Leere Herzen

Das Hörbuchcover von "Leere Herzen"
Bild von der Hörverlag

Der Inhalt

Inhaltlich geht es hier ziemlich zur Sache. Britta und Babak, beste Freunde, betreiben eine Agentur. Eine Firma, die assistierten Suizid betreibt. Aber das nicht etwa, indem man den Betroffenen ein tödliches Medikament verschafft. Ihr Tod soll einer Organisation nützen. Und damit diese Organisation gut ausgebildete Leute bekommt, haben Britta und Babak ein Trainingsprogramm entwickelt, das es in sich hat.

Das ist nun der erste Handlungsstrang. Allerdings deutet Juli Zeh hier auch etwas Höheres an. Sie kritisiert nicht nur die momentane politische Lage, die sie aber nur in Ansätzen schildert, sondern wendet sich auch dem Prinzip der Leeren Herzen zu. Britta wirkt emotionslos und kalt. Mit ihrer Familie kann sie nichts anfangen. Sie glaubt, nur mit Gewalt etwas im Leben erreichen zu können. Man könnte fast vermuten, dass sie auch etwas frustriert von der Entwicklung der Welt ist. Dann taucht eine Organisation auf, die Britta auf eine harte Probe stellt: Sie muss nicht nur ihre eigene Firma retten, sondern sich auch überlegen, was sie von ihrem Leben möchte.

Nun noch zu der oben angedeuteten politischen Lage: Zuerst hat mich Juli Zeh ordentlich verwirrt. Es ist nicht so, dass ich ein grandioses politisches Verständnis habe. Allerdings sind mir einige Grundlagen bekannt. Und so war ich wirklich verunsichert, als Juli Zeh politische Gegebenheiten schildert, die in der Realität nicht zutreffen. Und das obwohl unsere Protagonisten in einem scheinbar realistischen Deutschland leben. Also ohne Sciene-Fiction oder dystopische Elemente. An dieser Stelle war mir klar, dass wir uns doch in naher Zukunft befanden und somit ein bisschen Dystopie vorhanden war.

Was mich störte war, dass Juli Zeh viele politische Probleme andeutet, diese aber nicht konsequent und detailliert beschreibt. Zum einen ist das natürlich verständlich, da sie sich hier auf dünnes Eis begibt und es ja letztendlich um eine fiktive Geschichte und nicht um eine politische Diskussion drehen soll. Andererseits haben mich diese politischen Andeutungen irgendwann auch genervt. Das ist ungefähr, wie das Sahnetorten-Beispiel: Jemand läuft mit einer Sahnetorte an dir vorbei, verrät dir aber weder, wie du eine Sahnetorte machst, noch wann du sie probieren darfst.

Als die Geschichte dann auf ihren Höhepunkt zuläuft, bekommt die Politik noch eine wichtige Bedeutung. Und Britta trifft eine Entscheidung, die ich absolut nicht nachvollziehen kann und die mich mit vielen Fragezeichen zurückgelassen hat. Dennoch würde ich nicht behaupten, dass der Inhalt völlig daneben ist. Ich kann ihn einfach nur absolut nicht einordnen.

Die Spannung

Der Aufbau des Spannungsbogens konnte mich hier nicht ganz packen. Ich konnte lange keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Szenen des Romanes feststellen. Sie bauten für mich nur bedingt aufeinander auf und zeigten eher Momentaufnahmen von den Charakteren. Mir war beispielsweise nicht klar, welche Zeitspanne zwischen den einzelnen Szenen liegt. Und gerade zu Beginn hatte ich den Eindruck, dass der Anfang mehr im Schnelldurchlauf erzählt wird, um noch mehr Luft für den Hauptteil bzw. das Finale zu haben.

Allerdings habe ich das Hörbuch auch in einer gekürzten Version gehört. So habe ich in einer anderen Rezension gelesen, dass Brittas Privatleben im Buch viel Raum einnimmt, was mir bei dem Hörbuch überhaupt nicht so vorkam. Es wurden immer wieder Szenen aus dem Privatleben geschildert. Diese reichten aber vollkommen aus, um einen Blick für die private Britta zu bekommen.
Ich hätte mir hier insgesamt einen fließenderen Übergang zwischen den einzelnen Szenen gewünscht.

Die Hörbuchgestaltung

Das Hörbuch wird von Ulrike C. Tscharre gelesen. Ihre Stimmfarbe gefällt mir wirklich gut. Außerdem hat sie der Geschichte den richtigen Unterton verpasst. Allerdings hat das auch dafür gesorgt, dass ich ziemlich genau zuhören musste, um keine Anspielung zu verpassen. Dank dem ein oder anderen Nebencharakter konnte sie auch ihre Vielfältigkeit unterstreichen. So wurden beispielsweise lautes Kinder Schreien oder Dialektkenntnisse verlangt. Gerade letzteres hatte einen unfreiwillig komischen Beigeschmack, trotz der ernsten Thematik. Ulrike C. Tscharre kommt auf meine „Im Ohr behalten“-Hörbuchsprecher Liste.

Der Schreibstil

Leere Herzen konnte ich nicht in einem Rutsch herunterlesen. Das liegt einfach daran, dass Juli Zeh viele Anspielungen verpackt und ich diese erst einmal richtig sortieren musste. Juli Zeh hat einen angenehmen Schreibstil, der die kritischen Elemente des Buches auch wunderbar hervorhebt. Außerdem konnte ich viel über Britta zwischen den Zeilen erfahren. Und ich hätte absolut nicht gedacht, dass der Titel Leere Herzen zum einen so gut zur Geschichte passt und zum anderen bildlich so gut in der Geschichte dargestellt werden kann.

Gesamteindruck

In Leere Herzen begegnet uns Kritik an jeder Ecke. Damit hätte ich absolut nicht gerechnet. Ich hatte hier und da den Eindruck, dass sich Juli Zeh etwas verzettelt. Da hätte ich mir gewünscht, dass sie sich auf eines der vielen angesprochenen Themen festlegt und dieses auch konsequent durchzieht, anstatt viele Fässer aufzumachen.

Ich würde nicht sagen, dass Leere Herzen eine negative Überraschung war. Ich kann das Hörbuch nur absolut nicht einordnen und zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht wirklich sagen, ob es mir gefallen hat oder nicht. Wer auf gesellschaftskritische Bücher steht und kein Problem damit hat, sich mit Themen wie Suizid zu befassen, sollte sich Leere Herzen mal genauer anschauen. Ansonsten: Lest es schon allein deswegen, damit wir darüber diskutieren können.

Infos zum Hörbuch

Leere Herzen
Geschrieben von: Juli Zeh
Gelesen von: Ulrike C. Tscharre
Bewertung: 3 von 5 Punkten

Bei meiner Lieblingsbuchhandlung bestellen.

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Und Du?
Ich habe Redebedarf und möchte Dir daher ein paar Fragen zum Buch stellen. Da einige Antworten auf die Fragen Spoiler enthalten, möchte ich Dich bitten, die Spoiler in Deiner Antwort zu markieren, damit kein/e Leser*innen später eine böse Überraschung erleben, wenn er die Kommentare liest.

1. Hast Du das Buch gelesen?
2. Wie hat es Dir gefallen?
3. Was hältst Du von Brittas Entscheidung?
4. Was hältst Du von Juli Zehs Element der Leeren Herzen?

Das Hörbuch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenfrei von der Hörverlag zur Verfügung gestellt.

4 Gedanken zu „Leere Herzen“

  1. Hallo Emma,

    "Unterleuten" habe ich auch gehört und fand es grandios! Nun haben einige Leute, die oftmals den gleichen Lesegeschmack haben wie ich, "Leere Herzen" gelesen und für nicht so gut befunden. Aus ihren Rezensionen kann ich herauslesen, dass das Buch wohl nichts für mich ist. Schade, denn ich hätte gerne wieder was von Juli Zeh gelesen. Ich werde mir mal eines ihrer älteren Werke vornehmen. Ich glaube, da werde ich fündig werden.

    Wünsche dir noch einen schönen Nikolaustag,
    GlG vom monerl

    Antworten
  2. Hallo Monerl,

    erstmal wünsche ich dir auch einen frohen Nikolaustag. (Obwohl der Schnee bei uns mittlerweile wieder vollständig verschwunden ist). Ich finde "Leere Herzen" bietet einiges an Diskussionsstoff. Und es war keinesfalls so, das ich es bereut habe, das Buch zu hören. Aber es lässt mich auch etwas unbefriedigt zurück, was wohl einfach daran liegt, dass ich das Ende nicht verstanden habe :-).

    Zu einem älteren Buch von der Autorin zu greifen, ist mit Sicherheit kein Fehler. Ich habe sogar noch ihren Erstling auf meinem SuB.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten
  3. Hallo Emma,
    hier kommt mein versprochener Kommentar zu deiner Rezension.
    Auch für mich war „Unterleuten“ der erste Roman von Juli Zeh, den ich gelesen habe. Damals war ich auch auf einer Lesung von ihr dazu und war begeistert. „Spieltrieb“ steht noch ungelesen in meinem Regal.
    „Leere Herzen“ hat mich thematisch sofort angesprochen.
    Ich fand es gut, dass die Geschichte 2025 (oder erinnere ich mich hier falsch?) spielt. Eine Zukunft, die doch irgendwie im greifbarer Nähe scheint. Die politische Lage, und die andauernden Anspielungen darauf haben mich immer wieder in die „Realität“ zurückgeholt, sprich mich daran erinnert, dass es ein vorstellbares Deutschland ist und die aktuelle politische Lage sich theoretisch soweit zuspitzen könnte, wie es Juli Zeh beschreibt. Deswegen hat es für mich keine genaueren Erklärungen benötigt, um mich in die Gesellschaft einzufinden.
    Ich habe das Buch immer wieder zur Seite legen müssen um meinem Freund von dem gerade gelesen zu erzählen. Selten hatte ich so viel Redebedarf wie bei diesem Buch. Vielleicht hat gerade das Sprechen darüber geholfen, das Buch besser zu verstehen meine Gedanken während dem Lesen zu ordnen. Brittas Privatleben kam in dem Buch nicht zu kurz und hat viel über ihre Persönlichkeit preisgegeben. Mich würde interessieren, was in der gekürzten Hörbuchfassung weggelassen wurde. Vielleicht werde ich sie mir mal anhören, da mich auch interessiert wie das Buch vertont wurde. Ich wurde in eine ganz bestimmte Stimmung beim Lesen versetzt, die ich so nicht beschreiben kann. Vielleicht ergeht es mir beim Hören anders und die Sprecherin übermittelt mit ihrer Stimme etwas ganz anderes. Diese unterschiedlichen Stimmungen finde ich sehr interessant, wenn man sowohl das Buch, als auch das Hörbuch kennt. Zunächst war mir nicht klar, was der Titel mit dem Buch zu tun hat, meine Vermutung war das es sich auf das Seelenleben der Gesellschaft bezieht. Als es dann thematisiert wurde, fand ich es toll, dass Titel und Inhalt so gut zusammenpassen.
    Brittas Handeln war mir teilweise etwas suspekt, aber ich muss nicht mit jeder Person sympathisieren, besonders wenn sie so kalt dargestellt wird wie Britta. Das Ende war für mich überraschend und hat mich doch sprachlos zurückgelassen. Die Beweggründe scheinen doch andere gewesen zu sein, als die Leser zunächst gedacht haben.
    Und passend zum Beginn des Serienfinales von „Der Club der roten Bänder“ endet dieser Kommentar.
    Liebe Grüße,‘
    Kathrin

    Antworten
  4. Guten Morgen BuboBubo,
    vielen Dank für deinen langen Kommentar. Ich habe mich wirklich sehr gefreut und bin beeindruckt, dass du das Ganze spoilerfrei hinbekommen hast. Gerade, weil das Buch für so viel Redebedarf sorgt.

    Ich muss kleinlaut gestehen, dass ich gar nicht wusste, in welchem Jahr die Geschichte spielt. Es kann gut sein, dass ich es überhört habe :-). Ich hätte auch nicht gedacht, dass der Titel des Buches un der Inhalt so gut miteinander harmonieren. Die "Leeren Herzen" waren auch sehr greifbar dargestellt und ich habe gefühlt schnell verstanden, was Juli Zeh meint.

    Allerdings verstehe ich nicht, wie Britta mit ihrer Entscheidung einer anderen Partei zuspielen kann. Dass sie ihre Machtposition behaupten möchte, ist verständlich. Das passt auch zu ihrem Charakterzug. Aber auf eine andere Art hat sie ja auch irgendwie aufgegeben. Und vielleicht ist es das, was mich so ratlos zurücklässt…

    Das Hörbuch bekommt jedenfalls einen Platz in meinem Bücherregal und ich freue mich auf weitere Romane der Autorin.

    viele Grüße

    Emma

    Antworten

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