Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann

Das Hörbuchcover von "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" Band 1 der Vergissmeinnicht-Reihe.
Bild von Argon Verlag

Der Inhalt

Lange habe ich auf ein neues Jugendhörbuch von Kerstin Gier gewartet. Nun meldet sich die Autorin direkt mit dem Auftakt einer Trilogie zurück.

Der Klappentext verrät schon ziemlich viel über den Inhalt. Dennoch finde ich ihn sehr treffend, weil so alle Interessent:innen wissen, worauf sie sich bei diesem Jugendhörbuch einlassen. Ich bin quasi ins kalte Wasser gesprungen, weil ich nur den Titel des Hörbuches kannte. Bereut habe ich es aber kein bisschen.

Die Handlung wird aus zwei Perspektiven erzählt. Wir lernen Quinn kennen, der auf eine Party ist. Schnell finden wir heraus, dass er zu den coolen Leuten gehört. Doch die Party nimmt für ihn ein jähes Ende. Diesen Einstieg in Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann fand ich ziemlich genial, weil uns Kerstin Gier direkt in die Handlung katapultiert.

Wie der Klappentext schon erahnen lässt, wird die zweite Perspektive aus Sicht von Matilda erzählt. Sie ist die typische Heldin aus der zweiten Reihe. Sie nimmt viel wahr, wird aber nur von wenigen Leuten wirklich gesehen. Passend dazu trägt der Roman auch den Untertitel: Was man bei Licht nicht sehen kann. (Wobei sich das wahrscheinlich eher auf andere Dinge bezieht).

Die Handlung ist solide und hält alles, was ein gutes Jugendhörbuch verspricht. Es gibt jede Menge Probleme, mit denen sich die Heranwachsenden herumschlagen müssen. Da wären nicht nur fiese Verwandte, sondern auch Eltern, die einem nicht etwa nur Hausarrest, sondern gleich Internet- und Handyentzug aufbrummen. Außerdem geht es natürlich um das große Thema Liebe. Der Aufbau der Liebesgeschichte erinnert mich ein bisschen an die klassischen Liebesromane. Böse Zungen könnten behaupten, dass uns hier viele Klischees begegnen. Mir hingegen hat das diesmal ganz gut gefallen, weil mir bewusst war, dass dieses Jugendhörbuch für eine jüngere Zielgruppe geschrieben ist.

An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich den Teil mit der Fantasywelt nicht ganz verstanden habe. Zum einen lag das daran, dass Kerstin Gier ziemlich viel erklärt und wir wenig gemeinsam mit den Figuren erleben.
Zum anderen lag es für mich aber auch an der Fülle der Nebencharaktere. Das beginnt schon allein damit, dass Matilda eine große Familie hat. Natürlich lernen wir alle Verwandten inklusive dem verwandtschaftlichen Verhältnissen kennen. Hinzu kommen auch die Leute, denen Quinn und Matilda in der Schule begegnen.

Als dann noch die Nebenfiguren hinzukommen, die für den Teil mit der Fantasywelt wichtig sind, habe ich den Überblick verloren. Mir war nicht klar, welchen Figuren Quinn und Matilda vertrauen können und wer auf der anderen Seite steht und die beiden eher in Gefahr bringt.

Was die Thematik der Fantasywelt betrifft, begegnet uns auch diesmal nichts Neues. Allerdings könnte Kerstin Gier mit einem Thema für eine neue Perspektive auf das Thema Fantasy sorgen. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob sie das wirklich durchzieht.

Im Klappentext wird bereits beschrieben, dass Quinn schwer verletzt wird. Die Folgen dieser Verletzung spielen im gesamten Roman eine Rolle. Er bewegt sich hauptsächlich im Rollstuhl fort, geht regelmäßig zur Physiotherapie, in der Hoffnung bald wieder laufen zu können. Auch die Therapiesitzungen bei einer Psychologin bleiben ihm nicht erspart. Was Kerstin Gier gut herausarbeitet, sind die Schwierigkeiten denen Menschen mit Behinderungen im Alltag oft begegnen. Es gibt beispielsweise Menschen, die davon ausgehen, dass Leute, die im Rollstuhl sitzen, auch gleichzeitig eine Lernbehinderung haben müssen und man deswegen nicht mit ihnen, sondern lieber über sie spricht. Ein großer Aspekt nimmt natürlich auch die Frage ein, wie Quinn mit den Folgen seines Unfalls umgeht.

Die Schwierigkeit, die ich bei Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann sehe, ist den richtigen Bogen zu finden zwischen Behinderung einbauen und Quinn nicht zum Superhelden werden zu lassen. In vielen Nebensätzen zeigt Kerstin Gier, dass sie sich mit dem Thema Behinderung auseinandergesetzt hat. Dennoch hoffe ich, dass Quinn nicht eine Wunderheilung durchläuft, damit es einfacher für die Handlung wird.

Die Hörbuchgestaltung

Die Hörbuchgestaltung hat mir wieder sehr gut gefallen. Das Hörbuch wurde als ungekürzte Lesung im Argon Verlag produziert und befindet sich in einer schicken Digifile Hülle, die diesmal etwas höher ist als andere Reihen, wie die Silber-Trilogie.
Da es zwei Perspektiven gibt, hat sich der Argon Verlag dazu entschieden, das Hörbuch auch von zwei Sprecher:innen lesen zu lassen. Und zwar von Jasna Fritzi Bauer und Timmo Niesner. Letzteren werden viele von euch wahrscheinlich als die deutsche Stimme von Eddie Redmayne kennen.

Beide Sprecher:innen passen stimmlich sehr gut zueinander. Die bisherigen Jugendhörbücher von Kerstin Gier wurden meist von Sprecherinnen mit einer helleren Stimmfarbe gelesen. interessant fand ich, dass Jasna Fritzi Bauer im Vergleich zu den anderen Sprecherinnen eine etwas dunklere Stimmfarbe hat, die aber sehr gut zu Matilda passt. Jasna Fritzi Bauer arbeitet Matildas Schüchternheit und die Verträumtheit stimmlich gut heraus. Was ich bei ihrer Interpretation interessant finde ist, dass sie gefühlt eher nach innen und leise liest. In Momenten in denen Matilda dann aber Stellung bezieht und mutig wird, ändert sich auch Jasna Fritzi Bauers Interpretation, womit Matildas Entwicklung noch einmal stärker herausgearbeitet wird.

Timmo Niesner kannte ich bisher vor allem in seiner Interpretation des Sachhörbuches Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind. Dort liest er eher langsam. Hier hingegen greift er die Dynamik der Handlung auf und nimmt uns mit in Quinns Welt.

Ganz zum Schluss gibt es noch eine dritte weibliche Stimme, die aber nur einen sehr kurzen Gastauftritt hat. Ich nehme mal an, dass sie deswegen auch nicht namentlich genannt wird.

Der Schreibstil

Kerstin Giers Schreibstil ist einfach genial. Durch ihre Art, die Handlung lebendig zu erzählen, bin ich ziemlich schnell in die Handlung hineingekommen und konnte mich kaum von dem Hörbuch trennen. Sie bringt wieder jede Menge Witz in Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann ein was mich ziemlich oft auflachen ließ. (Besonders praktisch, wenn man das Hörbuch im Zug hört).

Ein großer Fan war ich vor allem von den Dialogen zwichen den einzelnen Figuren, weil dort nicht nur viele Konflikte angesprochen werden, sondern es auch immer wieder zu unterhaltsamen Momenten kommt.
Etwas gestört hat mich hingegen der Aufbau der Fantasywelt. Allerdings ist das zum einen Jammern auf hohem Niveau und zum anderen haben unsere Hauptfiguren selbst noch keine Ahnung, wohin die Reise geht.

Gesamteindruck

Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann ist ein toller Auftakt zu einer neuen Fantasy Trilogie. Wir lernen tolle Figuren kennen, von denen ich gerne mehr erfahren möchte. Außerdem wird die Handlung mit viel Witz und Spannung an den richtigen Stellen erzählt.

Wie ihr an meiner Bewertung merkt, kann ich über die kleinen inhaltlichen Punkte, die ich oben kritisiert habe, gut hinwegsehen. Ich denke, vieles hat vor allem damit zu tun, dass dieses Hörbuch für eine jüngere Zielgruppe geschrieben ist. Es sind hauptsächlich Dinge, die mir auffallen, weil ich schon viele Jugendhörbücher in dem Stil gehört habe. Wahrscheinlich wäre es mir anders gegangen, wenn es eines der ersten Titel gewesen wäre, die ich in dieser Richtung gehört hätte.
Kurzum: Ich werde diese Reihe definitiv weiterverfolgen und freue mich schon auf den zweiten Teil.

Infos zum Hörbuch

Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann
Geschrieben von: Kerstin Gier
Gelesen von: Jasna Fritzi Bauer, Timmo Niesner.
Bewertung: 4 von 5 Herzen

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

Eine Frau, die uns über ein Buch hinweg anschaut. Um sie herum ein Kreis in dem Buchclub steht.
Bild von: Emma Zecka

Und Du?
Vergissmeinnicht wurde 2022 zu einem unserer Buchclub-Bücher gewählt. Daher habe ich an dieser Stelle ein paar Fragen ergänzt, damit ihr euch über das Buch austauschen könnt, wenn ihr wollt:
Wichtig ist: Es wäre super, wenn ihr Spoiler in den Kommentaren kennzeichnet.

Wie hat Dir der Inhalt gefallen?
Was denkst Du über unsere Hauptfiguren?
Hand aufs Herz. hast Du den Teil mit der Fantasywelt verstanden?
Wirst Du die Trilogie weiter verfolgen?

 

Weitere Bände

Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war (Band 2)
Vergissmeinnicht – Was die Welt zusammenhält (Band 3)

____________________

Dieses Hörbuch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenlos vom Argon Verlag zur Verfügung gestellt.

2 Gedanken zu „Vergissmeinnicht – Was man bei Licht nicht sehen kann“

  1. Huhu,
    Also ich fand den Teil mit der Fantasy-Welt auch etwas kompliziert, aber ich glaube, dass ich es beim Hören trotzdem verstanden hatte. Aber ja – da muss man sich schon etwas anstrengen.
    Den Heilingsprozess und vor allem die Therapie als Physiotherapeutin anzuhören war… interessant 😉 Auf eine gute Art und Weise!
    Was mich in dem Buch hart genervt hat, war die Darstellung der strenggläubigen christlichen Familie. Als Christin dachte ich die ganze Zeit: "Warum? So sind wir nicht!" Natürlich gibt es für jede Gruppierung Negativbeispiele, aber das ist bei anderen Gruppen ja trotzdem kein Grund diese so in den Mittelpunkt zu stellen ohne groß darauf zu verweisen, dass das nicht die Regel ist. Da stellt sich natürlich die Frage, ob ein Buch diesen Job machen muss, aber bei Jugendlichen habe ich einen anderen Anspruch als bei anderen Werken. Wie würde man das ganze betrachten, wenn es um Menschen mit dunkler Hautfarbe, nicht heterosexuelle Leute oder Juden gehen würde?
    Na ja. Christen werden in Deutschland nicht verfolgt oder im großen Stil diskriminiert, daher ist das natürlich kein so sensibles Thema und die Reihe wurde immerhin gerade erst begonnen, aber ich jedenfalls bin gespannt, was dazu noch so kommt.

    Liebe Grüße Mone

    Antworten
  2. Hi Mone,
    ich kann gut nachvollziehen, dass dich die Darstellung von Matildas Familie extrem genervt hat. Bei dem ein oder anderen Beispiel dachte ich mir auch, dass man auch gut hätte darauf verzichten können. Inzwischen habe ich die Theorie, dass der Glaube für die Folgebände vielleicht noch wichtig werden könnte, weil die Familie nicht nur am Rande auftaucht, sondern schon eine zentrale Rolle einnimmt.
    Was hier aber auch mit reinfällt, die Darstellung aber nicht entschuldigen soll, ist die Tatsache, dass ein Handlungsstrang aus der Perspektive von Matilda erzählt wird, die hier halt "den Teenie raushängen" lässt. Ich bin gespannt, ob die Darstellung in den Folgebänden z.B. durch die Perspektiven anderer Figuren, oder auch durch Dialoge wieder etwas gerade gerückt wird.

    Ich hoffe sehr, dass die Reihe bald fortgesetzt wird.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Wenn Du einen Kommentar abgibst, werden die eingegeben Daten und Deine IP-Adresse gespeichert. Die E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Weitere Informationen zur Datenspeicherung findest Du in meiner Datenschutzerklärung