun zur Sonnenbrille: da viele blinde Menschen noch einen geringen Sehrest haben erfüllt die Sonnenbrille hier die Funktion, die sie bei vollsehenden Menschen erfüllt. Es gibt aber auch blinde Menschen, die sich durch das Tragen der Sonnenbrille vor den Blicken anderer Menschen schützen wollen. Wer nicht oder nur sehr schlecht sieht, kann das Gegenüber nicht oder nur sehr erschwert fokussieren . Der Blick geht also schon mal in alle Richtungen. Dass man hierbei nicht fasziniert beobachtet werden will, erklärt sich von selbst, oder?

Dennoch: es gibt auch Menschen wie mich, die eine Sonnenbrille stört, weil sie die Umgebung abdunkelt. Deswegen bin ich meist ohne Sonnenbrille unterwegs.

Nummer 3: Hilflos vs. Superheld*in

Ein Klischee das uns vor allem in der Literatur, Film und oder Fernsehen sehr oft begegnet. Entweder werden blinde Menschen als unselbstständig dargestellt wie es beispielsweise in der ARD Produktion Song für Mia passierte, oder blinde Menschen haben Superkräfte: hören überdurchschnittlich gut, können Emotionen ihres Gegenübers erspüren, weil sie ja bekanntlich mit dem Herzen sehen.

Die Hilflosigkeit

Wer voll sieht und keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderungen hat, kann sich nur schwer vorstellen, wie man ohne fremde Hilfe zurechtkommt. So wird automatisch davon ausgegangen, dass blinde Menschen Personen brauchen, die sie betreuen. Ob bei der Arbeit, dem Alltag oder der Freizeit. Sie sind ja blind und für die meisten Dinge im Leben muss man ja sehen können.

Was dabei völlig ausgeklammert wird sind vor allem zwei Aspekte:

Zum einen gibt es technische Hilfsmittel, die dafür sorgen, dass blinde Menschen mehr Dinge selbstständig machen können, als die meisten vollsehenden Menschen vermuten. (In diesem Video zeige ich euch eine kleine Auswahl dieser Hilfsmittel).

Der Langstock, auch Blindenstock genannt, ermöglicht Orientierung. Die ScreenReader lesen Inhalte am Computer, Tablet, oder Smartphone vor und stellen damit eine fast einwandfreie eigenständige Bedienung dieser Geräte sicher. (Immer wieder scheitert es allerdings an der Barrierefreiheit einer Anwendung oder Website. Aber das ist ein Kapitel für sich und hat nichts mit der Hilflosigkeit von blinden Menschen zu tun).

Zum anderen können blinde Menschen zwar nicht sehen, sind aber sehr geübt darin Lösungsstrategien für bestimmte Situationen zu finden. Einfaches Beispiel: um selbstständig Wäsche waschen zu können, werden Kleidungsstücke markiert um hell und dunkle Wäsche voneinander zu unterscheiden und nicht jedes Kleidungsstück an das Farberkennungsgerät halten zu müssen. Und schon allein die Tatsache, dass es ein Gerät bzw. Apps gibt, die mir sagen, welche Farbe meine Kleidungsstücke haben, lässt mich Kleidung selbstständig aussuchen.

Zudem wird in der Literatur oder dem Film und Fernsehen davon ausgegangen, dass blinde Menschen ihr Gegenüber nicht fokussieren können. Wie denn auch? Sie sehen ja nicht, wo die Person steht.

Jedoch wird ein wichtiges Merkmal vergessen: Das Gehör funktioniert nach wie vor sehr gut. Wenn man sich nicht gerade in einer lauten Umgebung befindet oder ein größerer Abstand zwischen den Gesprächspersonen besteht, hört man wo das Gegenüber steht und kann nicht nur in die Richtung schauen, in der sich die Person befinden müsste, sondern ihr auch ins Gesicht schauen. Nur das mit dem Blickkontakt ist hartes Training.

Immer wieder bin ich spät erblindeten Menschen begegnet, die auch das in die Augen schauen trainiert haben und es im 1:1 Gespräch nutzen können. Jedoch erfordert das viel Konzentration. Je größer eine Gruppe ist, desto schwieriger wird es, in die Richtung der Person zu schauen, die gerade spricht. Aber auch hier lassen sich Lösungsstrategien entwickeln.

Wenn ihr nun wissen wollt, wie ihr am besten reagiert, wenn ihr blinden Menschen im Alltag begegnet und euch nicht sicher seid ob sie Hilfe benötigen, empfehle ich euch diesen Artikel, in dem ich euch von den Do’s und Don’ts erzähle, die es zu beachten gibt. Spoiler: Einige Fakten treffen auch auf Menschen mit anderen Behinderungen zu.

Die Sache mit den Superkräften

Kommen wir nun zu den blinden Menschen mit den angeblichen Superkräften. Es tut mir sehr leid, an dieser Stelle muss ich euch wohl den Wind aus den Segeln nehmen. Nur weil ein Mensch blind ist, macht es ihn nicht zum besseren oder schlechteren Menschen.

Natürlich können wir mehr von einer Situation wahrnehmen, je mehr Sinne wir haben. Wenn uns ein Sinn fehlt können wir aber auch andere Sinne schulen. Kommen wir an dieser Stelle einmal zu drei Beispielen:

Beispiel 1: Das unhöfliche Nicht-Zurückgrüßen

Ihr trefft einen blinden oder offensichtlich sehbehinderten Menschen auf der Straße, grüßt freundlich und die Person läuft wortlos, wahlweise auch pendelnd an euch vorbei. Warum sie nicht zurückgrüßt kann viele Gründe haben. Wenn ihr gerne halbleere Gläser mögt, liegt es vermutlich daran, dass sie euch nicht mag oder generell keine Menschen mag.

Kommen wir an dieser Stelle zu den naheliegenden Gründen: Oft grüße ich nicht zurück, weil ich nicht sicher bin, ob ich gemeint bin. Wenn die Umgebung ruhiger ist und weit und breit keine anderen Menschen zu hören sind, ist das natürlich eine andere Sache. Auch hier kann es aber vorkommen, dass ich in Gedanken bin, wie jeder andere Mensch auch, der keine Behinderung hat.

Zudem erkenne ich nur die Stimmen der Menschen, mit denen ich auch regelmäßig zu tun habe. Regelmäßig meint dabei, dass ich mit den Personen mehr als ein Hallo spreche und somit Zeit habe mir Stimme und Person inklusive einer Geschichte zur Person zu merken. Funfact: Stimmen verändern sich übrigens auch über die Jahre.

Beispiel 2: Die Sache mit der übernatürlichen Wahrnehmung

Auf der Zielgerade meines Studiums wurden wir intensiv auf eine Fallklausur vorbereitet. Wir bekamen Fälle mit dazugehörigen Fragen, die wir beantworten sollten und besprachen unsere Lösungsansätze im Seminar. Ich fand diese Möglichkeit ziemlich praktisch, da die Dozentin mit der wir die Fälle besprachen auch die Person war, die später unsere Klausuren korrigierte. Wir konnten so also herausfinden, welche Aspekte ihr wichtig waren. Also nutzte ich die Gelegenheit und warf meine Hausaufgaben regelmäßig zur Diskussion in den Ring.

Dadurch, dass mein Sehrest sehr gering ist, konzentriere ich mich auf das, was gesagt wird. Ich lasse mich also nicht von optischen Dingen, wie Vögel, die am Fenster vorbei fliegen, hochgezogenen Augenbrauen oder rollenden Augen vom eigentlichen Thema ablenken. Das kann Vor-, aber auch Nachteil sein, weil ich mich dadurch auch auf das verlassen muss, was gesagt wird.

Nach einer Besprechung in der wir wieder ausführlich diskutiert haben, erklärte mir eine Freundin, dass unsere Dozentin eine meiner Antworten mit hochgezogener Augenbraue kommentiert habe. Ihre Interpretation davon war: Sie nimmt dich nicht ernst.

Während der Diskussion habe ich durchaus wahrgenommen, dass das, was ich geschrieben habe nicht das war, was meine Dozentin hören wollte. Ich war also froh um die inhaltliche Kritik, ihr wisst, es geht schließlich darum, eine möglichst gute Note in der Klausur zu bekommen.

Meine Freundin hingegen hat die Erweiterung der Kommunikation wahrgenommen und somit hatte sie hier, Menschenkenntnis hin oder her, mir gegenüber einen ganz klaren Vorteil.

Beispiel 3: Die Sache mit dem überdurchschnittlich guten Gehör

Blinde Menschen sind auf ihr Gehör angewiesen hören aber nicht überdurchschnittlich besser als vollsehende Menschen. Jedoch sind sie es gewohnt Geräusche im Ohr zu haben, die vollsehende Menschen überhören.

Wenn ich mit meiner Arbeitsassistenz unterwegs bin und wir am Bahnhof umsteigen, höre ich immer mit halbem Ohr auf die Durchsagen, um sicherzugehen, dass wir wirklich auf dem Weg zum richtigen Gleis sind und es nicht zu einer kurzfristigen Änderung kommt. Meine Arbeitsassistenz hingegen nimmt die Durchsagen nur als Hintergrundgeräusch wahr und konzentriert sich stattdessen darauf uns durch die Menschenmengen zu manövrieren.

Sie hört also nicht schlechter als ich, sondern konzentriert sich einfach auf einen anderen Sinn.

Nummer 4: Blind gibt’s nur mit Hund

Oft werden blinde Menschen auch gerne im Zusammenhang mit dem Blindenführhund wahrgenommen. Es wird also signalisiert, dass der Blindenführhund ein Hund ist, der blinde Menschen im Alltag unterstützt und sie von A nach B bringt.

Und genau hier liegen wir einem Irrtum auf: Ja, der Blindenführhund sorgt dafür, dass sich blinde Menschen leichter orientieren können und schneller eine nicht-akustische Ampel finden oder sich zielsicher in Fußgängerzonen bewegen können, weil der Blindenführhund dafür sorgt, dass sie nicht erst gegen Menschen laufen, die in der Gegend herumstehen, verträumt in ein Schaufenster, oder konzentriert auf ihr Smartphone blicken oder sich durch die Außenbereiche verschiedener Cafés navigieren müssen.

Jedoch funktioniert das nur, weil der blinde Mensch weiß, wo er hin will und dem Hund die dafür notwendigen Kommandos geben kann.

Eine Freundin von mir hat inzwischen ihren zweiten Blindenführhund und merkt nun die Unterschiede zwischen den beiden Hunden. Wenn sie ihren ersten Hund aufforderte, an einer bestimmten Stelle die Straße zu überqueren, lief er weiter, wenn das aus seiner Sicht an dieser Stelle nicht möglich war und suchte eine geeignete Alternative.

Wenn sie ihren zweiten Hund aufforderte nach wenigen Schritten abzubiegen, erledigte er pflichtbewusst seine Aufgabe mit dem Ergebnis, das beide auf einer Wiese landeten, anstatt den Weg erwischten, der nur ein paar Schritte weiter auf sie wartete.

Hunde oder Katzentyp?

Hinzu kommt auch etwas völlig naheliegendes: Ein Blindenführhund ist natürlich auch nur für Menschen geeignet, die Hunde mögen. Wie es im Leben nun mal so ist, ihr könnt es euch wahrscheinlich denken, es gibt auch blinde Menschen, die eher im Team Katzen spielen.

Nummer 5: Mitleid zum hier essen oder mitnehmen?

Ein Punkt, der nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen betrifft, sondern mit dem sich viele Menschen mit Behinderung immer wieder beschäftigen. Sätze wie Ich könnte das nicht oder Oh, das tut mir leid kommen vor allem von Menschen ohne Behinderung.

Die Ich-könnte-das-nicht-Fraktion zeigt mir, dass dieser Personengruppe bewusst ist, dass Menschen mit Behinderung im Alltag vor Herausforderungen stehen, die es tagtäglich zu bewältigen gilt und die Kraft kosten. Da sie vermutlich nur wenige Lösungsstrategien kennen, die sich Menschen mit Behinderung angeeignet haben, scheint der Berg, der eine Behinderung wohl mit sich bringen muss, unüberwindbar.

Die Oh-das-tut-mir-Leid-Gruppe gibt mir das Gefühl, dass geglaubt wird, dass es Mitleid brauche, weil Menschen mit Behinderungen aufgrund der Behinderung viel entgehe. Wenn man sich das Wort anschaut, braucht es Leute, die mit-leiden, weil ein Leben mit Behinderung ja mit Leid verbunden sein muss. Schließlich fehlt der Person ja etwas im Vergleich zu einem Menschen ohne Behinderung.

Somit haben sie einen defizitorientierten Blick auf Behinderung. Sie sehen vor allem das, was nicht (mehr) geht. Dabei wird aber völlig vergessen, dass es Menschen mit Behinderung gibt, die ihre Behinderung schon von Geburt an haben. Sie haben also keine Möglichkeit ein Leben ohne und ein Leben mit Behinderung zu vergleichen, weil sie nur das Leben mit Behinderung kennen und idealerweise gelernt haben, damit umzugehen.

Raul Krauthausen setzt sich in seinem Artikel ebenfalls mit diesen Sätzen auseinander und beschreibt, dass ihn diese Sätze lange geärgert haben, er aber inzwischen eine neue Perspektive darauf gewonnen hat, der ich an dieser Stelle nur zustimmen kann.

Diese Reaktionen zeigen nämlich auch, dass Menschen den Mut nicht hätten, offen mit einer scheinbaren Schwäche umzugehen.

Nummer 6: Tastend durch die Weltgeschichte

Kommen wir nun zum letzten Klischee über blinde Menschen, das mir immer wieder begegnet, wie beispielsweise im ersten Band von Ursula Poznanskis Vanitas-Reihe: blinde Menschen müssen sich die Welt ertasten. Wahlweise werden Gegenstände, sehr gerne aber auch Gesichter erfühlt.

Dieses Klischee nervt mich mit am meisten. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich noch keinem blinden Menschen begegnet bin, der unbedingt ein Gesicht ertasten wollte und dass es vor allem mit der Vorstellung von vollsehenden Menschen zu tun hat, die glauben, man könne sich ein Gesicht besser vorstellen, wenn man es ertaste. Hinzu kommt auch, dass davon ausgegangen wird, dass blinde Menschen wissen wollen, wie Gesichter aussehen. Gerade bei den Menschen, die von Geburt an blind sind, habe ich hinsichtlich der Vorstellung von Gesichtern Desinteresse gemerkt. Für viele von ihnen ist es viel wichtiger, wie ein Mensch klingt.

Vielleicht muss an dieser Stelle auch zwischen spät erblindeten Menschen und von Geburt an blinden Menschen unterschieden werden. Möglicherweise gibt es spät erblindete Menschen, die das Gesichter ertasten wichtig finden. Ich habe bisher noch niemanden kennengelernt.

Wie ich als Autor*in Klischees vermeiden kann

Kommen wir nun zum zweiten und wahrscheinlich deutlich kürzeren Teil dieses Beitrages. Ob sich mit diesen Hinweisen alle Klischees vermeiden lassen, dafür kann ich nicht garantieren. Jedoch gehe ich fest davon aus, dass die folgenden Hinweise euren Text besser machen werden:

Die Recherche

An sich ist es eine logische Sache. Da es aber genug Bücher oder Filme mit Klischees gibt, gehe ich davon aus, dass viele Autor*innen entweder nicht oder nicht ausreichend recherchieren. Deswegen sollte dieser Punkt nicht unerwähnt bleiben.

Wenn ihr über Themen schreibt mit denen ihr euch nicht auskennt, gibt es zahlreiche Möglichkeiten euch zu informieren. Wenn es um die Darstellung von Menschen mit Behinderungen geht, bieten sich u.a. Social Media oder auch Dokumentationen an in denen Betroffene zu Wort kommen und erzählen, wie sie ihr Leben wahrnehmen. Natürlich gibt es in den Dokumentationen immer noch die Stimme aus dem Off, welche Inhalte zusammenfasst. Jedoch gehe ich davon aus, dass ihr trotzdem viel mitnehmen könnt.

Empfehlenswert sind auch Biografien, die von bzw. mit Menschen mit Behinderung geschrieben wurden.

Bei Social Media gibt es jede Menge Reels in denen Menschen mit Behinderung von Klischees erzählen oder Wissenswertes weitergeben. Wenn ihr den Accounts der Personen folgt, bekommt ihr einen kleinen Ausschnitt aus ihrem Leben mit und bekommt so ein ansatzweise realistisches Bild von einem Leben mit Behinderung.

Eine weitere Möglichkeit ist auch die Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen oder Vereinen der Selbsthilfe. Wer sich in einer Selbsthilfegruppe engagiert, hat den Punkt, die eigene Behinderung zu verdrängen, wahrscheinlich hinter sich gelassen. Natürlich garantiert es trotzdem nicht, dass die Mitglieder einer Gruppe mit euch sprechen wollen, ich kann mir aber gut vorstellen, dass ihr dank Selbsthilfegruppen verschiedene Perspektiven auf bestimmte Behinderungen und Erkrankungen bekommt.

Vorstellungen überprüfen

Dieser Punkt gehört für mich im Grunde zur Recherche. Klischees kommen aus meiner Sicht auch deswegen zustande, weil Personen bestimmte Vorstellungen darüber haben, wie ein Leben mit Behinderung aussehen müsste. Dadurch, dass sie diese Vorstellungen nicht überprüfen erzählen sie die Geschichten, die sie eben erzählen.

Zu einer guten Recherche gehört für mich auch sich mit den eigenen Vorstellungen und der Realität auseinanderzusetzen und Vorurteile abzubauen.

Sensitivity Reading

Ihr wollt über Menschen mit Behinderung schreiben, habt aber keine Behinderung und kennt auch keine Person, die eine Behinderung hat? Das Thema Recherche schreckt euch ab, weil ihr Angst habt etwas falsch zu machen?

Dann bietet sich das Sensitivity Reading an. Hier lesen Personen, die sich in bestimmten Themen auskennen, eure Texte, prüfen sie auf Logik, Klischees oder eine diskriminierende Darstellung.

Vor einigen Jahren wurde sensitivity-reading.de gegründet. Auf der Plattform findet ihr Leute, die ihre Expertise mit euch teilen. Da das Prüfen von Texten Arbeitszeit mit sich bringt, braucht ihr für das Sensitivity Reading ein Budget. Wie viel eine Person verlangt, hängt von dem Auftrag und dem Umfang ab.

Mein Angebot

Ich biete Sensitivity Reading zu folgenden Themen an:

  • Leben mit Blindheit / Sehbehinderung: alltagsbezogene Fragestellungen, Hilfsmittel, rechtliche Ansprüche (Betroffenen Perspektive)
  • Leben mit Grüner Star (Glaukom) (Betroffenen Perspektive)
  • Schwerbehinderung: rechtliche Grundlagen / Ansprüche (Betroffenen Perspektive bzw. fachliches Wissen aufgrund meines Hauptberufes).
  • Psychische Erkrankungen / Suizid (Angehörigen Perspektive)

Ihr könnt verschiedene Angebote buchen und auch miteinander kombinieren. So habe ich beispielsweise das Team von MIRA & das magische Baumhaus telefonisch beraten oder Romane wie Ein Experiment namens Liebe oder den 82. Band der Sternenschweif-Reihe Korrektur gelesen.

Eine Übersicht meiner Leistungen und der Preise findet ihr auf dieser Seite als PDF zum Download. Hast Du Fragen? Dann melde Dich gern.

Und Du?

Hand aufs Herz: Welches Vorurteil konntest Du durch diesen Artikel über den Haufen werfen?

Welche Vorurteile begegnen Dir im Alltag?

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Zu meiner Person:

Ich bin von Geburt an auf dem linken Auge blind und sehe auf dem rechten Auge 2%, was bedeutet, dass ich nach dem Gesetz als blind gelte. In der Praxis heißt dass: Ich…

  • Habe Mühe mich in unbekannten oder schlecht beleuchteten Räumen zu orientieren.
  • Erkenne mir bekannte Personen nicht im Vorbeigehen.
  • Laufe mit einem Blindenlangstock (von mir als Elderstab bezeichnet) pendelnd durch die Weltgeschichte.
  • Kann keinen Blickkontakt mit meinem Gegenüber aufnehmen und mit der Mimik meines Gegenübers nichts anfangen.
  • Kann je nach Lichtverhältnissen und Abstand, erkennen, dass Personen neben oder gegenüber von mir sitzen, kann aber keine Angaben über ihre Mimik oder Gestik machen.

Achtung: Mit den Prozenten und dem Sehrest verhält es sich sehr subjektiv. Nicht alle Menschen, die 2% sehen müssen beispielsweise einen Langstock zur Orientierung nutzen. Wenn ihr euch unsicher seid, wie viel Personen sehen, fragt am besten einfach nach.

 

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