Der Inhalt
Ihr kennt es bestimmt: Es gibt diese Klassiker, die gefühlt alle gelesen haben, nur ich habe keine Ahnung, worum es eigentlich geht. Genauso ging es mir bei Sturmhöhe. Deswegen war ich froh, mich dem Klassiker in einer Lese- bzw. Hörrunde annähern zu können. Emily Bronte erzählt hier eine Liebesgeschichte, die Auswirkungen auf mehrere Generationen hat. Ein spannender Konflikt, weil mir noch nie bei einer Handlung so bewusst wurde, wie eine Entscheidung das Leben vieler Personen beeinflussen kann.
Catherine und ihr Bruder haben eine gute Kindheit. Ihr Vater liebt sie über alles. Eines Tages bringt er von einer Reise einen Jungen mit. Sie nennen ihn nur Heathcliff. Er ist in Catherines Alter und beide freunden sich sehr schnell an. Das Problem: Beide werden als Geschwister erzogen. Da Heathcliffs Herkunft unklar ist, ist an eine Heirat natürlich nicht zu denken.
Emily Bronte bedient sich hier eines bekannten Stilmittels: Nämlich der Geschichte in der Geschichte. Die Handlung beginnt nämlich nicht mit Catherines und Heathcliffs Geschichte. Sie beginnt mit einem Mister Lockwood, der sich bei einem Spaziergang verirrt und auf den erwachsenen Heathcliff trifft. Lockwood lernt eine ehemalige Angestellte von Catherines Familie kennen, die ihm die Geschichte der beiden erzählt.
Was die Handlung betrifft, finde ich sie solide. Es ist viel Dramatik und Herzschmerz dabei. Genau das, was man bei einem historischen Klassiker erwartet. Dennoch fehlte mir die Figurenentwicklung. Es wurde zwar beschrieben, wie sie mit Konflikten umgehen. Mir fehlte aber die Entwicklung und auch die verschiedenen Eigenschaften der Figuren. Die meisten von ihnen wurden vor allem durch eine Charaktereigenschaft beschrieben.
Außerdem war mir das Mittel der Geschichte in der Geschichte zu schwach umgesetzt. Lockwoods Funktion in der Handlung bestand nur darin, sich die Geschichte anzuhören. Sein Dasein hatte aber überhaupt keine Auswirkungen auf die Geschichte. Das enttäuschte mich sehr.
Dadurch blieb Sturmhöhe für mich ein Hörbuch für zwischendurch. Es gab zwar spannende und emotionale Momente, aber der Inhalt hinterließ bei mir keinen bleibenden Eindruck.
Die Hörbuchgestaltung
Das Schwierige bei Klassikern ist auch, dass es meistens viele Hörbuchversionen gibt. Ich entschied mich für eine ungekürzte Version, die im Audiobuch Verlag produziert wurde. Der Verlag ist inzwischen von dem Konzern Saga Egmont aufgekauft worden. Alle Titel des Verlages werden nun von steinbach – sprechende Bücher vertrieben. Was mich verwirrte war, dass dieses Hörbuch offenbar nur noch als Download bei Audible verfügbar ist. Zumindest war es bei meiner Lieblingsbuchhandlung nicht mehr gelistet.
Da die Handlung sowohl aus der Perspektive von Mister Lockwood als auch aus der Perspektive der Angestellten von Catherines Familie erzählt wird, hat man sich hier auch für zwei Personen entschieden, die das Hörbuch lesen.
Wolfgang Berger übernimmt die Perspektive von Mister Lockwood. Er hat eine angenehme Stimmfarbe und eine tolle Betonung, welche mir den Einstieg in das Hörbuch deutlich erleichterten. Leider hören wir ihn in der Handlung recht wenig, weil der Anteil seiner Figur nicht sehr groß ist.
Beate Rysopp spricht die Perspektive der Angestellten. Auch ihre Stimmfarbe ist sehr angenehm. Das Spannende an ihrer Perspektive war, dass sie viel mehr Figuren interpretieren musste, als Wolfgang Berger.
Obwohl beide Sprecher*innen eher schlicht interpretieren und die verschiedenen Figuren nicht in unterschiedlichen Stimmen lesen, konnten sie durch die Betonung zeigen, dass sie in der Lage waren, die Unterschiede der Figuren stimmlich herauszuarbeiten.
Was mich in der Hörbuchgestaltung etwas verwirrte war die Verteilung der beiden Rollen. Mir war zwar schnell klar, dass Berger und Rysopp jeweils eigene Perspektiven haben. Allerdings konnte es immer wieder vorkommen, dass Beate Rysopp in Bergers Perspektive die Kapitel angesagt hat, oder Berger in Rysopps Perspektive eine wörtliche Rede sprach, wenn sich Lockwood und die Angestellte miteinander unterhielten. Einerseits fand ich das als Stilmittel interessant. Andererseits hätte ich mir auch etwas mehr Struktur gewünscht.
Der Schreibstil
Was mir an Emily Brontes Schreibstil sehr gut gefallen hat war, dass die Handlung aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Etwas, das ich von Klassikern noch nicht kannte. Das trug dazu bei, dass ich sehr schnell in die Handlung reinkam und ich trotz der langen Sätze nicht abgeschweift bin.
Bei Klassikern habe ich oft den Eindruck, dass sie eher in indirekter Rede geschrieben sind. Emily Bronte überraschte mich hingegen mit vielen Dialogen, die mich gut unterhalten haben.
Was ebenfalls ein typisches Stilmittel ist, was ich ihr also nicht vorwerfen kann war, dass Figuren über andere Figuren sprechen. Die Entwicklung der Figuren passiert also nicht dadurch, dass sie etwas tun, sondern dadurch, dass eine Figur ihre Eindrücke über die Figur zusammenfasst. Damit macht es sich Bronte natürlich auch etwas einfach.
Gesamteindruck
Sturmhöhe hat mich positiv überrascht. Ich befürchtete, wieder einen Klassiker vor mir zu haben, dessen Inhalt ich wahrscheinlich nicht verstehen werde. Stattdessen war die Handlung klar und solide. Ob ich den Klassiker weiterempfehlen kann, ist schwer zu beantworten. Wahrscheinlich hängt es davon ab, was ihr sucht. Wenn ihr eine Liebesgeschichte mit viel Drama wollt, die sprachlich anders aufbereitet ist, als belletristischen Titel, seid ihr mit Sturmhöhe sicher gut beraten.
Wenn ihr aber ein Hörbuch sucht, in dem es aktive Handlung gibt, wird euch das Hörbuch wahrscheinlich eher langweilen.
Infos zum Hörbuch
Sturmhöhe
Geschrieben von: Emily Bronte
Es lesen: Wolfgang Berger und Beate Rysopp.
Bewertung: 3 von 5 Herzen