Lieber Daniel,
noch zwölf Tage bis zum Weihnachtsfest. Vielleicht wurden Sie bereits von Harald, Marina und Renate auf eine Kooperation angesprochen. Sie spielen gemeinsam in einem Team.
Was Sie gewinnen können? Ein unheimlich gutes Weihnachtsfest. Hoffe ich zumindest. Und eine abenteuerliche Reise.
Sie brauchen ein Fahrzeug, um mich zu finden. Ja, schauen Sie mich nicht so finster an! Ich weiß genau, dass Sie keines besitzen. Und aus diesem Grund habe ich vorgesorgt.Werfen Sie einen Blick in den beiliegenden Umschlag. Dort finden Sie die Schlüssel. Renate weiß, wo sich das Fahrzeug befindet.
Ich wünsche gutes Gelingen.
Marlene
12. Dezember
Daniel starrte auf den Bildschirm. Zum Glück war er zu dieser Zeit noch alleine im Foyer. Er streckte seine Hand nach der Kaffeetasse zu seiner Linken aus und schob die Tasse dabei unbeabsichtigt gefährlich nahe in Richtung des Bildschirms. Noch ein paar Millimeter und die Tasse wäre über die Kante gekippt.
»Diese verfluchte Kante«, murmelte er und schloss seine Hand um die Tasse, damit nichts Schlimmeres passierte.
Der Bildschirm und der Tisch gingen nämlich nicht, wie erwartet, fließend ineinander über, sondern waren durch eine Art Rahmen voneinander getrennt. Der Bildschirm lag somit ein paar Zentimeter unter dem Tisch.
Daniel konnte nur erahnen, wie teuer so ein »Schrank« war. Obwohl die Technik inzwischen vieles konnte, war sie immer noch nicht immun gegen Flüssigkeiten.
Daniel nahm einen Schluck seines Kaffees und stellte die Tasse wieder neben sich ab. Was sollte er nun tun? Es hatte einen guten Grund, dass er kein Fahrzeug besaß. Er konnte nämlich nicht fahren. Warum also, überließ ihm Marlene Schlüssel für ein Fahrzeug?
Aber vielleicht handelte es sich ja auch um ein ganz anderes Fortbewegungsmittel. Kein Auto, sondern eines der neuen Vehikel, die sie gerade testeten. Das wäre ja noch schlimmer, dachte Daniel ängstlich.
Mit zitternden Fingern griff Daniel nach dem beiliegenden Briefumschlag. Er machte ihn nicht sofort auf, sondern tastete ihn erst einmal vorsichtig ab.
Ein kleiner schmaler Gegenstand befand sich darin. Daniel wusste nicht, ob er vor Freude oder vor Angst weinen sollte. Es ist wohl kein klassischer Schlüssel, mutmaßte er in Gedanken.
Er öffnete den Umschlag und erblickte eine schmale goldene Peitsche, die genauso groß war, wie seine Hand.
Zu welchem Fahrzeug soll dieser Schlüssel bitteschön gehören?, fragte er sich verzweifelt. Er war schon oft an Marlenes Rätseln gescheitert.
Da ging die Schiebetür auf und Renate kam herein.
»R-Renate!«, rief Daniel und verfiel wieder einmal in leichtes Stottern. Das passierte ihm immer, wenn er nervös wurde.
Seine Kollegin blickte auf und musterte ihn mit einem besorgten Blick. Sie kam eilig näher und fragte: »Was ist denn los?«
Dann sah sie die Miniaturpeitsche in seiner Hand und musste lächeln.
»Was soll das denn sein?«, fragte sie belustigt.
»E-Ein Schlüssel für ein Fahrzeug. Und du weißt angeblich, wo es steht«, antwortete Daniel aufgeregt und tippte mit der freien Hand bestätigend auf den Bildschirm.
Renate begann zu lesen.
Ein paar Stunden später
»Also, kommen wir gleich zur Sache: Ich hab‘ nicht viel Zeit. Habt ihr alle eure Briefe dabei?«, fragte Marina.
Das »Team Residenz«, wie es sich selbst getauft hatte, saß versammelt in der Sofaecke im Foyer. So konnte Daniel den Eingangsbereich im Blick behalten, während sie ihre provisorische Krisensitzung abhielten.
Harald und Renate wedelten bestätigend mit einem Blatt Papier. Daniel hielt sein »Appgate« in die Höhe.
Marina forderte sie auf, ihre Briefe auf einem kleinen Tisch abzulegen, der in ihrer Mitte stand. Sie gehorchten. Marina packte ihr »Appgate« aus, tippte ein paar Mal darauf herum und ließ es langsam über das andere Gerät und die Papierblätter kreisen.
»Muss man das nicht von oben nach unten machen? So wie beim Fenster putzen?«, fragte Harald neugierig.
»Nicht, wenn man nur wichtige Begriffe herausfiltern möchte«, antwortete Marina.
Da piepte ihr »Appgate« drei Mal und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Da, schaut euch das an: Unsere Hinweise auf einem Blick: Ein Lied, ein Fahrzeug, eine Weihnachtsgans und Handschuhe. Was hat das alles miteinander zu tun?«, fragte sie.
»Na ja, Handschuhe braucht man an Orten, an denen es kalt ist. Also ist Marlene wohl nicht in der Stadt«, schlussfolgerte Harald.
Die anderen starrten ihn verblüfft an.
»Nun ja, in unserem Stadtteil liegt schon lange kein Schnee mehr. Draußen ist es zwar kalt, aber alle Oberflächen, die wir draußen berühren sind zumindest lauwarm, sodass wir unsere Hände immer wieder aufwärmen können. Marlene benötigt also keine Handschuhe und rechnet damit, dass es uns in der Stadt ähnlich ergeht«, erklärte Harald.
»Sie sollte mal nicht von sich auf andere schließen«, lächelte Marina, doch alle begriffen, wie ernst sie ihre Aussage meinte.
»Eine Weihnachtsgans ist ein traditionelles Weihnachtsessen. Vielleicht will sie, dass ich die Gans zum Fest mitbringe«, versuchte Renate ihr Glück.
»Wo sollen Sie die Gans denn abholen?«, fragte Harald.
Renate nannte ihm den Ort.
»Schneechaos!« Daniel murmelte es mit einem pessimistischen Unterton, während es Harald mit einem euphorischen Grinsen ausrief.
Dann fügte der ältere Herr noch hinzu: »Da werden wir wohl die Handschuhe benötigen.«
»Und für was brauchen wir eine Peitsche?«, fragte Daniel.
»Muss ich denn alles selber machen?«, fragte Harald zurück.
Die anderen blickten schuldbewusst drein.
»Pferde?«, fragten Marina und Renate wie aus einem Munde.
Harald nickte anerkennend.
»Und das Lied?«, fragte Renate.
»Sleight oder sleigh Ride…?«, murmelte Daniel.
Nun standen sie vor einem buchstäblichen Problem. Fremdsprachen wurden schon lange nicht mehr gelehrt. Wenn man mit Menschen aus anderen Ländern kommunizieren wollte, konnte man sich einen Roboter mieten, der die Sprachen übersetzte. Und zwar so, dass keine größeren Pausen während eines Gespräches entstanden.
Sprachkurse waren teuer. Und das Interesse daran sehr gering. Vokabeln konnten zwar gesucht werden, allerdings basierte die Übersetzung der Roboter nicht nur auf den Wörtern, sondern auch den Emotionen des Gegenübers. Bei einer Vokabelsuche, bei der man also nur das Wort oder Satzteile vor sich hatte, konnte es also auch zu Fehlern in der Übersetzung kommen.
»Ride heißt Ritt«, stellte Harald fest.
Alle nickten bestätigend. Dann herrschte Schweigen.
Renate, Daniel und Marina begannen beinahe gleichzeitig auf ihren »Appgates« herumzudrücken.
»Geschicklichkeit?«
»List?«
»Pferdeschlitten?«
»Ich glaube, wir sind da irgendwie…« Renate kam gar nicht dazu, ihren Satz zu beenden.
Harald holte zu einer Handbewegung aus, die Renates Worte wohl beiseite wischen sollten.
Wäre die Technik schon so weit, dass man Gedanken lesen konnte, hätten vier Leute jede Menge bunter Fragezeichen durch den Raum schweben sehen.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Daniel.
Harald setzte zu einer Antwort an. Sein Mund öffnete sich, es kamen auch ein paar Laute heraus.
Allerdings wurden diese von einer Melodie verschluckt. Einem Lied, das sich durch Glockenklingeln ankündigte. Doch das Team war so in seinem Element, dass es die störende Musik überhaupt nicht wahrnahm. Das Team lächelte. Die Musik verstummte.
Harald schlug in die Hände und stand auf: »Ich hole dann mal meinen Terminkalender.«
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Übersicht über die technischen Neuerungen im 22. Jahrhundert
Guten morgne,
oh, das werden ja immer mehr bei der Schlittenfahrt. Ich freue mich schon drauf, bald mitfahren zu dürfen 😀
Liebe Grüße
Anja
Team Residenz 🙂
wie schade, dass Fremdsprachen nicht mehr gelehrt werden. Das ist wohl so wie das Navi, wo die Leute auch die Fähigkeit verlieren, Karten zu lesen. Man hat den EIndruck, die Technik macht uns blöder, weniger reich an Fertigkeiten.
Bin mal gespannt, wo die einen Pferdeschlitten herbekommen wollen 😀
Pferd und Schlitten klauen, Gans ermorden und dabei Handschuhe tragen. Gekonnt inszeniert Marlene! Und keiner der ReHaDaMa-Gang (Residenz Gruppe) hat eine Ahnung in was er da hineingerät. DANKE Marlene!
Die Grafikerin
Liebe Anja,
inzwischen sind alle Charaktere eingeführt und es kommen zum Glück nicht mehr Namen dazu. Ich bin sehr gespannt, wie Dir die Reise gefällt.
viele Grüße
Emma
Liebe Daniela,
ja, manchmal wundert es mich auch, dass sich viele Leute sehr auf die Technik verlassen. Ich finde es auch immer gut, die Wahl zwischen Technik und einer anderen Methode zu haben, die man nutzen kann, wenn die Technik ausfällt.
viele Grüße
Emma
Liebe Grafikerin,
gehst Du etwa heimlich bei Herrn Columbo in die Lehre? Keine Sorge, blutig wird es hier nicht. Es geht schließlich um Weihnachten. Aber ich werde mir die Ideen für eine mögliche Halooween Geschichte merken. Vielleicht gibt es dann ein "Marlene Special"- im Halloween Look.
Wir werden sehen 🙂
viele Grüße
Emma
Ähh, Mähäm, ich hab da noch eine Frage, mir ist die ganze Geschichte noch nicht so klar, wie manchem hier.
Die Personen in der Geschichte haben noch Zweifel über das Fortbewegungsmittel,
Lady Bauer und Lady Von Buchvogel glauben schon an eine friedliche Schlittenfahrt. Dass es auch anders ausgehen kann, erklärt uns Lady Grafikerin.
Schauen Sie, Mähm, folgendes habe ich recherchiert, ich habs hier irgendwo in meinem Notitzbuch, aah ja, hier :
Herr Pelzer nennt den Song : "sleigh ride" oder "sleight" ride .
sleigh ride ist tatsächlich die "Schlittenfahrt".
bei slight ride finde ich "Schlittschuhfahrt".
sleigh heißt Schlitten,
sleight heißt Ärger !
slight heißt leicht,
und, Mähm, was soll jetzt bitte bei diesem slight ride NICHT bedenklich sein.
Eine romantische Schlittenfahrt, oder gewaltiger hard-rock, man sollte vorsichtig sein.
Denken Sie an Aghata Christie "Zehn kleine Negerlein", eines der meistverkauften Krimis, leider habe ich es nicht geschrieben.
Mähm, ich hoffe, ich täusche mich, und alle sind auf der Hut, auf wiedersehn, Mähm.
Mähm, ich bins nochmal, schön dass sie aufmachen,
ich hab da einen Fehler gemacht in meinem Notitzbuch,
also sleigh ride ist Schlittenfahrt, und
sleight ride ist Schlittschuhfahrt – nicht "slight ride".
Tut mir leid , Mähm, äh, Mähm ?
Jetzt hat sie die Tür zugebatscht.
Ein Windstoß ..
Himmel, so viele Wörter.
Gehen Sie zurück nach Amerika und fangen Verbrecher.
Fürs Fernsehen…
Ja, Mähäm .