Der Inhalt
Diesen Roman entdeckte ich zufällig in einer Verlagsvorschau von RandomHouse Audio. Ich dachte eigentlich, ich weiß, wie die Geschichte läuft. Und dann hat mich Delphine de Vigan ordentlich durcheinander gebracht.
Der Inhalt sorgte bei mir für etwas Verwirrung. Die Protagonistin trägt nämlich denselben Namen wie die Autorin. Sie heißt ebenfalls Delphine und hat, genau wie die Autorin des Romanes, Kinder, die gerade mit der Schule fertig sind und in die Welt hinaus gehen. Außerdem haben die Autorin und die Protagonistin beide kürzlich ein Buch über ihre Mutter veröffentlicht. Ich bin von Beginn an davon ausgegangen, dass es sich hier um eine biografische Erzählung handelt und wir an einem bestimmten Lebensabschnitt von Delphine de Vigan teilhaben dürfen. Nie habe ich daran gezweifelt, dass es sich vielleicht doch um eine fiktive Geschichte handeln könnte.
Die Protagonistin Delphine leidet an einer Angststörung. Noch bevor wir L. kennenlernen, eine Freundin, die sich in Delphines Leben schleicht, stellte ich mir die erste Frage: Es wird beschrieben, wie Delphine bei einer Buchmesse in Frankreich eine Signierstunde abhält. Ihr Buch war ein großer Erfolg. Deswegen ist die Signierstunde gut besucht. In einem Rückblick in Delphines Kindheit erzählt diese, dass sie es nicht mochte, an ihrem Geburtstag im Mittelpunkt zu stehen. Daher fand ich es spannend, dass sie sich gerade für den Beruf der Autorin entscheidet. Natürlich hat man als Autor noch ein ruhigeres Leben als beispielsweise in der Funktion eines Schauspielers. Dennoch wächst mit zunehmender Bekanntheit auch die Anzahl der Fans und somit der Aufmerksamkeit. Deswegen stellte ich fest, dass Delphine der Aufmerksamkeit nicht davon laufen kann.
Allerdings wurde im Laufe des Romanes auf meine Feststellung leider nicht groß eingegangen. Denn Delphine begegnet schließlich L., einer Frau, die all das verkörpert, was Delphine nicht ist. L. strahlt eine Selbstsicherheit und eine Dominanz aus. Sie fordert ihr Umfeld heraus und wirbelt damit viel Staub auf. Delphine fühlt sich bei L. zuerst sicher. Schließlich gibt ihr die Freundin Orientierung und glaubt zu wissen, warum es ihr schlecht geht und was man dagegen tun kann. Allerdings ändert sich dies Stück für Stück.
Delphine legt den Fokus der Geschichte auf die Beziehung zwischen ihr und L. Und das war mir etwas zu wenig. Obwohl L. ganz bestimmt nicht heilig ist, begann ich mich stellenweise mit ihr zu solidarisieren. Natürlich ist sie dominant, doch kann sie letztendlich auch nichts dafür, wenn man ihr nicht die Stirn bietet. Auch ich habe Ls. in verschiedenen Varianten erlebt. Ls., die mich ziemlich vereinnahmt haben. Doch kann ich ihnen nicht alleine die Schuld daran geben. Und genauso kam es mir aber bei Delphine vor. Sie war fein raus, indem sie L. übermächtig machte. Und das verursachte bei mir zunehmendes Augenrollen und die Frage nach der Reflexion.
Die Spannung
Der Spannungsbogen von Nach einer wahren Geschichte war mir zu unklar aufgebaut. Ich wusste zuerst nicht ganz, worauf die Autorin hinaus wollte. Außerdem konnte ich die Steigerung des Spannungsbogens nicht ganz nachvollziehen. Zuerst verbringen die beiden Freundinnen viel Zeit miteinander und plötzlich wird L. gefühlt übermächtig.
Doch dann kamen die letzten Absätze. Und hier reißt Delphine de Vigan das Ruder nochmal herum. Sie ergreift eine Option, die ich zuvor noch überhaupt nicht für möglich gehalten habe. Während ich mich ärgerte, dass die für mich wesentlichen Fragen wahrscheinlich offen bleiben, gibt uns die Autorin einen völlig neuen Blick auf L. Ein Blick, der dafür sorgt, dass ich das Hörbuch unter diesem Aspekt im Grunde nochmal hören müsste.
Die Hörbuchgestaltung
Gelesen wird das Hörbuch von Martina Gedeck. Sie interpretiert die Geschichte um die Autorin Delphine wirklich gut. Besonders toll hebt sie die zwei Elemente von Nach einer wahren Geschichte hervor: Auf der einen Seite erleben wir die Ich-Erzählerin Delphine. Sie wirkt sehr zerbrechlich und buchstäblich von ihrer Angst gesteuert. Dann gibt es aber auch diese Passagen, in denen wir einen fordernden, dominanten Monolog erleben. Delphine wird beleidigt und muss sich einem harten Urteil unterziehen. Und gerade diese zwei Facetten – das Zerbrechliche und das Dominante – hat Martina Gedeck toll dargestellt. Ich hätte nicht gedacht, dass der Wechsel zwischen der Härte und der Zerbrechlichkeit so gut gelingt.
Der Schreibstil
Delphine de Vigan hat einen schönen Schreibstil. Gerade den Wechsel zwischen der zerbrechlichen und der dominanten Seite wird sehr gut herausgearbeitet. Inhaltlich fehlte mir aber eine Entwicklung von Delphine. Ich ertappte mich auch dabei, dass ich nicht immer ganz bei der Sache war.
Gesamteindruck
Eigentlich rechnete ich damit, eine biografische Erzählung einer Autorin vor mir zu haben. Doch irgendwann fragte ich mich, warum uns eine Autorin so viel Privates über ihr Leben erzählen sollte. Als das Ende dann kam, war ich verwundert und musste erst einmal etwas recherchieren. Das Ende hat mich irgendwie beeindruckt. Dennoch muss ich sagen, dass Nach einer wahren Geschichte meine Erwartungen leider nicht erfüllen konnte. Und das obwohl es sich hier um eine sehr gute Lesung handelt.
Infos zum Hörbuch
Nach einer wahren Geschichte
Geschrieben von: Delphine de Vigan
Gelesen von: Martina Gedeck
Bewertung: 3 von 5 Herzen
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Liebe Emma,
ich habe deine Rezi zum HB mit großem Interesse gelesen. Als das Buch herauskam, war ich unschlüssig, ob es was für mich ist. Und nun, nach deiner Buchvorstellung denke ich, dass ich das Buch auslassen werde.
Was haben deine Recherchen ergeben? Ist es nun autobiografisch oder nicht? Konntest du was dazu finden?
GlG, monerl
Guten Morgen liebe monerl,
es freut mich, dass du vorbei geschaut hast. Ach, Mann! Eigentlich hoffe ich ja, Leute zum Lesen animieren zu können :-). Ich kann aber gut verstehen, dass du das Buch lieber auslassen möchtest.
Bei meinen Recherchen bin ich auf einen Artikel von Deutschlandfunk gestoßen, den ich in der Rezension verlinkt habe. Hier wird die Frage, ob es nun eine Biografie ist oder nicht, auch thematisiert. Und es wurde sinngemäß so beantwortet, dass es ein schmaler Grat dazwischen ist. Delphine de Vigan musste sich mit dem Thema auseinandersetzen, dass die Menschen auf "reale" Geschichten stehen und das sich ein Buch besser verkaufe, wenn dort "nach einer wahren Begebenheit" drauf steht. Und das hat sie wohl zu diesem Roman inspiriert.
Mehr habe ich leider nicht herausfinden können.
viele Grüße und einen guten Start ins Wochenende (hoffentlich ohne große Sturmschäden…).
Emma
Herzlichen Dank für diese ausführliche Antwort! Du hast mir sehr weitergeholfen! 🙂 Auch wenn ich das Buch nicht lesen werden, so hat mir deine Rezi gefallen und mir geholfen, eine Entscheidung zu treffen. Das ist doch viel wert, finde ich!
GlG und ein schönes Wochenende!
monerl
PS.: Ich weiß nicht, ob du´s gesehen hast, aber ich habe dich HIER getaggt. Ich weiß nicht, ob du bei sowas mit machst. Falls nicht, dann überlese das hier einfach. Falls doch, freue ich mich. 😉
Hallo Emma,
verwirrend, die Frage, ob es nach einer realen Begebenheit ist oder nicht. Das macht schon einen Unterschied, finde ich, und ich mag es nicht, wenn man da dauernd raten muss. (Das selbe Problem hatte ich mich "Wähle und Zahle den Preis".)
Ich finde den Plot aber sehr interessant, wobei mir Menschen wie Delphine, die sich nicht wehren, auch auf die Nerven gehen.
Interessant fand ich, dass sich am Ende ein neuer Blick ergibt auf L., der dich völlig überrascht hat. So was mag ich ja!
Liebe Grüße
Daniela
Guten Abend Daniela,
das Merkwürdige an dem Buch war, dass ich 3/4 des Buches dachte, dass es sch um eine reale Geschichte handelt und ich erst in der letzten halben Stunde gezweifelt habe.
Ich bin sehr gespannt, ob du zu dem Buch greifst und wie es dir letztendlich gefällt.
viele Grüße
Emma
Hallo Emma,
ich finde ja merkwürdig, dass der Verleger sagte, reale Geschichten würden sich besser verkaufen. Aber wenn dem so ist…
Ich hab deinen großartigen Beitrag bei meiner Blogwanderung verlinkt.
Liebe Grüße – Daniela